Ersticken die Grünen an ihren Dementis?
Droht Joschka Fischer eine neue Affäre? Unklare Dementis der Grünen bringen den Außenminister erneut in Bedrängnis. Streitpunkt: Ein Honorar in Höhe von 19.999 Mark für die Teilnahme an einer Veranstaltung des umtriebigen PR-Beraters Moritz Hunzinger.
Hunzinger und Fischer Anfang September 1998: "Wahlkampf J. Fischer"
Berlin - Eigentlich waren die Vorwürfe, mit der die "Bild"-Zeitung heute Morgen den Außenminister zu belasten versuchte, Schnee von gestern. Bereits vor drei Jahren war die Zahlung des PR-Beraters Moritz Hunzinger im Zusammenhang mit einem Auftritt Joschka Fischers bei der Hunzinger Veranstaltung "Politischer Salon" bekannt geworden. Sie hatten für Diskussionen gesorgt - und wurden dann ad acta gelegt.
Doch der Umgang der Grünen mit den neuen alten Vorwürfen macht die Sache jetzt möglicherweise doch zur Affäre. Sie wirft ein Schlaglicht darauf, wie ihre Parteioffiziellen hantieren, um Ungemach von ihrem vordersten Frontmann abzuwenden - und sich dabei in Widersprüchen und schiefen Dementis verheddern.
Der Brief des PR-Profis Moritz Hunzinger an den "lieben Herrn Abgeordneten Josef Fischer" vom 17. August 1998 ist gerade mal zweieinhalb Absätze lang - und dennoch fast 20.000 Mark schwer. Für eine Veranstaltung im "Politischen Salon", an der mehr als ein Dutzend Honoratioren aus der deutschen Wirtschaft am 2. September 1998 teilnahmen, "bestätige ich das Honorar in Höhe von DM 19.999", so Hunzinger. "Bitte lassen Sie mir aufgeben, wie Sie die Anweisung wünschen" heißt es weiter in dem Schreiben, das SPIEGEL ONLINE vorliegt.
Den Brief will Hunzinger seinem anvisierten Gast wenige Wochen vor der Veranstaltung persönlich in Fischers Wohnung in Frankfurt am Main überreicht haben. Während dieser Begegnung habe er mit dem prominenten Grünen die Details des Abends besprochen.
Die Summe von 19.999 lag genau eine Mark unter der damals gültigen Veröffentlichungspflicht des Parteispendengesetzes. Bei 20.000 Mark hätte der Spender von den Grünen ausgewiesen werden müssen. Entweder wollte Fischer seine Teilnahme im Salon nicht in den Zusammenhang mit einem Auftritt bei Hunzinger bringen lassen. Oder der PR-Berater legte keinen Wert darauf, in einem Rechenschaftsbericht der Grünen auftauchen.
Hunzingers Schreiben an Fischer
Etwa einen Monat später, am 15. September 1998, wurden auf dem Konto des Frankfurter Kreisverbandes der Grünen, die Summe von 19.999 Mark verbucht - das Geld kam von Hunzinger. Für den Frankfurter PR-Berater war der 131. Politische Salon, bei dem unter anderem "marinierter Baby-Spinat mit Spargelspitzen" und "Rinderfiletscheiben mit frischem Rucola" gereicht wurden, mit der Überweisung ordentlich erledigt. Die Frage, ob die Summe als Honorar oder Spende ausgezahlt wurden, war für Hunzinger vollkommen zweitrangig - für ihn war klar, das Fischers Auftritt vor dem Wirtschaftspublikum vergütet werden müsste, und zwar unter dem Verwendungszweck "Wahlkampf Fischer".
Den Kausalzusammenhang zwischen Auftritt und Hunzingers Geldanweisung bestreiten nun aber die Grünen. Der Schatzmeister der Grünen, Dietmar Strehl, behauptete heute, weder Fischer noch Umweltministerin Renate Künast, die ebenfalls in Hunzinger-Salons reüssierte, hätten jemals ein Honorar oder eine Spendenzusage für ihren Vortrag erbeten. Die Bereitschaft zu den Vorträgen sei an keinerlei finanzielle Bedingungen geknüpft gewesen. Wenn Hunzinger dies in Zweifel ziehe, dann sei das "frei erfunden".
Fischer als "geldwerter Vorteil" der Grünen
Fischer, Hunzinger und Zuhörer: 131. Politischer Salon
Zwar bestätigte Strehl, es habe von Hunzingers Firma einen Scheck über 19.999 Mark "mit dem Adressaten Grünen-Kreisverband Frankfurt" gegeben. Das Geld sei korrekt als Parteispende verbucht worden. Doch der grüne Schatzmeister besteht darauf, dass die grüne Prominenz bei Hunzinger vollkommen uneigennützig und ohne monetären Hintersinn agiert habe. Warum aber hat Hunzinger Geld an die Ökopaxe überwiesen, wenn er den Grünen nichts schuldig war?
Strehls Einlassungen von heute stehen freilich in krassem Gegensatz zu Äußerungen, die er laut "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 8. Januar 2000 gemacht hat. Damals nannte er Fischer den "geldwerten Vorteil" der Grünen schlechthin. Die "Faz" zitierte Strehl seinerzeit so: Es werde eben anerkannt, "wenn der Fischer kommt und sagt: 'Ich habe mit dem Hunzinger gesprochen, der gibt euch 10.000 Mark für meinen Wahlkampf dazu.' Das Endergebnis müsse stimmen: "'Wir wollen das Geld. Ob das nun so kommt oder anders, ist uns eigentlich egal.'"
Strehl hatte damals auch nichts dagegen einzuwenden, dass Spenden, die Fischer seinerzeit eintrieb, nicht nur der Partei, sondern auch ihm persönlich zugute kamen. Wie Strehl im Januar 2000 der "Faz" bestätigte, reduziert Fischer nämlich den persönlichen Betrag, den er als Abgeordneter an die Bundespartei abführen musste, durch die Vermittlung von Spenden: Je mehr spendierfreudige Unternehmer Fischer auftrieb, desto mehr hatte der Ex-Sponti von seinen Diäten.
"Ohne den Einsatz und die Popularität Joschka Fischers wären diese Gelder nicht in die Parteikassen geflossen", stellte auch der Schatzmeister der Frankfurter Grünen, Harry Knittel, damals fest, als er im Herbst den Jahresabschluss 1998 seines Kreisverbandes vorlegte. Hunzinger betont denn heute auch in einem Brief an Renate Künast den Zusammenhang zwischen erbrachter Auftrittsleistung und Honorierung: "Es war ausnahmslos üblich für Referate bei politischen Salons der Hunzinger Informations AG Honorare und/oder Spenden zu entrichten." Angesichts der grünen Dementis fügte Hunzinger hinzu: "Politik ist kein schönes Metier".
Für den Auftritt von Künast soll Hunzinger 7500 Euro an die Grünen gespendet habe. Der PR-Mann erklärte ferner, ihm sei vor der Veranstaltung mit Künast aus dem Umfeld der Ministerin signalisiert worden, dass "diese nur rede, wenn er den Grünen eine Spende mache".
Die CDU Hessen, CDU-Generalsekretär Volker Kauder und die FDP verlangten nun eine Klärung der Umstände der Zahlung für den Fischer-Vortrag. Die Unions-Abgeordneten Julia Klöckner (CDU) und Melanie Oßwald (CSU) richteten diesbezüglich parlamentarische Anfragen an die Bundesregierung, wie "Bild" weiter berichtet.
Zu den nach Hunzingers Angaben genau 150 Politischen Salons seien dreimal Grüne als Referenten geladen gewesen, erklärte Strehl heute weiter. Neben Fischer waren dies nach Angaben der Grünen im Jahr 2000 der damalige Fraktionschef Rezzo Schlauch und im Juli 2002 Bundesverbraucherministerin Renate Künast. Auch in diesem Punkt widerspricht Hunzinger dem grünen Parteisprecher: Tatsächlich hätten Politiker der Grünen "viermal" Vorträge in seinem Salon gehalten. Neben Fischer, Schlauch und Künast sei im Jahr 1997 auch der frühere stellvertretende Ministerpräsident und Justizminister von Hessen, Rupert von Plottnitz-Stockhammer gekommen. Allerdings habe der, laut Hunzinger, als "Honorar" nur eine "ordentliche Zigarre" erbeten.
Von den Firmen Hunzingers seien an die Grünen von 1998 bis 2002 insgesamt 29.950 Euro gespendet worden. Seither habe es keine Spenden von Hunzinger oder seinen Firmen an die Grünen gegeben.
Über Geschäfte mit Hunzinger waren im Jahr 2002 mehrere Politiker gestolpert. Der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) war wegen seiner Geschäfte mit Hunzinger entlassen worden. Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir legte wegen eines Darlehens, das er von Hunzinger erhalten hatte, sein Bundestagsmandat nieder.
MfG kiiwii
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