Geldanlage-Brief - Versatel kein Investment wert
14:04 20.04.07
Harthausen (aktiencheck.de AG) - Die Experten vom "Geldanlage-Brief" sehen bei der Aktie von Versatel (ISIN DE000A0M2ZK2/ WKN A0M2ZK) ein unattraktives Chance/Risiko-Verhältnis.
Versatel sei ein klassischer Telekommunikations-Anbieter. Das als Holdinggesellschaft erst vor zwei Jahren gegründete Unternehmen, unter dessen Dach zahlreiche regionale Netzbetreiber eingegliedert seien, habe sich auf den deutschen Breitbandmarkt spezialisiert: Versatel verfüge über ein 35.000 Kilometer langes Glasfasernetz, über das Privat- und Geschäftskunden Zugang zu Festnetz und Internet erhalten würden. Das Unternehmen sei bislang in 28 der 50 größten Städte vertreten und erreiche dort mit derzeit 300 Hauptverteilern einen Marktanteil von durchschnittlich 18 Prozent. Doch man solle sich davon nicht blenden lassen. Im deutschlandweiten Vergleich rangiere Versatel unter ferner liefen. Der Marktanteil: maue 1,8 Prozent.
Die wichtigste Nachricht für einen als Anleger: Versatel habe per Ende Februar einen Schuldenberg von nicht weniger als 800 Mio. Euro vor sich hergeschoben und stecke überdies tief in den roten Zahlen. In 2006 hätten die Düsseldorfer mit rund 600.000 Kunden 666 Mio. Euro umgesetzt, ein Plus zum Vorjahr von knapp 22 Prozent. Das um Einmaleffekte bereinigte Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) sei von 142 auf 212 Mio. Euro geklettert. Unterm Strich habe Finanzvorstand Brian Cook allerdings einen deftigen Fehlbetrag von 51,7 Mio. Euro bilanzieren müssen, wobei allein die Zinsbelastung mit 64 Mio. Euro zu Buche geschlagen habe.
Versatel habe sich für einen Börsengang an den hoch reglementierten Prime Standard entschieden und dürfte vermutlich schon im September in den TecDAX aufrücken. Das IPO sei nicht unproblematisch. Es würden zwei gegenläufige Interessen konkurrieren. Zum einen wolle das Unternehmen mit den Einnahmen einen möglichst großen Teil des Schuldenberges abtragen. Zum anderen wolle der Großaktionär Apax Partners, der bislang neunzig Prozent der Anteile halte, Kasse machen.
Zum IPO gebe es eine Kapitalerhöhung um 14 Millionen Aktien. Hinzu komme, inklusive Mehrzuteilungsoption, eine Umplatzierung von Apax im Volumen von bis zu 14,5 Millionen Aktien. Summa summarum würden also bis zu 28,5 Millionen Papiere, mithin 65 Prozent, in den Streubesitz gehen. In der Mitte der von 29 bis 36 Euro reichenden Preisspanne dürfte Versatel, sofern der Börsengang gelinge, abzüglich Emissionskosten frisches Eigenkapital von 425 Mio. Euro erhalten.
Mit Versatel bringe der Finanzinvestor Apax Partners ein hoch verschuldetes Unternehmen an die Börse, dessen Emissionserlös zu gut drei Vierteln in die Schuldentilgung fließen werde. Für die Wachstumsfinanzierung bleibe daher nur ein geringer Spielraum. Versatels weitere Entwicklung stehe und falle folglich mit der Entwicklung des deutschen Breitbandmarktes. Und der dürfte nach Einschätzung der Gartner Group in den nächsten drei Jahren um kaum mehr als sieben Prozent pro Jahr wachsen.
Nach Einschätzung der Konsortialbank Credit Suisse sollte Versatel in 2007 netto 44,5 und in 2008 72 Mio. Euro verdienen. Auf Basis dieser Schätzung, die man bitte in der Nähe des Best-Case-Szenarios ansiedeln solle, bezahle man den TK-Aspiranten bereits im unteren Drittel der Preisspanne mit einem stattlichen Kursgewinnverhältnis (KGV) von 36 für 2007e beziehungsweise 22 für 2008e. Der französische Branchennachbar Neuf Cegetel, seines Zeichens in punkto Geschäftsmodell und Bilanzierung der einzige Vergleichswert, bringe es für das laufende Geschäftsjahr auf ein KGV von rund 20.
Anstatt mit einem Preisabschlag komme Versatel aller Voraussicht nach mit einem Aufschlag an die Börse. Für ein Unternehmen, dessen Schulden den Jahresumsatz übersteigen würden, sei den Experten dies zu viel.
Gleichwohl Versatel bei einer Konsolidierung des deutschen Telekommunikationsmarktes auf längere Sicht zu einem Übernahmeziel von Telefónica, Telecom Italia & Co. avancieren könnte, raten die Experten vom "Geldanlage-Brief" selbst spekulativen Anlegern einstweilen von einem Investment ab. Denn wäre Versatel auf Basis des (geschätzten) Emissionspreises für die südeuropäischen Wettbewerber attraktiv, hätte Apax sicher keinen Exit über die Börse gewählt, sondern die Anteile direkt ins Portfolio eines oder mehrerer Interessenten gebucht. (Analyse vom 20.04.2007) (20.04.2007/ac/a/n)
Quelle: aktiencheck.de
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