--button_text--
interessant
|
witzig
|
gut analysiert
|
informativ
|
Marcus Hammerschmitt 29.09.2006
Neulich hat sich angeblich Joseph Kony, der Anführer der ugandischen christlichen Metzelguerilla LRA (vgl. Metzeln im Namen Gottes (1)) im Sudan gestellt (2). Das wäre insofern ein Gewinn für die Menschheit und vor allem für die Ugander, als es den seit bald zwanzig Jahren andauernden Irrsinnsfeldzug der LRA theoretisch beenden könnte.
In globalem Maßstab wäre es immerhin ein kleiner Anlass zur Hoffnung, leider mehren sich aber auch die großen Anlässe zur Besorgnis. Mancher, der von christlichem Fundamentalismus in den USA hört, denkt gleich an George W. Bush, dessen Wissenschaftsfeindlichkeit, christliches Sendungsbewusstsein und religiös verschleierte Minderwertigkeitskomplexe so wohl dokumentiert sind, dass sie kaum noch einer Erwähnung bedürfen.
Die Konzentration der Kritik auf diesen sogenannten "mächtigsten Mann der Welt" und seine bigotte Entourage ist natürlich blödsinnig, denn er wird in seinem öffentlichen Wirken von der US-Verfassung, von einer mehr oder minder aufmerksamen Öffentlichkeit und selbst von seiner eigenen Partei beschränkt, zudem kann man auf sein baldiges Abtreten hoffen.
Echte Volksbewegung mit einem ungeheuren Rekrutierungspotenzial und enormer politischer Durschschlagskraft
Viel interessanter als Charaktermasken wie Bush sind doch immer die gesellschaftlichen Kräfte, für die sie stehen. Aber die christliche Bewegung, die einen Teil des Massenbasis des christlichsten aller Präsidenten darstellt, wird, wenn überhaupt, nur als eine Lobby gesehen, die in den Entscheidungszentren der Politik intrigiert.
Szene aus Jesus Camp. Bild: Magnolia Pictures
Die Wurzeln dieser Graswurzelbewegung finden selten Beachtung, obwohl sie gerade in den letzten Jahren einen enormen Zulauf verzeichnen kann. Möglicherweise interessieren sich die Medien für die Vorgänge im Unterholz nicht allzu sehr, weil man denkt, dass es sich dabei nur um eine Neuauflage der Zelt- und Fernsehpredigertriumphe aus den Achtzigern und Neunzigern handelt.
Folgt man aber Dokumentarfilmerinnen wie Heidi Ewing (3) und Sachbuchautorinnen wie Lauren Sandler, dann könnte das Missverständnis nicht größer sein. Während die evangelikale Szene der Vergangenheit vor allem von den Predigerstars geprägt wurde, die mit ihrem Charisma hauptsächlich bei der unteren weißen Mittelschicht Reibach machten, handelt es sich bei den neuen Hysterikern um eine echte Volksbewegung mit einem ungeheuren Rekrutierungspotenzial und enormer politischer Durschschlagskraft.
"Jesus Camp": mit Tarnfarben bemalte Kinder
Heidi Ewing und Rachel Grady haben für ihren Film "Jesus Camp" die Erweckungspredigerin Becky Fischer und ihre Kirche über ein Jahr lang bei ihren Aktivitäten begleitet, und schon beim Ansehen der Ausschnitte, die auf der Webseite zum Film (4) abgelegt sind, kann einem sehr blümerant zumute werden. Zwei Hauptmerkmale, die an allen Ecken und Enden feststellbar sind: die enorme Indoktrinationstiefe, die vor allem bei Kindern zum Tragen kommt, und die allgemeine Militanz.
Szene aus Jesus Camp. Bild: Magnolia Pictures
Man sieht in den Filmausschnitten mit Tarnfarben bemalte Kinder, die auf der Bühne vor ihren Eltern Kampftänze aufführen, man sieht Einpeitscher, die ihre kindlichen Zuhörer dazu animieren, "ihr Leben für Jesus zu geben", man sieht Zehnjährige, die im Tonfall von Sektenführern davon faseln, dass sie sich als Teil einer Schlüsselgeneration ansehen, was die Wiederkehr von Jesus betrifft.
In einer Szene erläutert Becky Fischer ihr Programm im Umgang mit der Jugend. Da der Feind (gemeint ist in diesem Fall der Islam) seine Kinder nicht nur mit ideologischem Rüstzeug ausstatte, sondern auch mit Handgranaten und Gewehren, sei es nur richtig, die eigene Jugend auf die Ernsthaftigkeit der kommenden Auseinandersetzung vorzubereiten. Die Faszination der Turbochristen für den islamischen Dschihad ist unverkennbar, sie scheinen es als Herausforderung zu begreifen, einen christlichen vorzubereiten.
"Entscheidender Einfluss auf die Zusammensetzung des US-Kongresses"
Dementsprechend sehen sich auch die Kinder und Jugendlichen, die dieser Gehirnwäsche ausgesetzt sind, als Teil einer göttlichen Armee, die Amerika in absehbarer Zeit wiederzuerobern habe. In "Jesus Camp" tritt auch Mike Papantonio (5) auf, ein bekannter Anwalt, der die evangelikale Szene seit Jahren bekämpft.
Er ist selbst praktizierender methodistischer Christ, begreift aber die evangelikale Massenhysterisierung als brennende Gefahr für die Säkularität der USA und warnt vor ihr, wo er nur kann.
Er ist der Ansicht, dass diese Bewegung bereits heute entscheidenden Einfluss auf die Zusammensetzung des US-Kongresses hat, genauso wie auf die Frage, wer Präsident wird - oder eben nicht. Haben Heidi Ewing und Rachel Grady einen propagandistischen Alarmfilm über diese Bewegung gedreht?
Becky Fischer findet sich und ihre Anliegen gut getroffen, sie weist in einer Stellungnahme gegenüber Glaubensgenossen darauf hin, dass sogar die Musik noch einmal komplett geändert worden sei, nachdem sie bei Testvorführungen dem evangelikalem Publikum zu "sinister" in den Ohren geklungen (6) habe. Die durch und durch sinistren Vorgänge, die der Film eingefangen hat, finden ihre ungeteilte Zustimmung.
Szene aus Jesus Camp. Bild: Magnolia Pictures
"Spiegelwelt" mit Skatern und Punks
Einen ähnlichen Ansatz wie die beiden Filmemacherinnen vefolgte die Journalistin Lauren Sandler für ihr Buch "Righteous" (7). Das Ergebnis ihrer Forschungsreise ist ernüchternd:
Ich habe mir immer gewünscht, dass meine Generation ein Anliegen aufgreift. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass es dieses Anliegen sein könnte.
Auch sie glaubt, dass es die neuen Evangelikalen eine fundamental-christliche Revolution in den USA wollen, sie ergänzt aber das Bild von Becky Fischer und ihrer Armee aus jugendlichen Gotteskriegern um eine weitere Facette. Nicht nur die Militanz und die Jugendlichkeit der Bewegung machen sie sprachlos, sondern auch die subkulturelle Variationsbreite, in der sie auftritt.
Ob einer Skater, Punk, bis über beide Ohren tätowiert ist - das spielt keine Rolle; was allein zählt, ist die Hinwendung zu "Jesus" und einer möglichst wörtlichen Auslegung der Bibel, als dem Buch, das alle Fragen beantwortet. Für jede säkulare Jugendbewegung steht eine christliche Variante zur Verfügung; Sandler spricht in diesem Zusammenhang von einer "Spiegelwelt" (8).
Die Rekrutierung funktioniert ihrer Erfahrung nach hauptsächlich über Mundpropaganda und persönlichen Kontakt. Allein die Tatsache, dass sie selbst so lange mit "wiedergeborenen" Christen unterwegs war und trotzdem nicht bekehrt wurde, sorgte in der Szene schon für großes Erstaunen, denn man rechnet dort fest mit der eigenen Unwiderstehlichkeit.
Rebellen gegen einen verderbten und verworfenen Status Quo
Interessant auch die Selbstwahrnehmung der jungen Leistungsbeter: Sie sehen sich als Rebellen gegen einen verderbten und verworfenen Status Quo, ihre Wissenschafts- und Vernunftsfeindlichkeit (insbesondere gegen die Evolutionslehre gerichtet) kommt antiautoritär daher. Das allerneueste Christentum, so Sandler, gewinnt Charisma, indem es sich cool gibt. Die kollegialen Rezensionen auf der entsprechenden Website eines Online-Buchhändlers (9) versuchen sich teilweise in Erklärungen für das Phänomen.
Wenn niemand anders Jugendarbeit anbiete, sei der Erfolg der neuen Evangelikalen nicht erstaunlich; dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen so fröhlich an einem klerikalen Faschismus für die USA bastelten, habe außerdem mit dem typischen jugendlichen Bedürfnis nach Gemeinschaft und Abgrenzung gegenüber der Elterngeneration zu tun. Das ist insofern interessant, als es wie die Begründungen für die aktuellen Erfolge der NPD im Osten Deutschlands klingt (vgl. Schmackhafte NPD-Bonbons (10)); soziale Verwahrlosung und faschistisch kostümierte "antiautoritäre" Impulse werden ja manchmal auch dort für das Anwachsen einer neuen Jugendkultur verantwortlich gemacht.
Es fragt sich, wie weit solche Erklärungsmuster bei den christlichen Möchtegernrebellen in den USA tragen, denen ein Präsident wie George W. Bush noch der liebste ist, wenn er ihnen auch noch lange nicht radikal genug vorkommt. Denn, wie "Jesus Camp" klar macht, stammen viele der jungen Gotteskrieger sehr wohl aus christlich-fundamentalistischen Familien. Von einem Abgrenzungsimpuls ist dort gar nichts zu erkennen; man kann höchstens hoffen, dass der noch kommt.
Wie geschickt jedenfalls die popkulturelle Dschihadisierung des Christentums auf der Klaviatur spezifisch jugendlicher Bedürfnisse spielt, kann man sich an Websites wie Teen Mania (11) ansehen. Angebote wie Battle Cry (12), die eher nach Entwicklungshilfe aussehen, werden komplettiert durch die Möglichkeit, sich in "Boot Camps" zu Soldaten der christlichen Mission ausbilden zu lassen ( "Gottes Armee" zur Rettung einer Generation (13)).
In Europa sucht die Jesus Revolution Army (14), über die Arte kürzlich eine reportage (15) sendete, nach neuen Mitgliedern. Das sind geschickt aufgezogene Unternehmen, die auf professionelles Design und Marketing setzen, Massenevents und Popmusik gehören immer mit dazu. Das Beispiel der durch und durch europäisch geprägten "Jesus Revolution Army" macht auch deutlich, dass sich täuscht, wer das ganze Erweckungsgedöhns auf speziell US-amerikanische Gegebenheiten zurückführen will.
Aus einem Videoclip von Battle Cry
Fundamental-christliche Jugendferienlager sind hierzulande längst keine Seltenheit mehr
Die christliche Wiederaufrüstung mit längst nicht nur ideologischen Waffen findet weltweit statt. In Indonesien sind jüngst christliche Milizenführer hingerichtet worden, die für den Tod Hunderter Moslems verantwortlich gemacht wurden. Ob es sich dabei um Extremisten (16) oder doch nur Katholiken (17) gehandelt hat, scheint eine Frage des Standpunkts zu sein.
Dass die Unruhen zwischen Christen und Moslems auf Sulawesi stattgefunden und eine ganze Menge Menschenleben gefordert haben, ist allerdings Konsens. Die größte kreationistische Konferenz des laufenden Jahres wurde nicht in den USA, sondern in Großbritannien inszeniert. Auch an vereinzelten deutschen Schulen wird der kreationistische Nonsens bereits gepredigt (18).
Fundamental-christliche Jugendferienlager sind hierzulande längst keine Seltenheit mehr, man muss sich nur einmal umschauen, entsprechende Angebote finden sich schnell. Von der Präsenz der islamisch-fundamentalistischen Fraktion ganz zu schweigen, die mittlerweile die Aufführbarkeit von Mozart-Opern in Berlin in Frage stellt.
Was ist eigentlich hier los? Erleben wir das Losbrechen eines weltweiten fundamentalistischen Fiebers, das besonders Islam und Christentum erfasst hat, und nun als wahre "Anti-68er-Bewegung" dem Säkularismus den Garaus machen will? So weit müssen die jüngsten Entwicklungen zur Fundamentalisierung der Religionen nicht reichen, unbehaglich sind sie allemal.
Telepolis Artikel-URL: http://www.telepolis.de/r4/artikel/23/23640/1.html
hier bei Ariva mal Deine Augen.
Ausdrücklich hiess es bei mir:
BeMi | 25.10.06 15:18 |
ist doch zur Zeit nur der militante Islam eine Gefahr. Ansonsten gilt immer noch: ?Jeder soll nach seiner Façon selig werden!? |
Gruß BarCode
..auch krude Gedanken haben hier ihren Platz:
Kolumne
Richard Dawkins, Zoologe von der Oxford-Universität, hat ein Buch geschrieben, das es im angelsächsischen Sprachraum sofort auf die Bestsellerlisten schaffte. Es heißt ?The God Delusion? und fordert zur Abkehr vom Glauben auf. Der biblische Gott, erklärt der Wissenschaftler, sei ein rassistischer, völkermordender, bösartiger Tyrann, der abgeschafft gehöre; der Mensch könne auch ohne Gott ?sittlich und geistig ausgefüllt? sein.
Der Grimm des Professors erklärt sich daraus, dass er als Evangelist der Evolutionstheorie gewissermaßen Krieg gegen die in Übersee starke Gruppe der so genannten Kreationisten (also Schöpfungsgläubigen) führt. Hierzulande würde er damit offene Türen einrennen. Aber da Dawkins, wenngleich nur aus der Warte des Naturwissenschaftlers, die Gottesidee schlechthin für Unsinn hält, räumt er gemeinsam mit Jahwe auch Allah ab, so dass seine These automatisch politisch wird. Er stimmt ein in den Chor derer, die meinen, eine total säkularisierte Welt ohne Religion und Gott wäre die bessere.
Zunächst: Gewiss ist der Gott des alten Testaments ein arger Geselle mit seinem Blutdurst und seinen Vernichtungsdrohungen gegen die anderen Völker, aber erstens ist es unsinnig, die zivilisatorische Frühgeschichte mit den humanistischen Maßstäben von heute zu messen (die sich übrigens allesamt aus den Religionen entwickelt haben), zweitens sind es die Juden in den Konzentrationslagern gewesen, die an Jahwe glaubten, während ihre Mörder Gott abgeschworen hatten. Dasselbe galt für die sowjetischen, rotchinesischen und kambodschanischen Massenmörder.
Dass sowohl Nationalsozialisten als auch Kommunisten dennoch an eine veritable Heilslehre glaubten, illustriert das anscheinend unzerstörbare Bedürfnis der meisten Menschen nach irgendeiner Form von Transzendenz. Wie sämtliche menschlichen Bedürfnisse kann auch das spirituelle entarten und pervertieren; heutzutage lässt sich das am Islamismus studieren, aber auch im manischen Machbarkeitsglauben und der angemaßten Welterklärungskompetenz gewisser Forscher und Techniker glimmt ein quasireligiöser Kern.
Überdies und trotzdem existiert die Judenheit bis heute. Bislang hat noch kein einziges irreligiöses Volk seine Überlebensfähigkeit unter Beweis gestellt. Überlebensfähigkeit muss sich generationenlang beweisen. Es bedeutet, dass man jederzeit für die Enkel mitzudenken willens und imstande ist. Religiöse Völker sind fruchtbar, während namentlich der ?aufgeklärte? Westen derzeit schon an der Produktion von Kindern zu scheitern scheint. Krass formuliert: Die irreligiöse Biomasse nimmt wieder ab. Dialektik der Aufklärung?
Gewiss aber auch: Die Wissenschaft ist zu gewaltigen Taten und fundamentalen Erkenntnissen fähig. Kein Informierter wird mehr die Evolutionstheorie als Ganzes bestreiten wollen (auch wenn mir niemand erklären kann, warum irgendein Farnkraut 50-mal mehr Chromosomen besitzt als der Mensch), die Natur zeigt eine evidente Tendenz zum Komplexen, auch im Anorganischen, und wir, die wir das wunderbar höchstkomplexe Gehirn besitzen und dies alles erkennen können, dürfen stolz darauf sein. Durch uns gespiegelt, gewinnt die Natur Gestalt. ?Was wäre dein Glück?, ruft Nietzsches Zarathustra der Sonne zu, ?wenn du nicht die hättest, welchen du leuchtest!?
Nun ist für den einen die Sonne ein brennender Heliumballon, für den anderen ein Mysterium. Für den einen ist ein Baum ein potenzieller Bretterstapel, für den anderen ein Wunder. Beide Ansichten gemeinsam machten bislang den Menschen aus, am sinnfälligsten verschmolzen in den zahllosen gewagten Bauten zum Preis Gottes, welche die Erdoberfläche, im Gegensatz zur meisten Profanarchitektur, tatsächlich zieren. Wenn aber nur noch der Heliumball und der Bretterstapel gelten, wird die Welt eine Hölle.
Alle menschlichen Theorien sind ungenügend und alle menschlichen Konkurrenzprodukte jenen der Natur, beispielsweise dem Faden einer Spinne oder dem Flugapparat einer Libelle, lächerlich unterlegen. Wir sind immer nur dabei, ?mit einer Taschenlampe das Universum zu untersuchen? (Rudolf Bahro). Dieses Gefühl des Eingebundenseins in ein überlegenes Großesganzes legitimiert zumindest die Frage nach Gott bzw. dem Göttlichen. Der gläubige Mensch hat ein anderes Verhältnis zur Natur oder eben Schöpfung als der im Machbarkeitsrausch dahinschießende technikfixierte Agnostiker; das wiederum kann man derzeit am besten in China beobachten, wo unter dem globalen Beifall der Neoliberalen ein Land ?Anschluss findet?, indem es seine Religion und Tradition aufgibt und seine Umwelt ruiniert. Ohne Demut ist die Vernunft entfesselt und kein Segen mehr.
Gott ist eine These. Sie ist nicht beweisbar (der ontologische Gottesbeweis fragt schlau, woher dann der Begriff komme, wenn das dazugehörige Etwas nicht existiere; zur Beantwortung dieser Frage müssen wir warten, wie es sich mit den Außerirdischen verhält). Kant hat Gott bekanntlich aus der reinen Vernunft verbannt und in die Sphäre der praktischen Vernunft verwiesen. Wir Luxusweltenbewohner der Neuzeit sollten nicht vergessen, was für ein mächtiger Verbündeter Gott für unsere Altvordern war. Wie anders hätten sie das Elend der frühen Jahrhunderte ertragen sollen: Seuchen, Kriege, Kindersterben, Naturkatastrophen, Parasiten, chronische Krankheiten, Operationen ohne Narkose, Geburten ohne PDA und die ständige Anwesenheit des Teufels in den finsteren Nächten? Es gäbe uns nicht ohne diesen Gott.
Die Wissenschaft hat viele Plagen eingeschränkt, sterblich und erlösungsbedürftig ist Homo sapiens sapiens geblieben. Der Mitmensch sollte also glauben dürfen, was er mag; wenn ihm Gott hilft, desto besser. Wir anderen mögen zusehen, wie wir ohne ihn klarkommen. Mit einem gerechtfertigten modernen Reflex verbitten wir uns, missioniert zu werden, aber wir sollten auch niemanden mit unserem Atheismus missionieren, dessen Überlebensfähigkeit, ich wiederhole mich, nicht bewiesen ist.
In der praktischen Vernunft ist Gott unter anderem der Bezugspunkt für Demut und Ethik. Fehlt er nämlich, dann ist ? mit dem berühmten Wort Dostojewskis ? ?alles erlaubt?. Eine verbindliche Moral lässt sich aus Gesetzen und Strafandrohungen herleiten, eine verbindliche Ethik nie. ?Glaubt man nicht an Gott, ist das einzig Anständige der vulgäre Utilitarismus, alles andere ist Rhetorik?, schreibt der Aphoristiker Nicolás Goméz Dávila. Die Frage aller Fragen lautet heute: Warum soll sich der Einzelmensch den irdischen Ressourcen gegenüber anders verhalten als eine Wanderheuschrecke?
Man mag vom Islam halten, was man will ? aber sich fünfmal am Tag zu neigen, vor Gott oder dem Weltall oder wovor auch immer, das ist keine schlechte Idee. Vielleicht täte es Leuten wie Richard Dawkins oder seinem Biotech-Kollegen Craig Venter gut, dies hin und wieder zu tun, sozusagen zur Hybris-Prophylaxe. Das Gewicht dieser Welt lässt sich am Ende nämlich ? nochmals Dávila ? ?nur tragen, wenn man niederkniet?.
Aktien kaufen zu
Top-Konditionen
Aktien, ETFs, Derivate, Kryptos und mehr ? jetzt für 0 Euro pro Trade handeln (zzgl. marktüblicher Spreads)!
Jetzt informierenOskar ist der einfache und intelligente ETF-Sparplan. Er übernimmt die ETF-Auswahl, ist steuersmart, transparent und kostengünstig.
Sitemap - Datenschutz - Disclaimer - AGB - Privatsphäre-Einstellungen