Entry Standard Das Risiko wird nur selten belohnt
21. April 2007 "Wir sind angetreten, um die Erfolgsgeschichte der Amitelo AG zu vermitteln", sagt der elegante Herr im hellen Anzug. Es ist Jan Malkus, Vorstand des Unternehmens Amitelo. Das fühlte sich am Dienstag bemüßigt, eine Presseveranstaltung einzuberufen, um Filmmaterial zu zeigen, das Mitarbeiter des Telekommunikationsunternehmens bei der Arbeit zeigt. Für Erleichterung hat dies bei den Aktionären nicht gesorgt. Die waren nämlich schwer verunsichert, nachdem eine Woche zuvor das ZDF in "Frontal 21" leere Büroräume am Unternehmenssitz in Zürich und heruntergelassene Rollläden an der Niederlassung im spanischen Ceuta gezeigt hatte. Zudem war von einer Klage aus Kanada und von kolumbianischen Erfolgsmeldungen, die angeblich keine sind, berichtet worden.
Ratlose Anleger bei Amitelo Mit dem Aktienkurs ging es am nächsten Tag um zeitweise mehr als 75 Prozent bergab. Die Antwort mittels Präsentation des Films vermochte die Börsianer aber nicht recht zu überzeugen. Dies mag vielleicht auch daran liegen, dass am Ende der Veranstaltung ein Insolvenzverwalter und ein Gerichtsvollzieher auf den Vorstandschef Khaled Akid warteten, um ihn wegen einer Forderung aus der Insolvenz einer früheren Unternehmertätigkeit zu sprechen. Der Aktienkurs gab nochmals um mehr als 30 Prozent nach. Das Unternehmen bestätigt nun, dass es Überlegungen gibt, gegen die ZDF-Berichterstattung zu klagen. Der Sender sieht keine Veranlassung, die Behauptungen seiner Berichterstattung zurückzunehmen. Der Anleger bleibt ratlos zurück.
Einst für 1,10 Euro in den Entry Standard gekommen, stieg der Amitelo-Kurs bis auf 2,80 Euro an. Heute notiert die Aktie bei rund 50 Cent. Das Züricher Telekommunikationsunternehmen ist Gründungsmitglied des Entry Standard. Im Oktober 2005 hat die Deutsche Börse dieses schwach regulierte Segment geschaffen, um kleineren Unternehmen einen einfachen und günstigen Weg an die Börse zu ebnen. Ausdrücklich wurde das Segment an "qualifizierte Investoren" gerichtet, die die "Chancen und Risiken in einem geringer regulierten Marktsegment einschätzen können". Einen Anlass, diese schwache Regulierung zu verschärfen, sieht die Börse nicht. Selbst Aktionärsschützer halten davon wenig: "Für den normalen Privatanleger ist der Entry Standard sicher nichts. Doch die Anleger, die sich dort tummeln, müssen wissen, dass sie ihr Geld in eine Black Box werfen und nur hoffen können, am Ende zu gewinnen", sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Im schlimmsten Fall sitzen sie einem Betrug auf." Den zu verhindern sei aber aussichtslos. "Auch im Neuen Markt hat es Betrug gegeben, obwohl der ja besonders stark reguliert war", sagt Kurz.
So muss sich der Anleger schon überlegen, wem er sein Geld gibt. Im Fall Amitelo hat er einem Unternehmen vertraut, das einen großen Teil seiner Geschäfte auf dem afrikanischen Telekommunikationsmarkt macht. Die ausgewiesenen Geschäftszahlen für 2006 lagen mit einem Umsatz von 74 Millionen Euro und einem Gewinn vor Steuern und Abschreibungen von mehr als 7 Millionen Euro über den Erwartungen. Mit einiger Begeisterung feierte das Unternehmen am 12. Februar eine Studie des Bankhauses Lampe mit einer Kaufempfehlung für die Aktie. "Erstmals hat eine renommierte Bank einen Research-Report über den Telekommunikationsanbieter Amitelo veröffentlicht", teilte das Unternehmen mit. Das Interesse etablierter Bankhäuser an der Analyse von Unternehmen aus dem Entry Standard ist gering. Der Anleger kann kaum auf fundiertes Datenmaterial anerkannter Experten zurückgreifen. Umso spekulativer ist daher ein Engagement in diesem Marktsegment.
Dubiose Vorgänge verschiedenster Art Das höhere Risiko wurde in der Vergangenheit nicht einmal belohnt. Nach einem zwischenzeitlichen Hoch im Mai 2006 bei mehr als 1.600 Indexpunkten liegt der Entry Standard Index nun bei knapp 1.100 Punkten. Anfang des Jahres musste mit Eutex ein erster Wert Insolvenz anmelden, im April beschloss die Hauptversammlung die Auflösung des Unternehmens.
Das Bankhaus Lampe hat seine Analyse zu Amitelo bereits im März wieder zurückgezogen. "Wir erlauben uns keine juristische Beurteilung der Vorgänge, aber allein die Diskussion über eine mögliche Klage aus Kanada und die Verträge in Kolumbien stellen eine positive Entwicklung der Aktie in Frage", sagt der zuständige Analyst des Bankhauses Lampe, Christoph Schlienkamp. Außerdem ermittelt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) nach "Hinweisen von Dritten" seit mehreren Wochen wegen Auffälligkeiten im Handel mit Aktien von Amitelo. "In zwei bis drei Wochen wird die Prüfung abgeschlossen sein", sagte eine Bafin-Sprecherin.
Derweil können sich verunsicherte Aktionäre schon mal die Geschichte von Neosino zu Gemüte führen. Dieses Unternehmen hatte nach seinem Börsengang im Entry Standard Anfang des Jahres 2006 zunächst eine fulminante Entwicklung hingelegt. Neosino stellte angeblich ein für Sportler optimiertes Nahrungsergänzungsmittel her. Bayern München war der prominenteste Kunde. Stürmer Roy Maakay war das Werbemaskottchen. Der Vereinsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt lobte: "Die per Trinkampullen zugeführten Mineralstoffe sollen das Verletzungsrisiko der FC-Bayern-Spieler bei Muskeln, Sehnen und Bändern senken." Dann gab es jedoch im März 2006 einen Fernsehbericht des ARD-Magazins "Panorama". Statt der Einnahme von Neosino könne man auch "auf einen ganz normalen Bolzplatz gehen und den Staub, der dort aufgewirbelt wird, schlucken", zitierte das Magazin einen Wissenschaftler. Von dem Rückschlag der in Zweifel gezogenen Reputation hat sich die Aktie bislang nicht erholt. Nach ihrem Hoch bei 160 Euro notiert der Wert nun bei knapp 90 Euro. Dem prominenten Kunden Bayern München hat es nicht geschadet. Die Mannschaft wurde damals Deutscher Meister und Pokalsieger und bezieht die Produkte immer noch. Der NDR musste seine Berichterstattung jedoch nicht korrigieren.
Text: F.A.Z., 21.04.2007, Nr. 93 / Seite 25 Bildmaterial: FAZ.NET
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