Medizinerschwund
Ärzte fühlen sich krankenhausreif
Zu viel Arbeit, zu wenig Geld - in den Münchner Kliniken wächst der Unmut. Einer Umfrage zufolge denken besonders viele jüngere Mediziner daran, ihren Beruf aufzugeben. Von Sybille Steinkohl
Der weiße Kittel hat an Attraktivität verloren: Mehr als die Hälfte der Münchner Klinikärzte denkt inzwischen darüber nach, ihn gleich ganz an den Nagel zu hängen. Am meisten macht den Medizinern die starke Arbeitsbelastung zu schaffen. Die wachsende Unzufriedenheit mit ihrem Beruf, besonders im Krankenhaus, zeigt eine Befragung des ¸¸Ärztlichen Kreis- und Bezirksverbandes" (ÄKBV). 2450 Ärzte aus Münchner Kliniken haben sich beteiligt, fast 50 Prozent.
In den vergangenen Wochen sind immer wieder Proteste laut geworden, beim Deutschen Ärztetag in Berlin genauso wie bei ¸¸aktiven Mittagspausen" in München und anderen Städten (die SZ berichtete): Die Mediziner in den Krankenhäusern kämpfen für Verbesserungen. Derzeit würden sie mit Arbeit zugeschüttet und dabei zu schlecht bezahlt, lauten die wichtigsten Kritikpunkte. Diese Einschätzung bestätigen jetzt auch die Ergebnisse einer Umfrage des Münchner ÄKBV.
Neue Arbeitszeitregelung wird nicht umgesetzt
Assistent an einer Uniklinik, 38 Jahre alt, befristeter Vertrag, Stimmungslage schlecht - das ist, auf einen knappen Nenner gebracht, der ¸¸typische Teilnehmer" der anonymen Untersuchung. Die ungewöhnlich hohe Rücksendequote des vierseitigen Fragebogens ist für die Ärztin Susanne Bornschein, Delegierte des ÄKBV, ein Zeichen, wie sehr das Thema ihre Kollegen bewegt.
Bei 45 Prozent der Befragten würde noch nicht einmal das ¸¸alte" Arbeitszeitgesetz von 1994, nach dem vor allem gefragt wurde, eingehalten. Die Regelung schreibt etwa bestimmte Pausen und ein Dienstende nach maximal zwölf Stunden vor. Kein Wunder also, dass die neue, weitgehendere Bestimmung von 2004, nach der, wie es in der EU gilt, jeder Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu bewerten ist, an den Münchner Kliniken gar nicht umgesetzt wird.
46 Prozent schöben einen Berg von Überstunden vor sich her, der weder in Geld noch in Freizeit abgegolten werde, ergänzt Claudia Borelli, die ebenfalls Delegierte der Münchner Ärzte ist. Grundsätzlich müssten mehr Frauen als Männer unbezahlte Überstunden ableisten. Bei besseren Arbeitszeiten wäre ihr Beruf attraktiver - das finden immerhin die Hälfte der Ärztinnen gegenüber 39 Prozent ihrer männlichen Kollegen, die wiederum öfter finanzielle Einbußen durch die Realisierung des Arbeitszeitgesetzes befürchten.
Geschlechtsspezifische Unterschiede machen sich auch bei den Verträgen bemerkbar: Knapp 70 Prozent der Frauen haben ein befristetes Arbeitsverhältnis bekommen, während dies ¸¸nur" bei 58 Prozent der Männer der Fall ist. ¸¸Wer sich um eine Verlängerung sorgen muss, pocht nicht auf seine Rechte", schildert Susanne Bornschein den Druck, der vielerorts auf die Assistenzärzte ausgeübt und von den Betroffenen auch so empfunden wird.
Keine Wertschätzung von Vorgesetzten
¸¸Am erschreckendsten" freilich sei, dass gleich mehr als die Hälfte der Befragten am liebsten den Operationssälen und Krankenbetten den Rücken kehren möchten. Die Ärztinnen führen dabei besonders die starke Arbeitsbelastung ins Feld, bei den Männern überwiegen andere Gründe wie ein zu geringes Einkommen und eine unsichere berufliche Zukunft. ¸¸Trotz unbezahlter Überstunden wird die Tätigkeit von den Vorgesetzten auch nicht so geschätzt", erläutert Claudia Borelli den Frust, der sich vor allem unter den jüngeren Doktoren breit macht.
Die 30- bis 45-Jährigen jedenfalls wollen deutlich häufiger aus ihrem Beruf aussteigen als die älteren Kollegen. Um den wachsenden Unmut und den drohenden Mangel an Medizinern zu stoppen, müsste die Arbeitssituation an den Münchner Kliniken verbessert werden sagen Bornschein und Borelli: ¸¸Wenn man die Ergebnisse der Umfrage ansieht, ist das dringend nötig."
(SZ vom 06.06.2005)
Q: http://www.sueddeutsche.de/,mucm2/muenchen/artikel/369/54315/
Die einen gönnen sich immer mehr und die anderen müssen es Zahlen, wie immer!
Gr.
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