"TeamViewer Spekulieren auf Gegenbewegung, nachkaufen
Mi, 27. Oktober um 17:10 Uhr Ich habe Ihnen angekündigt, mich nochmals intensiv mit TeamViewer zu beschäftigen. Dies habe ich nun getan.
AnyDesk wurde von zwei unzufriedenen TeamViewer-Mitarbeitern gegründet mit der Absicht, es besser zu machen. Ich habe die Software getestet und konnte sehr schnell feststellen, dass dieses Vorhaben gelungen ist. Die Bedienung ist wesentlich intuitiver und funktioniert zuverlässiger als TeamViewer.
Damit ergibt sich nun ein sehr vielschichtiges Bild zu TeamViewer: Die Software ist nur mittelmäßig und kann offensichtlich leicht nachgebaut werden. Das Management ist größenwahnsinnig, der CFO hat, nachdem er dicke Boni in Form von Aktienoptionen kassiert hat, das Schiff verlassen. Der CEO schmeißt das Geld mit vollen Händen zum Fenster ... nein, in die Formel 1 (Mercedes) und in den Fußball (Manchester United).
Auf der anderen Seite verfügt TeamViewer über eine große Verbreitung: Die Software ist auf 2 Mrd. Endgeräten installiert. Kostenpflichtig abonniert haben hingegen nur 584.000 Nutzer die Software (Stand Ende 2020). Das entspricht einer Konversionsrate von nur 0,03%. Beim Heibel-Ticker Standard (kostenfrei) zu Plus (Abo) beträgt die Konversionsrate 9,5%.
Die Churn-Rate bei TeamViewer beträgt 14,6% (Heibel-Ticker 5,4%). Werte unter 10% gelten als sehr gut. Auch hier zeigt sich bei TeamViewer, dass eher auf quantitatives Wachstum gesetzt wurde als auf qualitatives. IT-Unternehmen weltweit verlassen sich darauf, ihre Kunden über den TeamViewer-Fernzugriff zu unterstützen, ohne vor Ort zu sein. Wer einmal mit TeamViewer arbeitet, wird nur sehr ungern auf eine andere Software umsteigen. Vor diesem Hintergrund ist die Churn-Rate von 14,6% bedenklich hoch.
Die Aktie ist nun von 50 Euro im Frühjahr auf 13 Euro eingebrochen. Ein erwarteter Jahresumsatz von 576 Mio. Euro im Jahr 2022 (15% Wachstum) wird mit einer Marktkapitalisierung von 2,62 Mrd. Euro bewertet, das KUV 22e steht also bei 4,5. Bei einem Marktführer mit Wachstumsraten um 20% halte ich ein KUV von 2 für angemessen, TeamViewer ist aus dieser Perspektive also auch jetzt noch sehr teuer. Allerdings ist das Unternehmen sehr lukrativ, die Gewinnmarge (EBIT) liegt bei knapp 50% und führt zu einem KGV 22e von nur 19. So betrachtet ist die Aktie billig.
Am 3. November wird CEO Oliver Steil im Rahmen eines Kapitalmarkttages eine neue Strategie ausgeben. Vor wenigen Tagen wurde bereits TeamViewer für AR - Augmented Reality veröffentlicht. Dort sieht Steil augenscheinlich die Zukunft seines Unternehmens. Man kann dort in das life-Bild der Videokamera am Handy direkt Pfeile, Emojis und Ähnliches einfügen. Das Koppeln mit anderen Endgeräten funktioniert nicht, daher erschließt sich mir der tiefere Sinn dieser App nicht.
Gründer und CEO Oliver Steil hat sich meinem Eindruck nach verrannt. Weder gelingt es ihm, die große Reichweite für ordentliches Kundenwachstum zu nutzen, noch entwickelt er die Plattform intelligent weiter. Mit den hohen Sponsoring-Verträgen soll nun noch ein wenig der Umsatz angeschoben werden. Aber wirklich nachhaltig ist das nicht. Ich bin daher sehr gespannt, was wir am 2. November hören werden.
Doch bei all diesen negativen Punkten dürfen wir eines nicht übersehen: TeamViewer hat ein funktionierendes Geschäft, verdient Geld und verfügt über eine gigantische Reichweite. Insbesondere die Reichweite hat ihren Wert, der allerdings erst noch gehoben werden muss ... notfalls von einem anderen CEO.
Vor diesem Hintergrund sehe ich die Vorstellung am 3. November als essentiell für TeamViewer und insbesondere für CEO Oliver Steil. Kann er seine Aktionäre davon überzeugen, dass er weiterhin der richtige Mann ist, um die große Reichweite zu Geld zu machen? Dann dürfte die Aktie danach steigen. Oder schafft er es nicht? Dann dürfte er sich nicht mehr lange im Chefsessel halten können, denn institutionelle Anleger halten über 30% der Aktien und knapp 60% befinden sich im Streubesitz. Steil selbst kann ohne überzeugende Argumente keine Mehrheit hinter sich bringen.
Wie vor einigen Tagen gesagt: TeamViewer ist NICHT die neue Wirecard. Im Gegenteil, das Produkt von TeamViewer ist gefragt und die Kundschaft ist verhältnismäßig treu - bzw. dürfte wieder treuer werden, wenn das Unternehmen sich stärker um sein Kernprodukt kümmert. Ich denke, Anleger brauchen Klarheit über die Zukunft: Wie soll die große Verbreitung des kostenfreien Produktes zu Geld gemacht werden? Am 2. November werden wir mehr wissen, danach dürfte die Aktie eine Gegenbewegung starten.
Da wir zu früh in das fallende Messer gegriffen haben, würde ich versuchen, mit Hilfe der von mir erwarteten Gegenbewegung unseren Verlust zu schmälern. Ich würde daher heute TeamViewer nachkaufen, um den durchschnittlichen Kaufpreis zu verbilligen. "Gutes Geld dem schlechten hinterher werfen", werden nun einige von Ihnen sagen. Nein, das denke ich nicht: Eine Pleitegefahr sehe ich nicht und die Bewertung ist aktuell günstig (KGV-Betrachtung).
Nach 28% Kursverlust seit unserem Kauf würde ich nun die auf 1,7% Portfolioanteil geschrumpfte Spekulation wieder auf 2,5% Anteil aufstocken. Wie gesagt: Es ist eine Spekulation, bei der wir eben manchmal so heftige Schwankungen aushalten müssen, leider. Ich rechne damit, dass sich die Aktie bis zum 2. November und in den Tagen danach ein wenig erholt. Je nach Verlauf des Kapitalmarkttages am 2. November werde ich danach entscheiden, ob wir dann aussteigen, oder weiter dabei bleiben.
Natürlich kann meine Spekulation auch weiter fallen. Ich würde die Position bei 11 Euro mit einem Stop Loss absichern, damit das Leid im schlimmsten Fall zumindest ein definiertes Ende hat".
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