Honeckers Erben wollen ihre alten Büros wieder von innen sehen - Den Weg zur Macht ebnet ihnen die SPD - Ein Opfer des Terrorregimes der SED schrieb stellvertretend für Tausende: »Wer das erlebt hat in Bautzen II, in Hohenschönhausen und Waldheim, kann es nicht glauben, daß es deutsche Sozialdemokraten gibt, die sich in ihrer primitiven Machtgeilheit zu einer solchen Handlung hingeben. Geld in die Taschen stopfen, das ist alles, was sie können, diese Helfer der Folterknechte ...« - Das Ende von Schröders Masterplan, die politische Mitte für die SPD zu gewinnen Detlef Kleinert
Wiederkehr 2001: »Berlin - Hauptstadt der DDR«?
von Detlef Kleinert
Eine bange Frage, die sich viele Berliner in diesen Tagen stellen: »Sollten wir uns für diese Stadt einmal schämen müssen?« Was vor zwei Jahren noch, als die Berliner SPD im Wahlkampf hoch und heilig versprach, niemals mit der SED-Fortsetzungspartei PDS zusammenzugehen, unmöglich schien, nun ist es geschehen: SPD und PDS kungeln zusammen, skrupellos jedes Versprechen hinwegfegend, allein aus Machtgeilheit, koste es, was es wolle. So also sieht die Republik der »Neuen Mitte« aus, die Bundeskanzler Schröder in seiner ersten Regierungserklärung zu schaffen versprach: ein Ruck nach links, hin zu einer rot-roten Republik.
Niemand sollte daran zweifeln: was da in Berlin geschah, ist lediglich der Vorbote einer Koalition, die Schröder schmieden wird, wenn bei der nächsten Bundestagswahl die Stimmen von SPD und Grünen nicht ausreichen. Wowereit, Regierender Bürgermeister von PDS-Gnaden, ist für Schröder nicht mehr, als ein Versuchsballon, eine Marionette, ein »Minenhund - installiert, um auszuloten, wie die Wähler auf das Bündnis mit den Kommunisten reagieren. Daß für diesen Versuch ausgerechnet jene Stadt ausgewählt wurde, die von eben diesen Kommunisten mit einer Mauer gespalten wurde, empfinden viele in Berlin als Schande. Und sie erinnern sich auch an jenen Ulbricht-Befehl, ausgegeben 1946: »Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben!«
Ach ja, nun höre ich schon die Verharmloser, die Verklärer, die Geschichtsklitterer: Wer an alte Zeiten, am Mauerbau und Arbeiteraufstand erinnert, sei ein »Kalter Krieger«, lebe in der Vergangenheit, solle lieber an die Zukunft denken. Nur welch eine Zukunft kann das sein mit einer reaktionären Partei, die zu rund 90 Prozent aus den Altkommunisten der Mauerbauer- und Stasi-Spitzel-Partei SED besteht, die in ihrem Programm - heute wohlgemerkt - den marxistischen Ladenhüter »Ohne Gleichheit ist Freiheit nur die Kehrseite der Ausbeutung« auflegt und »die Vorherrschaft kapitalistischer Eigentumsverhältnisse beseitigen« will.
Dies alles gilt im wesentlichen für die sogenannten Neuen Länder. Was die alten angeht, ist die Situation noch ein Stück fataler: Hier haben sich in der PDS die alten orthodox-kommunistischen Sektierer zusammengefunden, die fast ausschließlich aus den maoistischen K-Gruppen und der DKP stammen - marxistisch-leninistische Fanatiker, die aus guten Gründen vorn Verfassungsschutz beobachtet werden.
Die PDS, so will uns der Zeitgeist einreden, habe sich gehäutet, die sei nun eine ganz normale Partei - ihre Unterabteilung »Kommunistische Plattform« sei ja unbedeutend - und ihre orthodox-kommunistischen Programmphrasen seien nicht ernst zu nehmen. Wirklich? Der stellvertretende Parteivorsitzende Dehm betonte dieser Tage erst: »Unser Fernziel ist es, Konzerne wie DaimlerChrysler, BMW und Großbanken zu vergesellschaften.« Ein anderer (inzwischen resignierender) stellvertretender Vorsitzender der PDS, der gebürtige Wiener Porsch, trat mit der Erkenntnis an die Öffentlichkeit: »Die Mauer hat 1961 den Frieden in Europa und der Welt erhalten.« Besser hätte es Honecker auch nicht sagen können. Wer darauf hinweist, daß an Mauer und Stacheldraht rund 600 Menschen getötet worden sind, dem hält der personifizierte Zeitgeist entgegen, man müsse doch vergessen. Und die PDS assistiert: Wer wegen der Schüsse an Mauer und Stacheldraht verurteilt wurde, sei ein Opfer der Siegerjustiz« - ein Wort, das deutlicher als alles andere die Einstellung dieser Partei zum Rechtsstaat widerspiegelt.
Seltsam, wenn es um die Verbrechen der Nazis geht, sagt man uns immer (zu Recht), man dürfe nicht vergessen, die Jugend müsse aufgeklärt, gewarnt werden. Wenn es jedoch um die »rotlackierten Faschisten« (ein Wort es früheren SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher) geht, ist der »fortschrittliche« Deutsche nur zu rasch zum Verzeihen und Vergessen bereit.
Zur Klarstellung: Damit soll nicht gesagt werden, daß NSDAP und SED gleich waren. Die monströsen Verbrechen der Nationalsozialisten lassen sich allenfalls mit den Massenmorden von Stalin und Mao vergleichen, nicht aber mit den relativ kleiner dimensionierten Schandtaten Ulbrichts und Honeckers. Zwar war die SED eine Kreation Stalins, aber - an der Peripherie des Sowjetimperiums gelegen - in die größten Verbrechen des Kommunismus nicht einbezogen. Durchaus vergleichbar ist freilich der geistige Ansatz, der politische Stil dieser beiden totalitären Parteien - man sehe sich die Massenaufmärsche an, man denke nur an den Byzantinismus der Führer und man erinnere sich, wie mit politischen Gegnern verfahren wurde.
Vergessen wird bei der heutigen Beurteilung der SED-Diktatur, daß die Opfer der »rotlackierten Faschisten« nicht nur psychisch, sondern auch - freilich in ungleich geringerer Zahl - physisch zerstört worden sind: in Bautzen und Hohenschönhausen und den anderen Gefängnissen, die eher KZ denn Strafanstalten waren. Wolf Biermann, langjähriger Anhänger der Kommunisten, danach ein Opfer des Stasi-Terrors, schreibt dazu: »Viele Opfer des DDR-Regimes sind unheilbar kaputtgemacht worden. Schuldlose Menschen wurden ausgelöscht, Lebenspläne wurden vernichtet, Familien zerschlagen. Liebende wurden auseinander gerissen, Kinder verwaist und verstümmelt.«
Es sind viele Tausende, die von dieser Diktatur geknechtet wurden, in den meisten Fällen erfuhr die Öffentlichkeit davon nichts, die Mehrzahl der Medien in der Bundesrepublik Deutschland wollte es auch gar nicht wissen - man war ja so fortschrittlich. Welt-Leserin Anneliese Gröbe hat die Stimmung der Opfer eindrucksvoll zusammengefaßt: »Ich schäme mich, eine Deutsche zu sein. Ich gehöre zu den Opfern dieses SED/Stasi-Regimes und seiner Folterknechte. Wer das erlebt hat in Bautzen II, in Hohenschönhausen und Waldheim, kann es nicht glauben, daß es deutsche Sozialdemokraten gibt, die sich in ihrer primitiven Machtgeilheit zu einer solchen Handlung hingeben. Geld in die Taschen stopfen, das ist alles, was sie können, diese Helfer der Folterknechte. In Deutschland regiert die personifizierte Dummheit, und das ist schlimmer.«
Alles das, was die Opfer erlebt haben, soll nicht wahr sein? Der SED-Staat soll nun plötzlich keine menschenverachtende Diktatur gewesen sein? Mit größter Selbstverständlichkeit tönt die Landesvorsitzende der PDS in Sachsen-Anhalt» Rosemarie Hein, daß man lediglich »Fehler« nicht wiederholen dürfe, aber: »Der Begriff ,Unrechtsstaat' für die DDR ist völlig falsch und fehl am Platze.« Frau Hein wiederholt im Grunde nur, was vor ihr schon der SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner gesagt hat. Es wird immer deutlicher: Die SPD will in ihrer Machtversessenheit alle Schandtaten der roten Genossen vergessen.
Dazu Wolf Biermann: »Die bankrotten sozialdemokratischen Apparatschiks halten den Erben der DDR-Nomenklatura dabei den Steigbügel, weil sie selber um jeden Preis Hoppe-Hoppe-Reiter spielen wollen.« Ein SPD-Mitglied der alten Garde, Hermann Klag, hat dazu bemerkenswerte Zahlen vorgelegt: Unter Kaiser Wilhelm seien Sozialdemokraten zu insgesamt 1.000 Jahren Gefängnis verurteilt worden, unter Ulbricht und Honecker aber zu mehr als 500.000 Jahren, und er fragt: »Weiß man das heute in der SPD-Führung?«
Dabei geht es freilich nicht allein um die heutige SPD-Führung. Schon Ende der sechziger Jahre begannen führende Kader die Grenzen zu verwischen. Formal gegen den konservativen Klassenfeind in CDU und CSU, in Wirklichkeit aber auch gegen die auf Abgrenzung beharrenden Genossen in den eigenen Reihen erfand man damals das Schlagwort vom »primitiven Antikommunismus«. Das war die Leitidee damals: Antikommunismus konnte nur primitiv sein. Vielfältige Kontakte, zunächst mit den italienischen Kommunisten, dann anderen, beschönigend Eurokommunisten genannt, machten den Anfang; dann - ab 1969 - folgten Kontakte auf Regierungsebene mit den Sowjet- und DDR-Kommunisten.
Mitte der siebziger Jahre schrieb der Chefredakteur des SPD-Zentralorgans Vorwärts entlarvende Sätze: »Ob das DDR-Gesellschaftssystem eine diskutable Möglichkeit ist, ob es eine Alternative zur parlamentarischen Demokratie sein kann, das wird wohl erst die Geschichte lehren.« Das war in jenen Jahren des vermeintlichen Wandels durch Annäherung - einer Lebenslüge der SPD. Egon Bahr und andere sorgten dafür, daß die Kontakte zu der »diskutablen Möglichkeit«, den realsozialistischen Folterknechten, nicht abrissen, und Willy Brandt merkte offenbar nicht, wie er hintergangen wurde.
Mitte bis Ende der achtziger Jahre hatten die Sozialdemokraten dann jegliche Scham verloren, Gerhard Schröder schrieb an den »lieben Egon« (Krenz) einen Brief in einem vertraulichen Ton, wie er nur unter guten Freunden üblich ist, 1987 legten SPD und SED ein gemeinsames Papier vor, das die SED zu Recht als Persilschein herumreichte; und jeglicher Hinweis von konservativer Seite auf den Wiedervereinigungsanspruch des Grundgesetzes wurde von den Genossen - auch von denen westlich von Mauer und Stacheldraht - als »Kalte-Krieger-Hetze« diffamiert. Unter diesem Aspekt gewinnt das Wort von Willy Brandt, ausgesprochen nach dem Fall der Mauer 1989 »Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört«, eine besondere Deutung. Brandt bezog dies in der Tat auf die beiden Teile Deutschlands, er, der Patriot, war zu diesem Zeitpunkt freilich nicht umsonst in seiner eigenen Partei bereits politisch isoliert.
Auch wenn man all dies nicht mehr wissen will, wenn man schon um Machtgewinn und Machterhalt willen die politische Moral ruiniert, dann sollte man wenigstens ans Geld denken. Der rot-rote Filz in Berlin wird natürlich dazu führen, daß jeder potentielle Investor einen großen Bogen um die deutsche Hauptstadt macht, denn die PDS ist, darüber kann es ja wohl keinen Zweifel geben, ein Investorenschreck - nicht umsonst haben jene beiden Bundesländer, in denen die PDS offiziell und inoffiziell an der Regierung beteiligt ist, die höchsten Arbeitslosenzahlen. Nein, mit Verantwortung hat das, was die SPD in Berlin derzeit treibt, nichts zu tun. Und schon gar nicht mit einer Politik der Neuen Mitte, eher schon mit einer Politik der Alten Linken.
Aber genau darum geht es ja den Herren Schröder & Co. Und deshalb haben sie nun das Märchen erfunden, wer nach demokratischen Regeln ins Parlament komme, sei auch koalitionsfähig. Das sagen genau jene, die dafür gesorgt haben, daß Osterreich wegen der zwar rechtspopulistischen, aber eben doch zweifelsfrei demokratischen Partei FPÖ von 14 EU-Ländern mit Sanktionen belegt wurde. Man stelle sich das Geschrei dieser Ober-Demokraten vor, wurden die Unionsparteien mit der DVU koalieren wollen. Aber Extremisten sind ja nicht gleich Extremisten, oder?
Wolf Biermann dazu: »Jedes Kind weiß: Die PDS ist von Geburt an eine Nachgeburt des totalitären DDR-Regimes. Dennoch sagen viele echte und falsche Naivterkens: Tja, aber sie wird immerhin von vielen Leuten in der Ex-DDR gewählt, also ist sie demokratisch legitimiert. Wenn ich solchen pseudo-liberalen Husten höre, weiß ich nicht, ob ich böse lachen oder wütend weinen soll.« Bleibt zu hoffen, daß der Wähler weder weint noch lacht, sondern seine logische Konsequenz aus diesem schamlosen Wortbruch zieht. »Wem alles zuzutrauen ist, zu dem hat man am Ende kaum mehr Vertrauen«, meint Emnid-Chef Klaus Peter Schöppner.
Dabei wären gerade in dieser Situation Politiker gefragt, die mit Mut und Verantwortungsbewußtsein die Krise der Stadt bewältigen. Berlin ist pleite, seine desolate Haushaltslage war schon vorher bekannt, der Skandal um die Bankgesellschaft hat das Faß nur zum Überlaufen gebracht. Sechs Milliarden fehlen - schlimm genug. Aber daß die SPD von all den Mauscheleien, die es da offenbar gab, nichts gewußt hat, obwohl sie seit zehn Jahren mitregiert und in alle Entscheidungen, auch die der Bankgesellschaft mit eingebunden war, wird wohl niemand ernsthaft glauben wollen.
Nochmals Wolf Biermann: »Daß die Berliner SPD-Bonzen in den zehn langen Jahren des gemeinsamen Regierens davon weniger wußten als ihre verfilzten CDU-Kumpanen, können sie einem erzählen, der die Hosen mit der Kneifzange anzieht. Wer sich aus solchen Kalamitäten nun in die Arme der PDS rettet, der ist in meinen Augen von allen guten demokratischen Geistern verlassen.«
Von denen ist freilich auch die CDU zeitweilig verlassen, die bei ihrer Kandidatensuche zusätzliches Porzellan zerdepperte. Allein die Tatsache, daß es der SPD gelungen ist, diese Pleite der Bankgesellschaft vor der Öffentlichkeit als eine »Pleite der CDU« erscheinen zu lassen, sagt einiges aus über die CDU und ihr verbrauchtes Personal. Und trotzdem: all das kann keine Entschuldigung sein dafür, daß die SPD im 40. Jahr des Mauerbaues durch die Kungelei mit der SED-Fortsetzungspartei PDS einen politischen Dammbruch zu verantworten hat, den sie noch bereuen dürfte.
DOKUMENTATION Wolf Biermanns »Bilanzballade im elften Jahr«, von der Welt am 16.6.2001 publiziert, endet mit den Zeilen:
Der China-Fan Krenz macht auf tragischen Clown Manch Menschenjäger spielt Mobbingopfer Der Denunziant Dehm schreit nun Denunziation! Das Wort führn ostalgische Sprücheklopfer Sie haben Jahrzehnte gemordet, gehetzt Nun fälschen sie ihre Vergangenheit Die Erben der Nomenklatura schrein jetzt Nach Demokratie und Gerechtigkeit Die haben sich clever widervereint Und machen den Reibach beim Wiedervereinen Sie sühln sich im Bett mit dem Klassenfeind Und lachen sich eins ins Fäustchen beim Weinen Marxistisch verklart, ganz ohne Krampf Im alten Jargon kann ich singen und sagen: Das Volk, jawohl! hat im Klassenkampf Historisch den Sieg davongetragen! Im Übrigen weiß ich: Kein Racheakt Könnt Jürgen Fuchs mir lebendig machen Ich lebe! und stehe nun splitternackt Mal wieder am Anfang und weine beim Lachen.
Kurz vor dem Zusammenbruch der DDR kursierte dort folgender Witz:
Erich Honecker, Lenin und Gorbatschow fahren mit der Transsibirischen Eisenbahn. Plötzlich hält der Zug. Alle drei ärgern sich und schauen, was los ist: Die Schienen sind zu Ende. Wie reagieren die drei?
Erstens: Lenin ist der Schlaueste. Er läßt die Hälfte der Mitreisenden aussteigen und die Schienen hinter dem Zug nach vorne legen.
Zweitens: Gorbatschow ist der Erstaunlichste. Er sucht in Sibirien vergebens Anschluß für sein Handy, um nach Hilfe zu rufen.
Drittens: Erich Honecker ist der Routinierteste. Er läßt die ausgestiegene Hälfte zurück zum Zug kommen und draußen daran rütteln, damit die andere Hälfte drinnen denkt, es gehe weiter. ######################## gruß proxi
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