Strategischer Einstieg bei SGL Carbon VW überrumpelt die Rivalen Nach dem Einstieg von Volkswagen beim Kohlefaserspezialisten SGL Carbon rätseln Investoren und Analysten über die Motive von Europas größtem Autokonzern: Was hat VW-Chef Winterkorn vor? Geht es um verschärfte Emissionsgesetze oder um die Entwicklung von Elektroautos? Und ist der Leichtbau das nächste große Ding der Autobranche? Der Grafithersteller SGL Carbon wird zum Spielball großer Autokonzerne: Mit dem Einstieg von Volkswagen will bereits der zweite Fahrzeughersteller das Know-how der Wiesbadener im Leichtbau anzapfen. Der Schritt von VW ist brisant, denn Rivale BMW arbeitet bereits eng mit SGL auf dem Gebiet der Carbonfaser-Werkstoffe zusammen. Großaktionärin des Münchener Autobauers ist Quandt-Erbin Susanne Klatten, die über ihre Beteiligungsgesellschaft Skion auch 22,25 Prozent an SGL hält. Klatten ging denn auch prompt auf Distanz zum Wolfsburger Konzern, der sich überraschend 8,18 Prozent an SGL gesichert hatte und damit zum zweitgrößten Anteilseigner nach Skion avancierte. "Wir sehen das seitens Skion mit Distanz und Wachsamkeit", sagte ein Skion-Sprecher. Klatten gibt im Aktionärskreis bei SGL bereits den Ton an. Die Milliardärin droht nun damit, eine Sperrminorität aufzubauen. "Wenn eine Sperrminorität erforderlich sein sollte, könnten wir das in kürze bewerkstelligen", sagte der Sprecher. Mit einem Anteil von 25 Prozent plus einer Aktie hätte Skion dann im Aufsichtsrat bei allen wichtigen strategischen Entscheidungen das letzte Wort. SGL gehört zu den führenden Firmen bei den Verbundwerkstoffen aus Carbonfasern. Diese Materialien erlauben den Bau besonders leichter Autos und gelten daher als Schlüsseltechnologie zum Spritsparen. Das Material ist reißfest, robust und leicht und kann in vielen Bereichen Metalle ersetzen. Carbon ist 30 Prozent leichter als Aluminium und 50 Prozent leichter als Stahl. Bisher war Carbon für den Serieneinsatz in Autos noch viel zu teuer, aber mit steigenden Stahlpreisen wird es für die Branche immer interessanter. Der Automobilverband VDA warnte zuletzt vor anziehenden Stahlpreisen. "Schon die Kommunikation von VW hat klar darauf hingewiesen, dass mit der Beteiligung an SGL Carbon deren Expertise eingekauft wird", sagte ein Analyst. Nachdem das Paket zunächst als "Finanzbeteiligung" durch VW kommuniziert worden sei, was niemand glaube, sei der Schritt später als "strategisch" eingestuft worden, sagte er. "Mit der Beteiligung hat VW einen Fuß in der Tür, sollten Kohlenstofffasern der Baustoff für die Generation der Elektroautos werden" sagte ein anderer Analyst. SGL sei der einzige Hersteller von Kohlenstoff-Fasern für den Fahrzeugbau in Europa. Weltweit gebe es nur rund acht Hersteller. "BMW ist ein angenehmer Wettbewerber"Leichtbau sei die Zukunft, hatte VW-Chef Martin Winterkorn im Vorfeld des Genfer Automobilsalon betont. Die Beteiligung an einem der Marktführer für Karbonfasern sei eine "strategische Entscheidung". "Der Volkswagen-Konzern treibt das Thema Leichtbau seit langem mit großem Engagement voran. Denn das ist ein wichtiger Schlüssel zur Reduzierung von Verbrauch und Emissionen", so Winterkorn. "Auch mit unserer Beteiligung an SGL Carbon wird Volkswagen an der Geschäftsentwicklung auf diesem Zukunftsmarkt partizipieren". In Wolfsburg hatte man den Einsatz von Kohlenstofffasern für den Massenmarkt bisher für zu teuer gehalten. Bei BMW zeigte man sich überrascht von der Volte des Rivalen aus Wolfsburg. BMW-Chef Norbert Reithofer sagte auf dem Genfer Autosalon: "VW hat uns nicht unterrichtet". Am Vorabend hatte sich das bei VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech anders angehört, als er zu Journalisten sagte: "Wir haben vorher gefragt, ob es jemanden stört" und hinzufügte: "BMW ist ein angenehmer Wettbewerber". SGL und BMW betreiben seit 2009 ein Joint Venture für Carbonfasern. Geplant ist unter anderem ein gemeinsames Werk für Carbonfasern in Moses Lake im US-Bundesstaat Washington. Das Joint Venture soll dann exklusiv für den Münchener Autobauer produzieren. Das dort gefertigte Material soll in dem für 2013 geplanten elektrischen Großstadtgefährt "BMW i3" zum Einsatz kommen. Zudem steckte BMW zuletzt Millionen in die Werke in Landshut und Wackersdorf, wo künftig Kohlefaserplatten hergestellt werden, die dann zu Karosserieteilen für die Elektroautos weiterverarbeitet werden. Audi webt mit VoithEin VW-Sprecher erklärte, die strategische Beteiligung an SGL solle nicht auf über 10 Prozent steigen. Erst kürzlich hatte die VW-Tochter Audi eine Entwicklungspartnerschaft mit dem Mischkonzern Voith für carbonfaserverstärkte Werkstoffe angekündigt. Hier schließt sich der Kreis: Das schwäbische Unternehmen ist ebenfalls SGL-Aktionär und hielt zuletzt 5,12 Prozent. Volkswagen setzt Carbonfaser-Materialien unter anderem beim Audi R8 und dem Audi RS3 ein. Unlängst hatte der Konzern in Katar ein Ein-Liter-Auto mit Hybridantrieb vorgestellt, dessen Karosserie aus carbonfaserverstärktem Kunststoff besteht. Bei SGL selbst betrachtet man den Einstieg von VW bislang als finanzielle Beteiligung, wie ein Sprecher in Wiesbaden bestätigte. "Wir haben keine Kooperation mit VW bekannt gegeben, VW ist bei uns eingestiegen", sagte er. SGL begrüße das Engagement des mit knapp 8,2 Prozent nun zweitgrößten Aktionärs, da der Konzern mit stabilen Ankerinvestoren die eigene Unabhängigkeit gewahrt sehe. Neben Volkswagen hält SKion, die Beteiligungsgesellschaft von BMW-Großaktionärin Susanne Klatten, gut 22 Prozent. Der schwäbische Maschinenbauer Voith ist mit gut 5 Prozent an SGL beteiligt. Die VW-Tochter Audi hatte erst Mitte Februar eine Entwicklungspartnerschaft mit Voith zum Einsatz von kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) für Autos besiegelt. In Neckarsulm betreiben die Ingolstädter ein eigenes Leichtbauzentrum. Konkurrent Daimler gründete vor wenigen Wochen ein Karbonfaser-Joint-Venture mit dem japanischen Entwicklungspartner Toray Industries. Sicher, leicht und teuer: Wundermaterial CarbonSGL und Volkswagen kennen sich bereits länger: Mit der VW-Sportwagentochter Audi und der bald zehnten VW-Marke Porsche arbeitet SGL seit Jahren etwa bei Karbon-Keramik-Bremsscheiben zusammen. Am Aktienmarkt sorgte der VW-Einstieg bei SGL für Aufsehen: "Es ist völlig unüblich, dass sich zwei Hersteller an einem Zulieferer beteiligen", sagte ein Aktienhändler. SGL-Anleger fürchteten am Dienstag offenbar keinen Aktionärskrieg um SGL. Sie sahen vor allem verbesserte Aussichten für das Geschäft der Wiesbadener. Die SGL-Aktie schnellte zeitweise mehr als 7 Prozent in die Höhe und war damit größter MDax-Gewinner. Die Aktie war bereits am Vortag im Zuge der Nachricht mit mehr als 6 Prozent aus dem Handel gegangen. SGL-Chef Robert Koehler traut dem Carbonfasergeschäft ein kräftiges Wachstum zu. Im September hatte er für das Geschäft ein Umsatzpotenzial von 3 Mrd. Euro in den nächsten zehn Jahren genannt. 2009 hatte SGL in dem Geschäft lediglich 208 Mio. Euro umgesetzt. Quelle: DJ/rts Adresse: http://www.n-tv.de/wirtschaft/...pelt-die-Rivalen-article2734511.html
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