Der Immobilienwirtschaft droht ein Desaster Volle Besteuerung von Veräußerungsgewinnen Von Michael Höfling Berlin - Die Aktionäre haben aufgeschrien, die Immobilienwirtschaft auch. Doch die vollständige Besteuerung von Aktienkursgewinnen und die Kürzung der Wohnungsbauförderung sind nicht einmal die schlimmsten Aspekte des rot-grünen Spar- und Streichungswahns. "Viel härter wird es private Immobilieninvestoren treffen", glaubt der Hamburger Steuerfachanwalt Justus Fischer-Zernin. "Wenn diese Pläne so durchkommen, wird das ein Desaster für den Immobilienmarkt, das letztlich sogar bis auf die Gesamtwirtschaft durchschlagen kann."
Praktisch alles, was dem "Betongold" bisher aus steuerlicher Sicht seinen Glanz verlieh, steht nun auf der Streichliste der Bundesregierung. Der entscheidende Punkt ist dabei aus Sicht des Anwalts die volle Besteuerung von Veräußerungsgewinnen. "Bisher konnte ein Immobilienbesitzer ein Objekt, das er mindestens zehn Jahre gehalten hat, ohne Steuerbelastung verkaufen", so Fischer-Zernin. Diese Steuerfreiheit sei bisher einer der wesentlichen Faktoren der Immobilienrendite. Diese Bastion der Steuerfreiheit von Immobilienverkäufen außerhalb der mittlerweile von zwei auf zehn Jahre verlängerten Spekulationsfristen wurde bereits in der Vergangenheit immer wieder einmal attackiert, hielt aber allen Anstürmen angriffswilliger Politiker stand.
Auch der Landesverband Hessen des Rings Deutscher Makler übt scharfe Kritik an den Plänen der Bundesregierung. "Das ganze Finanzierungspaket, das in Berlin geschnürt wird, ist kurzsichtig und stümperhaft", so der Verband. Nachdem sich der Soziale Wohnungsbau als ein absolutes Auslaufmodell darstelle, das die Kommunen nicht mehr finanzieren könnte, werde nun auch noch der private Wohnungsbau und -erwerb erschwert. "Wohnraum wird noch knapper werden, was wiederum explodierende Mieten nach sich zieht, weil sich private Investoren ganz aus der Finanzierung von Wohnraum zurückziehen werden", prophezeit der RDM Hessen.
Da wahrscheinlich steuerschonende Ausweichgestaltungen nur bis zum 31.12.2002 möglich sein werden, der Gesetzentwurf aber erst am 20. November vom Kabinett verabschiedet werden soll, hängen Immobilieninvestoren ziemlich in der Luft. Welche Schritte können sie jetzt einleiten?
"Ein Verkauf der Immobilie im Familienkreis hat den Vorteil erhöhter Anschaffungskosten beim erwerbenden Familienmitglied, der dadurch höhere Abschreibungen geltend machen kann", so Fischer-Zernin. "Allerdings stellen die Gerichte hier strenge Formalanforderungen, und bei einer erforderlich werdenden Kreditablösung können Vorfälligkeitsentschädigungen anfallen."
Zweite Möglichkeit: Die Einbringung des Objekts in eine "eigene Immobiliengesellschaft". Das hat den Vorteil erhöhter Anschaffungskosten bei der im steuerlichen Sinne anschaffenden Gesellschaft und bewirkt höhere Abschreibungen bei dieser und dem Gesellschafter - also dem ehemaligen, direkten Eigentümer. Auch fallen dabei weniger Steuern auf einen späteren Veräußerungsgewinn an, da der steuerliche Einstandspreis höher war. Nachteil sind auch hier mögliche fällige Vorfälligkeitsentschädigungen. Außerdem ist Eile geboten, um die erforderliche Gestaltung noch bis Jahresende unter Dach und Fach zu bringen.
"Bloß kein Aktionismus"
"Wir sollten mal die Kirche im Dorf lassen", sagt Hanno Kiesel von Ernst & Young zu den Plänen der Bundesregierung, Aktienkursgewinne künftig voll zu besteuern. "Ich erwarte, dass dieses Vorhaben auf jeden Fall noch durch den Vermittlungsausschuss muss, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen." Insofern rät Kiesel Anlegern, jetzt bloß nichts zu übereilen. "Fraglich ist ja auch die Verfassungsmäßigkeit, wenn das neue Verfahren auch rückwirkend gelten soll", so Kiesel weiter. Er halte es für möglich, dass die Regierung ihr Vorhaben nach dem vernichtenden Echo in der Öffentlichkeit noch einmal überdenkt, so dass am Ende möglicherweise ein Kompromiss zu Stande kommt, der über hohe Freibeträge zumindest die Kleinsparer nicht zu stark treffe. "Denn diese Pläne, wenn sie auch für Fondsanteile gelten sollten, konterkarieren natürlich alle über die Jahre aufgebauten Bemühungen, die Altersvorsorge auch über die Anlageform Aktie attraktiver zu machen", meint der Consultant.
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