Ich bin dabei voll und ganz bei Ihm, Recht hat er. __________________________________________________
Roland Düringers neues Programm kommt heute, Dienstag, auf die Bühne des Stadtsaals in Wien. Es setzt "ICH - Einleben", den ersten Teil seiner Vortagsreihe, in der ersten Person Plural fort: "WIR - Ein Umstand".
SN: Auf dem aktuellen Foto sehen Sie wie Don Quijote aus.
Düringer: Jeder hat seine Sicht.
SN: Das heißt, Sie kämpfen nicht gegen Windmühlen?
Düringer: Um Gottes Willen. Es gibt nichts zu kämpfen. Gar nicht.
SN: Sie beschäftigen sich im neuen Programm mit Sprache, Arbeit, Wirtschaft, Politik. Das sind Dinge, die oft Anlass für Kämpfe liefern.
Düringer: Im ersten Teil, "ICH - Einleben", geht es um Bedeutendes, um Geburt, Fortpflanzung, Krankheit und Tod. Im zweiten Teil der Vortragsserie geht’s, wie vorher aufgezählt, um Unbedeutendes, dem wir aber große Bedeutung beimessen.
Zu vielen Dingen kann man ja eine Meinung haben, zum Tod etwa. Das ändert nichts, weil der Tod ist der Tod. Eine Meinung kann man sogar zu Gott haben. Man kann der Meinung sein, es gebe Gott. Man kann der Meinung sein, es gebe keinen Gott. Beides ist falsch. Die einzig richtige Antwort auf die Frage, ob es Gott gibt, ist: "Ich weiß es nicht." Die Frage muss eigentlich lauten: Gäbe es Gott, wenn es uns nicht gäbe? Denn wer würde nach Gott fragen, wenn wir nicht wären?
SN: Politik ist keine unbedeutende Sache. Sie formt unser Leben.
Düringer: Das ist ein Irrtum.
SN: Aber Herr Faymann und seine Freunde beschließen doch Dinge, die Relevanz für uns haben.
Düringer: Nein. Das hat keinen Einfluss auf unser Leben. Auf unsere Lebensgeschichte vielleicht, auf unsere äußere Welt, auf unsere Benutzeroberfläche. Fürs wirkliche Leben ist das bedeutungslos. Das merkt man aber nur in den Momenten, wo es ums Eingemachte geht. Wenn du die Diagnose Krebs hast, dann ist der Herr Faymann unbedeutend.
SN: Aber wenn er oder andere beschließen, dass es in der Umgebung kein Krankenhaus mehr gibt, dann hat das Bedeutung.
Düringer: Das sind zwei verschiedene Dinge. Der Herr Faymann kann nicht beschließen, dass es kein Krankenhaus gibt, weil wir pleite sind. Wir sind pleite, und deshalb gibt es kein Krankenhaus. Das hat nichts mit dem Herrn Faymann zu tun. Das hat mit unserem System zu tun.
Dieses System ist komplex. Das beginnt damit, wie wir unsere Kinder erziehen, welche Werte wir ihnen weitergeben. Man muss die Frage stellen: Wo kommen die vielen vertrottelten Erwachsenen her? Denn kein Kind kommt blöd auf die Welt. Aber es gibt irrsinnig viele alte Trotteln. Nur über Politik zu reden, wäre zu wenig. Es geht um elementare Dinge.
SN: Die wären?
Düringer: Wir stehen vor einer großen Veränderung, glaub’ ich. Es ist eine Illusion, in der wir jetzt sehr lang sehr gut gelebt haben, und die löst sich langsam auf.
SN: Es gibt einen Herrn Düringer, der hat vor ein paar Jahren 14 Autos besessen. Ist das "gut leben"?
Düringer: Ich bin ein 1963er-Jahrgang. Mein Vater hatte kein Auto. Ich bin damit aufgewachsen, dass wir kein Auto haben, aber andere schon. Das prägt. Dadurch wird ein Gehirn konditioniert. Irgendwann hatte ich die Möglichkeit, mir Autos zu kaufen. Das ist eine Kompensation, sonst gar nichts. Ich hätte auch Steckenpferde daheim stehen haben können. Das Auto steht für Mobilität, erzwungene Mobilität. Denn das Auto, wie wir es verwenden, hat mittlerweile Strukturen zerstört.
SN: Inwiefern? Düringer: Unsere Städte schauen anders aus. Die Dörfer sind kaputt. Die Plätze, die es früher gegeben hat, die wichtig sind, weil sie soziale Funktionen haben, weil wir uns dort treffen und die Kinder spielen lassen können, die haben wir durch Kreisverkehre ersetzt. Das ist jetzt ein Raum für Autos, Platz für tote Materie. Die Kreisverkehre dienen aber einem höheren Ziel. Man kann dort viele Dinge hinstellen, die uns wieder in die Falle locken. Dort sitzt dann der Billa, der dm, der Media Markt, dort sitzt die OMV-Tankstelle, und der Autohändler sitzt auch dort. Da werden Bedürfnisse erzeugt.
Wir sind in der Situation, dass wir Bedürfnisse erzeugt bekommen anstatt Waren, die wir brauchen, und deswegen müssen wir ins Hamsterrad springen.
SN: Das heißt?
Düringer: Das heißt, wir haben uns als Gesellschaft selbst versklavt. Auch wenn wir das nicht so empfinden und sagen: "Es ist eh alles super" - ich finde das nicht so super, wenn ich sehe, wie es manchen Menschen geht, dieses Unglück, diesen Stress, dieses seelische Leid, das viele in sich tragen und das sie dann mit Äußerlichkeiten wie Extremurlauben oder Fallschirmspringen kompensieren.
Daher lautet die Antwort auf die Frage, was ein glückliches Leben ist: In der westlichen Welt, in der wir leben, wäre ein reduziertes Leben ein glücklicheres Leben. Reduktion hat nichts mit Verzicht zu tun. Im Gegenteil. Man gewinnt sehr viel, im besten Fall viel Zeit.
SN: Welches Szenario erwartet uns Ihrer Meinung nach?
Düringer: Man muss nur mit dem Auto nach Griechenland fahren. Da hat man ein Szenario und sieht, was passiert. Wenn eine kritische Grenze erreicht ist, wenn eine gewisse Anzahl von Jugendlichen arbeitslos ist. Die sind auf der Straße. Was sollen sie sonst machen?
Folge davon ist, der Staat wird sich wehren, er wird Bewaffnete auf die eigenen Leute schießen lassen. Das ist die Welt, wie sie ist.
SN: Es war laut in Ihrer Feststellung also schon einmal lustiger.
Düringer: In vielen Teilen der Welt sind die Leute auf der Straße, sie kämpfen für irgendetwas oder gegen irgendwen und bringen sich gegenseitig um. Schauen wir nach Afrika, China, Pakistan. Es scheppert überall. Aber das ist das Leben. Leider. Wir schauen uns das im Fernsehen an und vergessen, dass es bei uns in den 1930er-Jahren auch so war.
SN: Wie reagieren Sie darauf?
Düringer: Man muss versuchen, Zusammenhänge zu erkennen, um so die Gesamtsituation ungefähr abzuschätzen. Und dann musst du dir die Frage stellen: Was trage ich dazu bei? Tatsache ist: Alles, was nicht nachgefragt wird, wird nicht mehr produziert.
SN: Die tägliche Abstimmung als Konsument bringt Veränderung? Düringer: Wenn ich jeden Tag die Wahl treffe, ob ich mit dem Auto oder mit dem Öffi fahre, ob ich immer mein Handy mit dabei haben, immer erreichbar sein muss, ob ich alles kaufe, was angeboten wird - da habe ich sehr viel Macht. Und wenn ich mir dieser Macht bewusst bin und sie nütze, dann tue ich mir selbst schon etwas Gutes. Es gibt kein besseres Gefühl, als durch ein Einkaufszentrum zu wandern und einen Tag lang nichts gekauft zu haben. Das ist Macht.
SN: Düringer, der Gaudimax, entwickelt politisches Bewusstsein.
Düringer: Es ist eher eine spirituelle Betrachtung der Welt. Wichtig ist, dass man über viele Dinge reden kann, ohne zu politisieren und ohne zu ideologisieren. Kabarett: "WIR - Ein Umstand", Vortrag von Roland Düringer. Premiere: 23. 10., Stadtsaal Wien. Salzburg: 20. 11., republic.
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Interview aus den Salzburger Nachrichten: http://www.salzburg.com/nachrichten/oesterreich/...st-versklavt-33264
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