21.03.03
Terrorziel Ölhafen - "Ein Flugzeug genügt"
Von Jörn Sucher
Erdölhäfen und Gastanker sind ein leichtes Ziel für Scud-Raketen und Terrorangriffe. Eine erfolgreiche Attacke wäre für die Weltwirtschaft katastrophal.
Hamburg - Der neuralgische Punkt ist Ras Tanura. In den Verladestationen des saudischen Hafens werden pro Tag etwa sieben Millionen Barrel Öl verschifft - das entspricht zehn Prozent des täglichen Erdölbedarfs der Weltbevölkerung. Entsprechend beunruhigt geben sich die Experten. "Um dort die gesamte Produktion auszuschalten, genügt es, ein einziges Flugzeug hineinzustürzen", sagt Robinson West, Chef der Washingtoner Petroleum Finance Corporation. "Ein Angriff, der Ras Tanura zerstört, hätte ebenso zerstörerische Auswirkungen auf den gesamten Westen wie ein Terroranschlag auf die Vereinigten Staaten oder Europa", schreibt Anthony H. Cordesman vom Center for Strategic and International Studies (CSIS). Friedemann Müller vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit skizziert die ökonomischen Auswirkungen. Der Verlust von 20 Prozent der 22 Millionen Barrel Öl, die täglich aus der Golfregion geliefert werden, würde eine weltweite Schieflage auslösen, die die Ölkrise 1973 in den Schatten stellt.
Damals, so Müller, drohte die Organisation Erdölexportierender Länder Opec angesichts der westlichen Unterstützung für den Staat Israel lediglich mit der Beschränkung der Erdöllieferungen. Die Preise schossen trotzdem um bis zu 300 Prozent in die Höhe.
Die Opec scheint sich dieser Gefahr bewusst und hob die Förderbegrenzung für ihre Mitgliedsländer jüngst auf, um mögliche Ausfälle zu kompensieren. Der psychologische Effekt, der durch einen brennenden Ölhafen entstehen würde, dürfte die Ölpreise trotzdem explodieren lassen.
Neben den Verladestationen sind auch die Öl- und Gastanker ein leicht zu treffendes Ziel. Der Angriff auf die französische "Limburg" am 6. Oktober vor der jemenitischen Küste zeigt, wie eine Attacke mit einfachsten Mitteln durchgeführt werden könnte. Vor allem die Flüssiggastanker, die ihre Ladung im Hafen von Ras Laffan im Scheichtum Katar bunkern, gleichen schwimmenden Bomben.
Kurzer Krieg gleich Aufschwung, langer Krieg gleich Abschwung - nach dieser Gleichung werden bislang häufig Prognosen für die wirtschaftlichen Folgen des Irak-Krieges aufgestellt. Doch die Rechnung stimmt nur bedingt.
Fünf der wichtigsten Erdölexportländer liegen am Persischen Golf. Die Region deckt 32 Prozent des weltweiten Bedarfs. Der äußerst verwundbare Erdöltransport - sei es in der Pipeline oder mit dem Tanker - verläuft jetzt in unmittelbarer Nähe der Kampfhandlungen. Sollten es zu einem Volltreffer kommen, würde auch ein kurzer Konflikt die globale Ökonomie massiv unter Druck setzen.
Ob der Irak die Erdölindustrie der Nachbarn direkt militärisch attackieren könnte ist umstritten. Zwar zeigen die Raketenattacken auf Kuwait nach Beginn des Krieges, dass das Land nach wie vor über größere Entfernung zuschlagen kann. Hermann Scheer, Energie- und Rüstungsexperte der SPD-Fraktion im Bundestag, stuft die Wahrscheinlichkeit eines direkten Angriffs dennoch als gering ein. Unbestritten ist jedoch die Gefahr eines Terroranschlags. Allein auf Ras Tanura sollen im vergangenen Jahr vier Anschläge verübt worden sein.
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