Vor einem der Hochhäuser am Alexanderplatz sind die Rechten aufmarschiert. Ein böiger Wind kommt auf, lässt die vielen Reichs- und NPD-Fahnen in der Menge flattern, reißt aber auch Musik- und Satzfetzen von den Lautsprechern fort und wirbelt sie davon. Die Lautsprecher sind auf einem zur Bühne umfunktionierten Lkw montiert. Hinter dem Rednerpult auf der Pritsche des Wagens hängt ein Transparent mit der Losung des Tages. "Überholen ohne einzuholen - Nationalismus voran" heißt der etwas rätselhafte Slogan, der von der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" kreiert worden ist. Vor dem NPD-Laster drängeln sich auf einem von Polizeigittern eingezäunten, etwa vierzig Meter breiten Platz am Fernsehturm die Rechten. Ein Gehege sei dies, schimpft der Versammlungsleiter von der NPD.
Der Aufmarsch der Rechten am Alexanderplatz, das zeigt sich jetzt schon, ist kein Erfolg für die NPD. Es sind etwa dreitausend Demonstranten gekommen. Die NPD selbst hatte mit doppelt so vielen Leuten gerechnet. So wie in Dresden am 13. Februar, als vier- bis fünftausend Rechte durch die Elbestadt marschierten, am sechzigsten Jahrestag der alliierten Bombenangriffe.
Dieser Sonntag in Berlin ist aber anders. Wie auch das Publikum, das dem Demonstrationsaufruf der "Jungen Nationaldemokraten" gefolgt ist. Marschierten in Dresden Menschen aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten unter NPD-Fahnen über die Elbbrücken, haben sich in Berlin vor allem junge Leute aus der Neonazi-Szene versammelt. Sie tragen T-Shirts mit Aufschriften wie "Odins Volk", "Jagdgeschwader Württemberg" und "Thor Steinar", schwenken schwarze Fahnen und die Reichsflagge.
Einige tragen große Pflaster auf ihren Glatzen, um Hakenkreuz- und Runentätowierungen zu verdecken. Denn die Polizeikontrollen sind massiv. Schon auf dem Alexanderplatz werden Jugendliche, die sich dem Bahnhof nähern, kontrolliert. Zwischen Bahnhof und Fernsehturm sind zwei große Zelte aufgebaut, die die Kundgebungsteilnehmer einzeln durchqueren müssen. Die Beamten tasten die Leute ab, kontrollieren ihre Kleidung, die mitgebrachten Fahnen und Transparente. Am Alexanderplatz wacht die Polizei über das Bild dieses Landes.
Am Alexanderplatz spricht jetzt der Bundesvorsitzende der "Jungen Nationaldemokraten", Stefan Rochow. Die deutsche Nation liege seit dem 8. Mai 1945 geknebelt am Boden, ruft er ins Mikrofon, und fügt hinzu: "Unser Gedenken muss heute Angriff heißen."
Den - rhetorischen - Angriff fährt wenig später Holger Apfel. Der Vizechef der rechtsextremen Partei und Fraktionschef im Dresdner Landtag schwadroniert von den "Volksverrätern im Bundestag" und der "nationalen Lumpenhaftigkeit" des Bundeskanzlers, der an der Siegesfeier in Moskau teilnehmen wird, "dort, wo die Fahne der Wehrmacht, das Banner der Freiheit in den Staub getreten wurde". Dann sagt Apfel: "Stolz sind wir auf unsere Väter und Großväter, die in den Abwehrkriegen gegen den Bolschewismus ihr Leben ließen."
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