Im Grunde ist diese Begründung die gleiche, die man auch heranzieht, wenn man Nackt-Herumlaufen oder Sex in der Öffentlichkeit verbietet. Es ist also nicht neu. Der Autor des Artikels übertreibt, wenn er von einer "Tyrannei des Gemeinsinns" spricht. Auch könnte man die vom Gericht gelieferte Begründung nicht für ein Minirock-Verbot heranziehen, da ein Minirock nicht "offene zwischenmenschliche Beziehungen infrage" stellt, wie es eine Gesichtsvermummung tut.
Ich persönlich hätte ein Burka-Verbot aufgehoben (wie der schwedische und der deutsche Richter das wollten). Eine freiwillig von einem Erwachsenen getragene "beidseitige Kapuze" pauschal als Verletzung der "Gleichbehandlung und Menschenwürde" des Trägers einzustufen und ihn zu zwingen diese in der Öffentlichkeit abzulegen, halte ich für zu weit hergeholt. (Und warum es nur in der Öffentlichkeit verbieten, wenn es so böse ist?) Die Menschenwürde des Einzelnen enthält doch die Freiheit, sich die Kleidung selber auszusuchen. Die Behauptung, dass es nicht freiwillig geschieht, ist erstmal Spekulation und müsste im Einzelfall nachgewiesen werden. Das hat das Gericht ja offenbar auch so gesehen und einen anderen Grund gesucht. Das war schlau vom Gericht, denn die gelieferte Begründung (Verletzung sozialer Normen des offenen Miteinanders) kann man viel schwerer angreifen, würde ich sagen.
Es gibt übrigens auch Frauen, die sich im christlichen Bereich unter der Kleidung so eine Art Kette ans Bein binden, die ins Fleisch schneidet, um Buße zu tun (Selbstkasteiung). So was wird gar nicht thematisiert.
|