Ist schon älter aber interessant 04.10.2011 http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,788598,00.html Internes Strategiepapier EU schmiedet Eliteteam gegen Rohstoffkrise
Aus Straßburg berichtet Axel Bojanowski Seltene Erden: Rohstoff für Hochtechnologie Fotos REUTERS
Firmen gehen die Hightech-Metalle aus - jetzt reagiert Europa: Einem internen Papier zufolge baut die EU an einem Netzwerk, das die kostbaren Substanzen beschaffen soll. Hausmüll kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Info
Straßburg - Bei den wichtigsten Hightech-Metallen ist Europa abhängig von China: Das Land produziert 97 Prozent der weltweiten Menge an sogenannten Seltenen Erden, die für viele Hochtechnologie-Produkte wie Handys, Computer, Hybrid-Autos oder Windturbinen benötigt werden. Doch China hat seine Exporte eingeschränkt, der Preis für die Metalle hat sich in den letzten Monaten dramatisch erhöht.
Jetzt plant die Europäische Union nach Informationen von SPIEGEL ONLINE eine Gegenmaßnahme: Ein Netzwerk aus Forschungsinstituten, Firmen, Politikern und Nichtregierungsorganisationen aus Europa soll die drohende Rohstoffkrise abwenden. Derzeit berät der Haushaltsausschuss der EU über das Konzept, das der Berichterstatter für Rohstoffe im Europäischen Parlament, Reinhard Bütikofer, vorgelegt hat. "Es soll eine Rohstoff-Offensive einleiten", sagt der Grünen-Politiker.
Die 17 Metalle der Seltenen Erden sind geologisch nicht selten, allein die geringe Produktion sorgt für Knappheit. Die kostbaren Metalle - dazu gehören beispielsweise Lanthan, Europium und Neodym - werden nur in kleinen Mengen verwendet, sind aber unverzichtbar für die Herstellung zahlreicher Elektroprodukte.
Task-Force von Wissenschaftlern
Doch die EU hinkt bei der Beschaffung der wichtigen Stoffe hinterher, die USA und Japan hingegen haben längst auf den Engpass bei den Hightech-Metallen reagiert. "Europa ist im Wettlauf um die Seltenen Erden zurückgefallen", sagt Bütikofer. Die USA öffnen Steinbrüche, um große Mengen der Metalle zu fördern. Japan investierte bereits letztes Jahr 750 Millionen Euro in ein sogenanntes Sofortforschungsprogramm, um vor allem das Recycling der kostbaren Metalle zu erforschen; Ziel sei es, den Verbrauch von Seltenen Erden um ein Drittel zu kürzen.
Europa hingegen hat auf politischer Ebene bislang außer Absichtserklärungen nicht viel vorzuweisen. Zwar plant die EU inzwischen eigene Lager für Seltene Erden, um die Verwertung der kostbaren Metalle besser organisieren zu können. Doch bislang sind Unternehmen auf sich selbst angewiesen, sie versuchen durch Zusammenarbeit mit Recyclingfirmen und durch die Erschließung neuer Fördermöglichkeiten, die Versorgung mit Seltenen Erden sicherzustellen.
Auch Forschungsinstitute wie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie die Fraunhofer-Gesellschaft haben eigens Expertengruppen gegründet. Europa müsse seine besten Spezialisten nun zusammenführen, sagt Bütikofer. Unter anderem sei eine Taskforce von Geowissenschaftlern geplant.
Klärung der wichtigsten Fragen
Bütikofers EU-Konzept, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, soll Experten versammeln, die "spätestens 2013" die dringendsten Fragen zu Seltenen Erden beantworten sollen:
In welchen Bereichen muss Europa seine Forschung verbessern? Wie lassen sich die Hightech-Metalle wiederverwerten, so dass sie möglichst wieder in Umlauf kommen? Wo fehlen Patente? Wie kann die Europäische Investitionsbank Unternehmen helfen? Wo lohnt sich die Förderung von Seltenen Erden?
Das Konzept Bütikofers fußt auf einer Studie des Freiburger Öko-Instituts über Seltene Erden, die für ein europäisches Forschungsnetzwerk plädiert. Als Vorbild dient das CEAM-Netzwerk (Concerted European Action on Magnets), mit dem Europa Mitte der achtziger Jahre der fortschrittlichen Magnet-Industrie der USA und Japans Paroli geboten hat.
Eine Million Euro hat Bütikofer beim Industrieausschuss der EU für seine Initiative nun zunächst beantragt. Im nächsten EU-Rahmenprogramm für Forschung 2014 solle das Netzwerk für Seltene Erden dann mit weiterem Kapital ausgestattet werden.
Neue Rohstoffstrategie
Die Offensive bei den Seltenen Erden fügt sich in die neue Rohstoffstrategie der EU, die Ende September vom EU-Parlament verabschiedet wurde. Sie soll die Versorgung mit den Grundstoffen sichern. Die meisten Rohstoffe will die EU demnach durch neue Handelsverträge mit Ländern außerhalb der Union erschließen. Um die Abhängigkeit von bisherigen Rohstofflieferanten zu überwinden, will die EU bei "vorrangigen Rohstoffen" verstärkt auf Drittländer zugehen - gegebenenfalls mittels eines "Streitbeilegungsmechanismus", wie es im Strategiepapier heißt.
Die EU will zudem Firmen mit Krediten und Bürgschaften unterstützen, Rohstoffe aufzutreiben. Auch die Bundesregierung hat reagiert, sie billigte Ende 2010 eine neue Rohstoffstrategie. "Für die Zukunft des Hochtechnologiestandorts Deutschland ist die Versorgung mit bezahlbaren Industrierohstoffen von entscheidender Bedeutung", sagte der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP).
Auch die Regierung will Unternehmen dabei unterstützen, die kostbaren Metalle aufzutreiben: Sie will beispielsweise Kontakte herstellen, politisch vermitteln und Investitionen mit staatlichen Kreditgarantien absichern. Die Hoffnung der deutschen Industrie liegt besonders auf den guten politischen Kontakten nach Russland, wo immerhin gewisse Mengen an Seltenen Erden gefördert werden.
Doch diese Maßnahmen können bestenfalls erste Engpässe überbrücken. Längst machen sich Geologen weltweit auf die Suche nach Metall-Lagerstätten, die das chinesische Monopol brechen sollen. Die neu gegründete Rohstoffagentur des Bundes an der BGR stellt in folgenden Ländern Lagerstätten für den Abbau Seltener Erden in Aussicht: in den USA, Australien, Südafrika, Grönland und Kanada. Es wird allerdings noch Jahre dauern, bis die Förderung gewichtige Mengen abwirft; die Eröffnung von Steinbrüchen kostet Zeit.
Gold im Handy
Vor allem aber konzentriert sich die neue EU-Strategie auf die Wiederverwertung von Metallen: Ende vergangener Woche betonten Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und der slowenische EU-Umweltkommissar Janez Potocnik nach einem Gespräch in Berlin, dass die europäischen Volkswirtschaften ihr Wachstum und Wohlergehen zu lange auf der intensiven Nutzung von Ressourcen aufgebaut hätten. Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit hingen nun von intelligenter Rohstoffnutzung ab.
Das Durchwühlen von Abfall soll eine zentrale Rolle spielen: Im Müll von Industrie und Haushalten lagern massenweise Metallschätze. Uno-Experten haben ermittelt, dass in 41 Mobiltelefonen die gleiche Menge Gold steckt wie in einer Tonne Golderz. "Der Großteil" der 20 Millionen Tonnen Elektroschrott, die jährlich in der EU anfielen, würde nicht recycelt, heißt es im EU-Strategiepapier. Diese "urbanen Minen" sollen nun durch Wiederverwertung der Metalle erschlossen werden. "Deutschland", sagt Reinhard Bütikofer, "muss mithelfen, dass diese Ressourcen nicht durch illegale Elektroschrottexporte verschwinden."
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