Glattes Wachstum! Maschinen beschichten. Langweilig? Von wegen. Das Geschäft eines Weltmarktführers.
Lüneburg, Hauptstadt der gleichnamigen Heide. Neben pittoresken Klinkerbauten und den friedlich grasenden Heidschnucken ist die Welt noch in Ordnung. Im Osten der 100 000 Einwohner zählenden Stadt, gleich an der Landstraße Richtung Neeze, befindet sich ein kleines Unternehmen. Auf den ersten Blick erscheint das Stammwerk der Impreglon AG mit 50 Mitarbeitern nicht wie der Hauptsitz eines Global Players. Doch residiert hinter der unscheinbaren Fassade ein Weltmarktführer. Für MARS und Kellog´s. Der Beginn? 1983 spaltete sich die Beschichtungssparte vom Maschinenbauer Meltex ab und produzierte im gleichen Werk weiter. Fortan wurden dort Bauteile von Maschinen für Industriekunden beschichtet, wie sie zum Beispiel in den Produktionsstrecken von Kellog´s oder Mars zum Einsatz kommen. Die Spezialbeschichtung stellt sicher, dass die produzierten Lebensmittel nicht mit den Maschinen verkleben.
Auch in anderen Branchen ist das Know-how der Lüneburger gefragt: Etwa 30 Prozent des Umsatzes macht Impreglon mit der Automobilindustrie. So wollte der Autobauer Opel seinen Corsa mit einem ausziehbaren Fahrradträger bestücken, der unter dem Fahrzeug versteckt ist. Dafür wurde eine Beschichtung gesucht, die den Ausziehmechanismus auf Jahre geschmeidig hält, zugleich aber Salz und Wasser sowie den Dauerbeschuss durch Steinschlag, standhalten kann.
"Wir waren die einzigen Dienstleister, die alle Eigenschaften bieten konnten", sagt Impreglon Chef und Großaktionär Henning Claassen. Der Unternehmer hatte sein Leben lang vor allem ein Ziel: "Ich will Marktführer in einer Nische sein, sei sich auch noch so klein."
Dabei kam ihm die starke Fragmentierung des Beschichtungsmarkts entgegen. Auf ihm tummeln sich viele kleine Anbieter, weil das Geschäft in der Regel im Umkreis von wenigen hundert Kilometern um die Werke der Kunden abgewickelt werden muss. "Logistik spielt in unserer Branche eine entscheidende Rolle", erklärt Claassen, "weil der Kunde seine Maschinenteile ausbauen, zu uns anliefern und nach dem Beschichten wieder abholen muss."
Mit wachsender Distanz übersteigen die Transportkosten den Aufwand für das Beschichten. Deshalb kommt meist der Anbieter vor Ort zum Zug. Mehr als 80 Prozent ihrer Umsätze macht die Branche mit Geschäftspartnern, deren Fertigungsstraßen weniger als 300 Kilometer entfernt liegen. Im Schnitt haben die Betriebe nur 30 Mitarbeiter und zwei bis drei Millionen EUR Umsatz. Wettbewerber aufkaufen. Diese Fragmentierung macht sich Vollblutunternehmer Claassen zu Nutze. Er akquiriert Zug um Zug die kleinen Betriebe samt Personal und stülpt sein Geschäftsmodell -ähnlich wie in einem Franchise-System- darüber. Das neu hinzugewonnene Werk wird mit dem nötigen Know-how und einem einheitlichen Reporting-System ausgestattet und so auf Konzernlinie gebracht. Ein weiterer Vorteil des Geschäftsmodells ist der an allen Standorten gleiche Qualitätsstandard. "Alle Werke haben Zugriff auf unsere Datenbank, die mehr als 5000 einzelne Beschichtungen umfasst", erklärt Claassen. "So können wir theoretisch an jedem Standort weltweit die gleiche Qualität bieten." Das ist für die Industriekunden entscheidend, die rund um den Globus produzieren. Impreglon kann gewährleisten, dass der Mars-Schokoriegel aus einem Werk in den USA genauso aussieht und schmeckt wie seine deutsche Ausgabe.
Netz rund um die Welt. Dort setzt das Geschäftsmodell an: Beschichtet Impreglon in einer Produktionsstätte in den USA die Fertigungsbänder eines Großkonzerns, winkt Claassen meist bereits ein Folgeauftrag für ein Werk in Deutschland oder Osteuropa. Durch das weltumspannende Firmennetz ist der Beschichtungsprofi immer in der Nähe des Kunden - als Einziger in seiner Branche. Das erspart den Auftraggebern Verwaltungs- und Logistikkosten. Bei Claassen bekommen sie alles aus einer Hand. Mittlerweile zählt Impreglon 18 Betriebe in 11 Ländern und kann auf diese Weise kurze Lieferwege und -zeiten garantieren. Zeit ist der zweite entscheidende Faktor: "Während in anderen Firmen Betriebsferien herrschen, ist bei uns Hochkonjunktur", sagt Claassen. Denn das ist der einzige Zeitpunkt, zu dem die Fließbänder in den großen Werken stillstehen und Zeit für Reparaturen oder eine neue Beschichtung bleibt. Außer für die Geschäftspartner aus der Automobilbranche und der Lebensmittelproduktion sind die Niedersachsen auch für die Maschinenbauer selbst tätig.
Unter anderem setzen Krauss-Maffei(Panzer)oder der Druckmaschinenhersteller Manroland auf Impreglon Produkte. Doch während der Maschinenbauer sein Produkt nur einmal verkauft, sieht Impreglon die Maschine bis zu fünfmal wieder - zum Beschichten.
Dennoch ging es nicht immer nur bergauf mit dem Marktführer aus der Provinz: Im Jahr 2008 erwischte die Rezession den Betrieb mit voller Wucht. Der Überschuss schmolz um 2,6 Mio auf 200 000 EUR zusammen. Im vergangenen Jahr musste Impreglon unter dem Strich sogar einen Verlust von 2,3 Mio EUR ausweisen. Ursachen waren der Konjunkturrückgang und die nachlassende Nachfrage der Automobilindustrie. Andere Kunden fuhren ihre Produktion ebenfalls zurück und geizten mit Aufträgen. Nachdem der Kurs nach dem Börsendebüt im Jahr 2006 stetig gestiegen war, brach er ein und bewegt sich seitdem nur noch seitwärts. Wende geschafft. Das soll sich nun ändern. "Ich möchte, dass sich die positive operative Entwicklung auch im Kurs widerspiegelt und das Handelsvolumen sichtbar wächst,"sagt Claassen.
Die Ausgangslage ist günstig: Durch Zukäufe - auch in Krisenjahren - wächst der Umsatz rasant. Die Halbjahreszahlen geben dem Unternehmer und seiner Expansionspolitik Recht: Die Erlöse stiegen in der ersten Jahreshälfte 2010 umd 54 Prozent auf 25,5 Mio EUR, nach 1,4 Mio EUR Verlust im Vorjahr schreibt Impreglon nun wieder schwarze Zahlen. "Das Wachstum und die Konsolidierungseffekte treiben den Umsatz", lobt Malte Schaumann, Analyst bei SES Research. Der Auftragseingang liegt 41 Prozemnt über dem Vorjahreswert. Die kurze Durchlaufzeit der Aufträge gebe große Planungssicherheit. Weil die Kunden meist unter Zeitdruck sind, müssten keine langfristigen Zahlungsziele vereinbart werden, so der Analyst. Für das Impreglon Papier sieht der SES Experte daher Kurse um 11,70 EUR als realistisch an. Energie sparen.Claassen treibt die Expansion weiter. Noch in diesem Jahr sollen zwei Werke in den USA akquiriert werden. Zudem haben die Lüneburger das Greenkote-Verfahren einlizenziert, das ab 2011 die umweltbelastende Feuerverzinkung ablösen soll. Das auf Zink und Aluminium basierende Verfahren ist nicht nur kostengünstiger, sondern weist auch einen längeren Schutz vor Korrosion durch Salzwasser auf. Bei der Feuerverzinkung wird das Werkstück dagegen in ein 450 Grad heißes Zinkbad getaucht, was die Methode zum Energiefresser macht. Solche Innovationen sichern das Wachstum für die Zukunft. Gut möglich, dass sich nun auch Börsianer den Opel Fahrradträger genauer ansehen. (Jens Jüttner)
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