motiviert diese dadurch zum weitermachen ihrer Verbrecherischen Energie, denn es droht verbrechern in Deutschland nichts.
Die Rotter-Kolumne: Der Neue Markt und sein Erbe 17.12.2003 - Nur wenige erinnern sich noch an die Zeiten, als der Neue Markt in aller Munde war. Und jene, die sich noch daran erinnern, wollen heute lieber nicht mehr darüber sprechen. Einer der Gründe für den extremen Niedergang dieses einstmaligen Hoffnungssegmentes unserer Volkswirtschaft waren die betrügerischen Machenschaften bei Firmen wie ComRoad und Infomatec.
Noch immer sind zivilrechtliche Schadensersatzprozesse geschädigter Anleger anhängig. Diese Verfahren sind für den Anleger rechtlich schwierig und mit erheblichen finanziellen und nervlichen Herausforderungen verbunden. Es ist nach wie vor nicht leicht, in Deutschland zu seinem Recht zu kommen. Unter dem Aspekt des Ausgleichs des finanziellen Schadens des Opfers (Anleger) durch den Täter (Vorstand) ist der Neue Markt immer noch nicht aufgearbeitet. Auch wenn die Deutsche Börse AG das Segment für tot erklärt hat, das Vertrauen der Anleger, die sich schutzlos fühlen, ist nach wie vor erschüttert.
Eine andere Seite neben dem zivilrechtlichen Ausgleichs des Schadens ist die strafrechtliche Verfolgung der Täter. Grundsätzlich sind das Strafverfahren und Zivilprozesse strikt zu unterscheiden. Auf Strafprozesse hat der Staat das Monopol. Im Strafprozess wird in der Regel nicht über Schadensersatzansprüche entschieden, dies ist dem Zivilprozess vorbehalten, der von den Geschädigten betrieben werden muss.
In den bisher ergangenen Strafurteilen gegen die Herren und Frauen Haffa, Harlos und Schnabel, hat sich nicht immer die volle Härte unseres Rechtsstaates gezeigt, wie sie gerne einmal einem Ladendieb wiederfährt.
Ein von den Strafgerichten in diesem Zusammenhang aber gerne gebrauchtes Mittel ist der sogenannte Verfall von Vermögenswerten. Dies bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft Vermögenswerte der Täter beschlagnahmen lässt, die dann das Strafgericht im Urteil für Verfallen erklärt, das Eigentum geht also auf den Staat über. So ist in den Verfahren gegen Herrn Harlos und die Eheleute Schnabel verfahren worden.
Das Landgericht München I (Strafkammer) hat im Strafverfahren gegen die Eheleute Schnabel im November 2002 deren Vermögenswerte in Höhe von gut 20 Millionen Euro für verfallen erklärt. Die Rechtsfolge einer solchen Verfallsentscheidung nach den §§ 73 ff. StGB ist, dass das Eigentum an den Staat übergeht. Eine solche Entscheidung dürfte nach dem klaren Gesetzeswortlaut (§ 73 I S. 2 StGB) nur ergehen, wenn keine Verletzten Ansprüche aus der Tat geltend machen können.
Aus diesem Grund hat unter anderem die Kanzlei ROTTER RECHTSANWÄLTE gegen diese Entscheidung des LG München I (Strafkammer) zunächst das sogenannte Nachverfahren und in der nächsten Instanz die sofortige Beschwerde betrieben.
Das Oberlandesgericht München hat am 06. November 2003 die sofortigen Beschwerden gegen die Verfallsentscheidung und die Nachverfahrensentscheidung des LG München I (Strafkammer) verworfen. Das Gericht führt aus, dass die Verfallsentscheidung (aus oben genannten Gründen) wohl nicht hätte ergehen dürfen, weil die Anspruchsteller (Anleger) tatsächlich Verletzte der Taten der Eheleute Schnabel seien, dies aber nicht entscheidend sei. Letztlich stünden nämlich den Antragstellern das Nachverfahren nicht zu, weil diese bereits am Hauptverfahren nicht hätten beteiligt werden müssen und auch nicht beteiligt worden sind.
Das Gericht führt aus, dass die Antragsteller Anwartschaftsrechte hätten erwerben müssen, also Vermögenswerte der Eheleute Schnabel hätten rechtzeitig arrestieren müssen, damit sie „unter Umständen“ am Verfahren hätten beteiligt werden können.
Die Kanzlei ROTTER RECHTSANWÄLTE hat umfangreich versucht, vor und während des Strafprozesses (sowohl im Fall Schnabel, als auch im Fall Harlos) auf die Rechte der Anleger hinzuweisen, außerdem wurde versucht, im Wege des Adhäsionsverfahrens am Strafverfahren beteiligt zu werden, um so die Rechte der Geschädigten wahren zu können. Dies wurde aber vom LG München zurückgewiesen.
Da die Staatsanwaltschaft durch ihren deutlichen Ermittlungsvorsprung, den sie mit den Anlegern auch nicht teilte, bereits sehr früh Arreste erwirkt hatte, hätten die Anleger also für teueres Geld (Gerichtskosten) nachrangige Arreste erwirken sollen, um zu verhindern, dass sich der Staat ihr Geld im Wege des Strafverfahrens einverleibt.
Im Ergebnis hätten die Anleger somit den Gerichtskassen weiteres Geld zuführen sollen, um Arreste zu erwirken, die an dritter, vierter oder fünfter Rangstelle rangieren und somit kaum das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt sind. Schließlich haben hierauf alle Anleger verzichtet, da sie ihrem guten Geld nicht noch schlechtes hinterherwerfen wollen. Die Verfolgung der Schadensersatzansprüche auf zivilrechtlichem Wege ist ohnehin der einzige Weg, in dem die Ansprüche rechtsgültig festgestellt werden können.
Der klare Wortlaut des Gesetzes (§ 73 I S. 2 StGB) stellt die Rechte der Geschädigten vor die Ansprüche des Staates und selbst das OLG München führt nun in seiner Entscheidung aus, dass es „dazu neigt“, die Anleger als Geschädigte zu betrachten. Diese widersprüchliche Argumentation ist nicht nachvollziehbar und stellt unserer Ansicht nach einen klaren Verstoß gegen verfassungsmäßige Rechte dar, da sie den Geschädigten rechtlos stellen. Auch Prof. Satzger von der Universität in Augsburg kam in einem Rechtsgutachten zu dem Ergebnis, dass die Anordnung des Verfalls rechtswidrig ist.
Das OLG München führt weiter aus, dass die Staatsanwaltschaft nichts unternommen hat, um die Geschädigten zu ermitteln und zu verständigen, geschweige denn ihre Ansprüche zu sichern, also keine Rückgewinnungshilfe betrieben hat, sondern lediglich Ansprüche für die Staatskasse gesichert hat. Sicher soll sich Verbrechen – auch für die Eheleute Schnabel – nicht bezahlt machen, nur muss nach Ansicht der Kanzlei ROTTER RECHTSANWÄLTE der Opferschutz vor der Staatskasse stehen, wie dies das Gesetz im Übrigen selbst vorsieht.
In Stellungnahmen Geschädigter, die uns erreicht haben, haben einige zum Ausdruck gebracht, dass sie sich erneut um ihr Geld betrogen fühlen. Die Entscheidung des OLG München ist auch für Herrn Schnabel nachteilig, da dieser, wird er von Zivilgerichten zur Zahlung von Schadensersatz an geschädigte Anleger verurteilt, zweimal zahlen müsste. Einmal müsste er an den Staat zahlen und einmal an die Anleger, auch dies soll das Gesetz nach seinem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers verhindern.
Auch die Comroad AG muss nun befürchten, dass sofern sie zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wird, sie sich nicht mehr bei Herrn Schnabel schadlos halten kann, da dieser nun über 20 Mio. Euro Anlegergelder weniger verfügt. In dieser Konstellation sind ausnahmsweise die Interessen der Täter und der Opfer sogar gleich.
Die Kanzlei ROTTER RECHTSANWÄLTE hat deshalb gegen die Entscheidung des OLG München Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Die Verfassungsbeschwerde wird vor allem auf die Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör und die Verletzung der Eigentumsgarantie gestützt.
Der Neue Markt ist noch lange nicht aufgearbeitet und sein schweres Erbe beschäftigt nun sogar das höchste deutsche Gericht, wer häte sich dies bei der vollmundigen Präsentation des neuen Hoffnungssegmentes jemals träumen lassen.
Zur Erklärung: Vorliegend ist auch strikt zwischen dem Vermögen der Eheleute Schnabel und dem Vermögen der Comroad AG zu unterscheiden. Die Verfallsentscheidung im Strafprozess bezieht sich nur auf das Privatvermögen der Eheleute Schnabel. Das OLG geht überdies davon aus, dass die Eheleute Schnabel sogar noch weiteres Vermögen haben (siehe vorliegende Entscheidung).
Die Comroad AG hat auf der Hauptversammlung im Sommer 2003 ausgeführt, dass sie zu jenem Zeitpunkt noch über etwa 18 Mio. Euro an Vermögen verfügte. Zu beachten ist, dass die Gesellschaft Verluste schreibt (siehe auch aktuelle Ad-hoc Meldung der Comroad AG vom 04. November 2003: per 30.09.2003 und per 31.12.2003 betriebliche Erlöse 1,119 Mio. EUR 1,978 Mio. EUR Jahresfehlbetrag 2,340 Mio. EUR 3,313 Mio. EUR Vorgenannte Angaben ohne Gewähr). Dieses Gesellschaftsvermögen ist von der oben genannten Verfallsentscheidung nicht betroffen.
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Autor: Rechtsanwalt Sven Keusch
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