Turnaround: profitieren, wenn gefallene Engel wieder auferstehen...
Quelle: iNTELLiGENT iNVESTiEREN
Die Wirtschaft ist kein Streichelzoo, es wird hart um Aufträge gerungen und um Gewinn gekämpft. Und neben den strahlenden Gewinnern gibt es natürlich auch Verlierer, Unternehmen, die nicht oder nicht mehr die richtigen Produkte oder Dienstleistungen anbieten oder aber schlicht dem Konkurrenzdruck nicht gewachsen sind. Dabei geht es nicht nur um Branchen, die ihren Zenit überschritten haben, wie Kutscherpeitschen, Walkmen oder Autohupen, sondern auch um Bereiche, in denen ein harter Wettbewerb herrscht. Dabei kommen auch ehemalige Weltkonzerne und Weltmarktführer unter die Räder, wie AEG, Grundig, Sony, Nokia, Palm, Volvo oder Atari.
Nicht alle von ihnen verschwinden von der Bildfläche, einige werden übernommen und fristen ein Schattendasein als Abteilung eines größeren Konzerns oder werden als Sparte ausgeschlachtet. AOL, Kodak, Compaq oder Motorola seien hier genannt. Allen gemein ist, dass es zumeist kein schneller und einmaliger Absturz war, sondern sich der Niedergang über einen längeren Zeitraum angebahnt hat. Die Kunden- und Anlegerlieblinge zehrten noch eine Weile von ihrer Marktstellung und von ihrem Image, doch mach und nach setzt neben dem unternehmerischen Niedergang auch der Imageverlust ein, die einstige Trendmarke wird zum alten und angestaubten Problemfall, dessen Produkte niemand mehr haben will. Doch so mancher ehemalige Star kriegt auch die Kurve und bietet das Potenzial, (s)eine erfolgreiche Unternehmensgeschichte noch einmal zu schreiben. Wie IBM oder Apple. Unter bestimmten Voraussetzungen können Turnaroundspekulationen auch für Value-Investoren interessant sein.
So erging es auch Nokia, dem einstigen Weltmarktführer bei Mobiltelefonen, oder Research in Motion (RIM), dem Hersteller der BlackBerry-Smartphones. Einige Jahre lang waren die der Inbegriff der "Hippness", in jedem amerikanischen Film waren die attraktiven Hauptdarsteller damit zugange, BlackBerrys waren völlig in den (cineastischen) Tagesablauf integriert. Dann kam Apple mit dem Iphone und Touchscreens, während BlackBerry auf das bewährte Tastentelefon setzte. Und auch weiterhin zulegte, doch im rasant wachsenden Smartphonemarkt verlor RIM stark an Marktanteilen, von in der Spitze 20 auf 4 Prozent - der Aktienkurs kannte fortan nur noch eine Richtung: nach unten. Und Ende 2012 musste RIM nicht nur seine neuen Gerätegenration samt neuem Betriebssystem verschieben und seinen Chef vor die Tür setzen, es machte auch noch große Verluste.
Und dennoch... RIM hat noch immer 80 Mio. Kunden und das neue Smartphone findet bei den Vorabtestern großen Anklang ("geilstes Smartphone"). Ebenso das neue Betriebssystem BB10, das sogar besser als die der Konkurrenz von Apple oder Microsoft sein soll. In wenigen Wochen kommt es auf den Markt und wird die Zukunft von RIM entscheiden. Der Aktienkurs hat sich jedenfalls von seinen Tiefstständen bereits kräftig erholt und da RIM ein drastisches Sparprogramm fährt, liegt man wieder in der Gewinnzone und die liquiden Mittel wachsen weiter an. Derweil prüft das Unternehmen weiterhin verschiedene Optionen, wie den Verkauf seiner Handyproduktion oder die Lizensierung seiner neuen Handysoftware, doch aufgrund der jüngsten unternehmerischen Erfolge und des zu erwartenden Hypes um die neuen Telefone inzwischen aus einer Position der Stärke heraus. Hierzu passt auch die Meldung, Walmart würde das neue BB10 in Canada in seinen Märkten anbieten und man verhandle auch über die Märkte in den USA. Wenn das neue BB10, das in 6 Varianten auf den Markt kommen soll, so einschlägt, wie es zu erwarten ist, hat der Aktienkurs noch erhebliches Potenzial. Mutige Anleger setzen auf den Turnaround und legen sich einige Aktien ins Depot und spekulieren auf ein nachhaltiges Erholen des einstigen Trendsetters.
Eine andere interessante Turnaround-Story schreibt TwinTec, ein kleines Unternehmen, das sich auf Abgasreinigung spezialisiert hat. Im März war das Unternehmen am Ende, die Insolvenz war sicher und der Aktienkurs dümpelte um Ein-Euro-Marke. Doch auf den letzten Drücker übernahm der amerikanische Finanzinvestor Perseus die Aktienmehrheit an der TwinTec im Wege einer Kapitalerhöhung - und der Kurs rutschte auf unter 50 Cents ab. Große Meldungen blieben aus und der Markt für Abgasreinigungssysteme zum Nachrüsten dürfte in Deutschland bald abgegrast sein. Wenig verheißungsvoll, sollte man meinen. Doch Perseus ist keine Heuschrecke, sondern investiert langfristig in Unternehmen aus genau dieser Branche. Und so gehört auch eine der Mitbewerber TwinTecs, die schweizerische Baumot AG zur Perseus-Gruppe. Deren Chef Marcus Hausser übernahm Mitte 2012 den Vorstandsvorsitz bei TwinTec und machte erst einmal Tabularasa. Es folgte eine neue Internetseite und eine neue Kommunikationsstrategie, also bis dato nichts Handfestes, was auf einen Erfolg hindeuten würde. Doch inzwischen mehren sich die positiven Nachrichten, denn Ende 2012 übernahm TwinTec die Alleinvertretung für die Baumot in Deutschland und weitet so das eigene Produktportfolio deutlich aus. Und jüngst wurde eine Kooperation in China bekanntgegeben, eine Land, das unter giftigem Smog ächzt wie kein zweites - und enormen Bedarf an nachrüstbaren Abgasreinigungssystemen hat. Ein weiterer Schwerpunkt soll die Landwirtschaft sein, wo alte Traktoren Unmengen an schädlichen und oft noch weitgehend ungefilterten Abgasen in die Luft rauchen.
Ob sich die Entwicklungen auch in barer Münze auszahlen, wird man erst sehen können, wenn die Geschäftszahlen vorliegen. Aber Perseus unternimmt große Anstrengungen, TwinTec wieder auf Kurs zu bringen und die letzten Meldungen sind sehr verheißungsvoll. TwinTec hat wieder eine unternehmerische Perspektive und wird aktuell mit etwa 9 Mio. EUR bewertet. Also ein echter MicroCap, auch wenn das vor einigen Jahren bei Kursen um 25 EUR noch anders war. Zunächst wird sich TwinTec jedoch Anfang Februar auf der Small- und Mid-Cap-Conference von Close Brothers Seydler in Frankfurt präsentieren und damit dürfte auch der Fokus der (Börsen-)Öffentlichkeit wieder zunehmend auf den Wert gerichtet werden. Bei einem so marktengen und niedrig börsenkapitalisierten Unternehmen kann das zu deutlichen Kursschwankungen führen, wie zuletzt gesehen, als die Meldung zum China-Engagement rauskam und die Aktien an einem Tag um mehr als 40% in die Höhe schossen. Aktuell notieren sie noch unter 1 EUR, doch wenn der Turnaround Erfolg hat, sollten schnell deutlich höhere Kurse aufgerufen werden - und in einigen Jahren vielleicht auch wieder zweistellige Börsenkurse, wenn die Unternehmenszahlen entsprechend mitspielen.
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