Der deutsche Einzelhandel rollt für König Kunde den roten Teppich aus: Mit Frühaufsteherrabatten, Bonuspunkten und Gutscheinen versuchen Unternehmen, die Kauflust der Bundesbürger zu wecken. Bislang aber mit keinem spürbarem Erfolg. Nach Angaben des Hauptverbandes Deutscher Einzelhandel (HDE) erlebt die Branche 2002 das schlechteste Jahr der Nachkriegsgeschichte.
Seit Dezember 2001 verzeichnete die Branche zum achten Mal in Folge weniger Umsatz als im gleichen Monat des Vorjahres. «Dies hat es noch nie gegeben», betont HDE-Präsident Hermann Franzen. In der deutschen Einzelhandelsbranche werden in diesem Jahr insgesamt etwa 25 000 Geschäftsaufgaben und Pleiten erwartet. Mehr als 30 000 Arbeitsplätze werden gestrichen.
«Die Verbraucher zeigten sich beim Einkauf so zurückhaltend wie noch nie», schildert der Verbandschef. Die Angst vor Arbeitslosigkeit und Aktienverluste würden vielen Deutschen den Spaß auf schöne Dinge im Leben vermiesen. Wenn gekauft wird, sei der Preis derzeit meist das entscheidende Kriterium.
Nach Einschätzung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) haben die Discounter mit ihren Niedrigpreisen im ersten Halbjahr 2002 um 7,4 Prozent zugelegt, während der gesamte Lebensmittel-Einzelhandel einen deutlichen Umsatzrückgang von 4,6 Prozent verzeichnete. Der Zulauf bei Aldi & Co schmerzt aber nicht nur die Supermärkte. Aldi gehört zu den zehn größten Textilhändlern Deutschlands und verkauft auch Elektronik und Heimwerkerbedarf. Der Facheinzelhandel ist einer der größten Verlierer der Konsumflaute.
Mit der Rekordpleitewelle im Handel von schätzungsweise mehr als 8000 Insolvenzen in diesem Jahr geht auch Vielfalt verloren. Die großen Unternehmen gewinnen im schrumpfenden Markt weiter Anteile. «Im deutschen Einzelhandel erzielen die größten 30 Unternehmen 98 Prozent des Umsatzes», erläutert Handelsexperte Herbert Kuhn von der Frankfurter Unternehmensberatung M+M Eurodata.
Anders als viele Fachhändler haben die großen Anbieter Reserven für die Durststrecke. Aber auch an den marktführenden Unternehmen geht der Käuferstreik nicht spurlos vorbei. Der Handelskonzern METRO verbuchte im ersten Halbjahr 2002 in Deutschland einen Gewinneinbruch um 80 Prozent und der Konkurrent KarstadtQuelle rutschte tiefer in die roten Zahlen.
Bereits Wochen vor dem alljährlichen Sommerschlussverkauf griffen zahlreiche Unternehmen bei den Preisen zum Rotstift, um Geld in die Kassen zu bekommen. Branchenkenner befürchten aber bereits, dass Rabatte und Sonderangebote immer mehr Bundesbürger zu reinen Schnäppchenjägern nach dem Motto machen: Irgendwann gibt es jeden Artikel reduziert.
Daneben machen sich Kommunalpolitiker zunehmend Sorgen um Geschäfte in Kleinstädten. Wenn sich große Ketten zurückziehen, verlieren auch andere Läden an Attraktivität. Dagegen entstehen neue Einkaufscenter auf der grünen Wiese. Hermann Franzen, der für die Kunden seines Porzellanladens auf der Düsseldorfer «Kö» persönlich einen roten Teppich ausrollt, setzt auf Service und exklusive Warenangebote.
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