Ich kann mich sehr gut an die Punkte von Zatarra und deren Belege erinnern: Sie stützten damals deine (mir erst durch Fernsehdokumentationen später zugegangene) Meinung, dass es sich bei Wirecard um einen Konzern handelte, bei dem vieles nicht mit rechten Dingen zuging.
Hast Du Zatarra denn gelesen? Noch heute höre ich immer Kommentare zu "dem Zatarrabericht" - es waren aber 9 Berichte. Ich habe sie alle gelesen und auch nachrecherchiert.
Meine Reaktion auf Zatarra war übrigens wie folgt:
a) Die Schlußfolgerungen, die in dem Bericht von Zatarra Research and Investigations aufgrund von durchaus richtigen und überwiegend positiv belegbaren* [edit, 28.02./19:25: wenn man genauer schaut, zeigen sich doch mehr handwerkliche Recherchefehler, als ich auf den ersten, zweiten und dritten Blick erkennen konnte, von "kompletter Schwachsinn" als Bewertung würde ich mich jedoch weiterhin distanzieren] Rechercheergebnissen gezogen werden, überstrapazieren die Aussagekraft der Rechercheergebnisse, werfen aber hinreichend Fragen auf, die eine vertiefte Analyse dringend erforderlich erscheinen lassen - und zwar im Interesse der Wirecard AG selbst, aber insbesondere auch im Interesse der Aktionäre und nicht zuletzt im Interesse der Öffentlichkeit sowie durchaus auch im Interesse der Justiz und der Aufsichtsbehörden, in erster Linie der amerikanischen und israelischen, aber auch der deutschen (BaFin!). (boah, was für ein Satz!!!)
b) Die Informationen im Bericht der Zatarra Research and Investigations sollten für investigative Beobachter der Szene von großem Interesse sein und zwar weit über das hinaus, was Zatarra Research and Investigations selbst zum Thema macht: nämlich weit über die Wirecard AG hinaus. Denn aus den zahlreichen Belegen und Hinweisen ergeben sich noch einige weitere Erkenntnisse über Verwicklungen von deutschen und ausländischen Personen, die auch in Deutschland tätig sind oder waren, in verschiedene zumindest fragwürdige Aktivitäten im Bereich Onlinespiele und anderes.
c) Die Behauptungen im Bericht der Zatarra Research and Investigations sind überwiegend mit Belegen versehen und diese Belege sind öffentlich zugänglich. Wenn nun so getan wird, als seien die Informationen allein deshalb schon falsch und unseriös, weil sie anonym gestreut wurden, ist das eine Schutzbehauptung derer, die sich dadurch möglicherweise vor einer genaueren Analyse der Informationen schützen wollen und es ist eine fragwürdige Position seitens der Wirtschaftsjournalisten, die möglicherweise zu faul oder zu stolz sind, Informationen zu prüfen, die ihnen nicht auf dem Silbertablett und mit einem Gläschen Champagner präsentiert wurden, sondern eben aus dem Graubereich der Anonymität. Die Beurteilung der Aussagekraft einer Information sollte unabhängig davon sein, ob sie in einem glänzenden Aktienprospekt steht oder auf die Wand der Bahnhofstoilette gekritzelt wurde. Dies ist eine Grundvoraussetzung für guten Journalismus. Schöne Grüße an die Glitzerwelt deutscher Aktionärsmagazine!
d) Wenn man den Bericht der Zatarra Research and Investigations aufmerksam liest, ergibt sich ein erschreckendes Bild hinsichtlich der Seriosität der Kreditkarte als Zahlungsmittel insgesamt. Offenbar wird hier im großen Stil getäuscht und getrickst und es ist ein erschreckender Mangel an (institutioneller!) Kontrolle zu erkennen angesichts höchst krimineller und international organisierter Strukturen im Bereich der Kreditkartenzahlungen. Das bezieht sich eben nicht nur auf den Themenbereich "illegaler Transfer von Geldern aus high risk Geschäftsfeldern" (Onlinegambling, Pornographie, Pharmazie), sondern auch auf Verbraucher betreffende Probleme (wie diverse international gestreute Beschwerden von Verbrauchern andeuten, bei denen man erstaunlich häufig Berührungspunkte zu dem Bericht der Zatarra Research and Investigations findet). Dabei ist die Situation in Deutschland offenbar noch viel schlimmer als anderswo - wie anders ist es zu erklären, dass man über fragwürdige Aktivitäten deutscher Handelnder eher aus amerikanischen Justizdokumenten erfährt als von deutschen Behörden?
e) Was für dieses Forum als Fazit gelten kann ist: Nichts ändert sich! Nicht nur die Pressesprecherin bei der Wirecard AG ist noch dieselbe wie früher, sondern auch die Namen, die man in dem Bericht liest, gehören durchaus zu dem "Pool" an Namen, die wir schon seit Jahren aus verschiedenen Themenfeldern kennen. Daher steht diese Angelegenheit hier zwar in der Plauderecke, aber sie steht in genau dem richtigen Thread. Deutlicher werde ich da jetzt aber nicht, nur so viel: Wer sich noch an das Thema "Teilnehmerlisten diverser Veranstaltungen" erinnert, das ich hier schon Ende 2003 (!) eingebracht habe: ich finde es durchaus bemerkenswert, dass ich mehrfach Namen aus der Analyse der Zatarra Reseach and Investigations genau in diesen "einschlägigen" Listen gefunden habe. Die Welt ist klein... [Sogar im Startbeitrag selbst werden Personen erwähnt, die man mit Informationen aus dem Zatarrabericht in Verbindung bringen kann. Ich habe diesen Thread aber rein zufällig ausgewählt und wenn sich daraus dann so etwas ergibt, zeigt das, dass es eben nicht zufällig IST. Hinweis für mich, wenn ich diese Kryptik einmal selbst nicht mehr verstehe: hier]
f) Zu den Verfassern dieser Studie kann ich leider nichts sagen, obwohl ich mich sehr angestrengt habe. Man müsste die Sprache analysieren (Gebrauch von "whilst" statt "while" deutet eher auf britisches Englisch hin. Gibt es weitere Hinweise?) und die Art und Weise der Aufarbeitung der Information kommt mir auch bekannt vor, weil es so aussieht, als hätte ich es gemacht (Hervorhebungen durch Unterstreichen mit irfan view und so). Man könnte Vermutungen anstellen über die Verfasser oder Auftraggeber, wenn man z.B. schauen würde, wer oder was NICHT erwähnt wird. Dazu müsste man aber alle Hintergründe kennen, was unmöglich erscheint.
*: ohne den Bericht der Zatarra Research and Investigations zu zitieren, kann ich natürlich auch nicht schreiben, an welcher Stelle sich meines Erachtens Fehler finden lassen. In einem Fall werden z.B. zwei fast gleich klingende Firmen verwechselt, was zu einer völlig falschen Bewertung führt. An anderer Stelle werden Schlüsse gezogen, die auf den ersten Blick plausibel wirken, die aber schlicht falsch sind.
27.02.2016
Damals hielt ich Aktien und überlegte sehr genau, sie wegen der Zatarra-Behauptungen zu verkaufen. ich verkaufte nicht, weil alle Behauptungen zwar -genauso wie deine- das Bild eines unzuverlässigen Unternehmens zeichneten, aber keiner dieser Vorwürfe so schwerwiegend war, dass er das Unternehmen in seiner Existenz gefährdet hätte.
Ich bin nie davon ausgegangen, dass Wirecard insolvent gehen müsste, wenn alle Vorwürfe aufgearbeitet würden. Ich weise auch darauf hin, dass ich hier Zatarra erwähne, weil im Zatarra-Bericht hallose Hinweise auf Fragwürdigkeiten in Asien enthalten waren, auch was Geschäfte dort angeht und Personen. Das wurde dann 2019 völlig ignoriert und es wurde nach dem Zusammenbruch völlig ignoriert.
Erst heute hat ein Geschädigtenanwalt Pav Gill erwähnt und gefragt, wieso EY trotz seiner Informationen hinsichtlich geldwäsche usw. 2018 nicht reagiert hat. Dieselbe Frage muss man sich stellen in Bezug auf Zatarra. In einem Folgebericht im Dezember 2016 wurden Details zur Verbindung zu einer Bank erwähnt, die mit Terrorfinanzierung in Verbindung stand. Das hätte ebenfalls zu Ermittlungen führen müssen, auch in Deutschland.
Ich war nach der Veröffentlichung des ersten Zatarraberichts sicher: Jetzt wird Wirecard überprüft werden. Das passierte nicht. Woher Du die Sicherheit genommen hast, dass es nicht passieren würde, kann ich nicht nachvollziehen. Hätte man Zatarra auch nur annähernd überprüft, wäre aufgefallen, dass alles stimmt, was da drinstand. Und das waren eben erstens nicht nur Dinge aus der Vergangenheit und zweitens nicht nur Dinge, die Wirecard betroffen haben. Denn wenn da Firmen genannt wurden, denen man keine Beziehung zur Wirecard nachweisen konnte, waren es doch Firmen, denen Straftaten vorgeworfen wurden - warum hat die StA dann da AUCH nicht ermittelt?
Zatarra hat Rechercheergebnisse in ihrem Sinne überinterpretiert, das ist das Geschäft von Leerverkäufern. Aber selbst wenn man dies manipulativ nennen wollte, hätte man die Ergebnisse dennoch analysieren müssen. Das passierte nie und DESHALB hatte Zatarra keine Wirkung. An der Recherche lag es nicht, die war erstklassig.
Erst mit der Information, dass die 1,9 Mrd. fehlten, verkaufte ich. Weil in dem Moment klar war, dass das Unternehmen verloren ist.
Warum tust Du dann jetzt so, als wäre all das, was vorher bekannt war, Beweis dafür, dass die Anklage von Stadelheim stimmt? Denn offenbar bist Du ja auch davon ausgegangen, dass bis dahin alles in Ordnung war.
Von daher teile ich die Meinung, dass "die Belege von Zatarra nicht überzeugend waren". Einfach, weil das die Wahrheit für viele Anleger war. Wer soll also gelogen haben? Den einen hat das überzeugt, den anderen nicht. Das war individuell.
Noch einmal: Dass Zatarra keine Wirkung hatte, lag daran, dass keiner ermittelt hat, nicht daran, dass die Berichte nicht das Potential gehabt hätten, Wirecard in Schwierigkeiten zu bringen. Wenn man bedenkt, dass nach Zatarra der Kurs auf 28? fiel - da hätten ordentliche Ermittlungen den späteren Schaden erheblich minimieren können. Wenn ich Dich richtig verstehe, warst Du also schon vor 2016 investiert? Dann gehörst Du ja eh zu einer Gruppe von Investoren, die die Allgemeinheit gar nicht im Blick hat. Womöglich hast Du dann ja sogar mit Gewinn verkauft oder mit Verlusten, die im Rahmen üblicher Investments liegen.
2. Du schreibst sinngemäss, dass die Zeitungen lügen/die Wahrheit manipulieren und dass du dafür 100e Belege hast. Ich glaube das nicht. Meine Wahrnehmung ist eher die, dass du deine eigene private Meinung zu sehr vielen Details hast und diese 100%ig in den Zeitungen wiederfinden willst.
Beispiele:
- Die Aussage von James Freis war Thema mehrerer Zeitungsartikel in Deutschland. Alle ließen entscheidende Aussagen weg. Martin war dort und schrieb einige der Knalleraussagen auf. In einer niederländischen zeitung standen einige mehr, sogar welche, die Martin Dorsch nicht hatte. Eine spätere Erklärung der Braunverteidigung ging noch einmal auf die Aussagen ein, auch dazu wurde in den medien nichts berichtet. Wewr deutsche Medien liest, hat bis heute nichts von der Freis-Aussage gehört.
- Das lächerliche Theater um von Erffa wurde monatelang in den Medien breitgetreten, von dem angeblichen Gutachten, das seine Schuldfähigkeit untersuchen sollte (das stimmte nicht) bis hin zu der Geschichte um ein angebliches "Geständnis", das zu erwarten sei (das stimmte nicht) und dann natürlich seine Aussage selbst, von der kaum etwas berichtet wurde. Die Kernaussagen von von Erffa wurden nicht in den Medien dargestellt. Dadurch ist es der Öffentlichkeit nicht möglich, diese Aussagen einzuordnen.
- Die Auseinandersetzung mit der Inhaltlichen Braunverteidigung findet nicht statt, es wird immer nur davon berichtet, dass Brauns Verteidigung davon ausgeht, dass eine Bande Wirecard betrogen hat und dann gebetsmühlenartig wiederholt, dass weder die StA noch Jaffé Hinweise gefunden haben - obwohl deren Fehlermittlungen zentraler Vorwurf der Braunverteidigung (und von Erffas) sind. Das ist eine unzulässige Verzerrung - wie sie wirkt, merkt man hier ja dauernd...
- Zahllose Zeugenbefragungen bestätigten wichtige Aussagen der Braunverteidigung, in den Berichten darüber wird es aber so dargestellt, als haben die Aussagen die Anklage bestätigt. Das ist eine Verzerrung. Sie entsteht, weil die anwesenden Journalisten nur auf Dinge warten, die Braun belasten. Das war bei von Erffa überdeutlich: Da wurde im Vorfeld gesagt, dass seine Aussage total wichtig sei für die Aufklärung - dann aber wurden alle (ausnahmslos alle!) Argumente weggelassen, die gegen die Anklage sprechen.
- zahllose Zeugen zeigten massive selektive Gedächtnislücken. In der Berichterstattung wurde darauf nicht eingegangen und man interretierte die Aussagen der Zeugen entsprechend dem, was sie eben gesagt haben. Dabei wäre es ein Einfaches gewesen, die Widersprüche klar herauszustellen (Eichelmann, KPMG, Tomiie, Herbst, Maurer, Softbank usw usf)
Es ist schwer, ein konkretes Beispiel rauszuziehen. Bei James Freis lässt es sich am besten zeigen, aber es sind wirklich viele Beispiele. Erklärungen der Verteidigung werden regelmäßig ignoriert, weil die Journalisten ihre Artikel schon abschickten, bevor der Tag in Stadelheim beendet war - und dann steht da eben nichts zu den Erklärungen drin. Das war auch bei James Bergman wieder so oder anz schlimm beim Zeugen Säuberlich von Andersch:
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/...ld-war-enorm-110052280.html
schau hin:
17.10.2024, 13:25
ich hab das gelesen und sofort meine Quellen in Stadelheim gefragt, ob das unwidersprochen geblieben ist - und habe erfahren, dass die Verhandlung noch läuft und es heftigen Streit gegeben hat über die Aussagen. Nichts davon hat dpa berichtet, weil man eben mittags schon der Artikel abschickte. So muss man dann nicht einmal lügen - man verschweigt halt nur einiges.
Daher meine Bitte: Nenne doch bitte zwei der gravierendsten Beispiele, in denen (massgebliche) Zeitungen (bewusst) die Wahrheit manipuliert haben. Bin sehr gespannt, welche Beispiele du da hast.
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