Greenpeace-Teams messen der Region um den japanischen Katastrophenreaktor Fukushima die Strahlung. Der japanischen Regierung wirft die Organisation Untätigkeit vor. Sie könne "nicht so tun, als gehe das Leben einfach weiter". Nicht einmal kontaminierte Spielplätze seien geschlossen worden. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat der japanischen Regierung vorgeworfen, die Bevölkerung nicht ausreichend vor der Radioaktivität aus den zerstörten Reaktoren von Fukushima zu schützen. "Die Menschen in Fukushima City und in Koriyama müssen Langzeitfolgen befürchten, Kinder sind besonders gefährdet", sagte der Leiter des Klima- und Energiebereichs von Greenpeace, Thomas Breuer. Die Informationspolitik der Behörden sei "katastrophal" und setze die Menschen einem "hohen Risiko" aus, sagte Breuer nach seiner Rückkehr aus dem betroffenen Gebiet. Greenpeace-Teams messen dort die Strahlung. "Die japanische Regierung muss endlich handeln. Es fehlen klare Informationen und ausreichende Maßnahmen, um die Bevölkerung zu schützen. Die Regierung kann nicht so tun als gehe das Leben einfach weiter", fügte Breuer hinzu. In den von radioaktivem Fallout betroffenen Regionen, die außerhalb des offiziellen Evakuierungsradius von derzeit 20 Kilometer rund um das zerstörte Kraftwerk lägen, seien nicht einmal einfachste Schutzmaßnahmen wie die Sperrung von Kinderspielplätzen oder Parks getroffen worden, kritisierte Breuer. Die Strahlenbelastung sei aber auch weit außerhalb der 20-Kilometer-Zone teils bedenklich. Zumindest die am stärksten verseuchten Orte müssten evakuiert, andere so gut wie möglich dekontaminiert und gereinigt werden, sagte der Experte. "Dramatische Zahlen" Blick über die Stadt Futaba in der Präfektur Fukushima. (Foto: AP) Im Zentrum der Stadt Fukushima, 60 Kilometer vom Atomkraftwerk entfernt, habe Greenpeace in den vergangenen Wochen im Schnitt Strahlenwerte von drei Mikrosievert pro Stunde gemessen. Das bedeute, dass ein Mensch in zwei Wochen die zulässige Jahresdosis abbekomme. In den am stärksten verstrahlten Orten wie dem Dorf Itate seien Werte von fast 50 Mikrosievert je Stunde erreicht worden. Dort werde die Jahresdosis in rund zwei Tagen erreicht. "Das sind dramatische Zahlen", sagte Breuer. Auf sandigen oder erdigen Böden, etwa auf Spielplätzen, ist die Belastung besonders hoch, weil sich radioaktive Partikel darin gut verfangen. In dem Atomkraftwerk Fukushima 1 waren nach der verheerenden Erdbeben- und Tsunamikatastrophe vom 11. März mehrere Atomreaktoren außer Kontrolle geraten. Es kam zu Explosionen und Bränden, es trat massiv Radioaktivität aus. Inzwischen stufen die Behörden das Atomunglück auf der höchsten Stufe der internationalen Ines-Störfallskala ein. Es liegt damit gleichauf mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986. Japans Regierung erwägt mittlerweile, die Evakuierungszone über die 20 Kilometer hinaus partiell auszuweiten. In einer Zone zwischen 20 und 30 Kilometern um das Akw sind Bewohner bereits aufgerufen, sich freiwillig in Sicherheit zu bringen. Nach Einschätzung des Akw-Betreibers Tepco wird es voraussichtlich noch Monate dauern, bis die Lage in Fukushima sich stabilisiert. "Bauern werden im Stich gelassen"Anders als 1986 rund um Tschernobyl gebe es bei Fukushima keine Kontrollen des Verkehrs, kritisierte Breuer. Obwohl mitten durch das Gebiet eine stark befahrene Fernroute führe, gebe es keine Radioaktivitätsmessungen an den Fahrzeugen. Auch die Bauern würden mit dem Strahlenproblem allein gelassen. Sie erhielten keine Informationen darüber, was sie mit ihren Feldfrüchten machen und wie sie mit dem kontaminierten Land in Zukunft umgehen sollten. Ein Dosimeter misst die Strahlung an einer Grundschule in Kawamata in der Präfektur Fukushima. (Foto: dpa) Bei Untersuchungen fanden die Greenpeace-Experten in den vergangenen Wochen im Umkreis von Fukushima schon mehrfach kontaminierte Lebensmittel, sogar in Supermärkten. Die japanische Regierung müsse endlich ein flächendeckendes Kontrollsystem für Nahrungsmittel rund um Fukushima auf die Beine stellen, forderte Breuer. "Die Probleme werden noch über Jahrzehnte in der Region sein." "Strahlung steigt weltweit an"Greenpeace warnte auch vor einer weltweit steigenden Strahlenbelastung als Folge der Atomkatastrophe. Der Plan des Kraftwerkbetreibers Tepco zur Bekämpfung des Unfalls in den kommenden neun Monaten beruhe auf unbekannten Grundlagen, erklärte der Greenpeace-Experte Christoph von Lieven. Es werde voraussichtlich etwa drei Monate dauern, durch das Schließen von Lecks das Austreten von Radioaktivität aus der Anlage im Nordosten des Landes zu verringern, hatte Tepco-Chef Tsunehisa Katsumata gesagt. Danach werde es wohl noch weitere drei bis sechs Monate dauern, "bis wir die radioaktiven Lecks auf ein sehr geringes Maß zurückfahren können", indem die Temperatur in den Reaktoren und in den Abklingbecken für gebrauchte Brennstäbe gesenkt werde. "Was Tepco hier sagt, ist einfach unseriös", sagte von Lieven. "Das einzige, was im Moment klar ist, ist, dass weiter Radioaktivität austritt." "Wir sind uns nicht sicher, ob wir damit nicht noch Jahre zu tun haben. Und das ist ein weltweites Problem. Wir werden weltweit eine erhöhte Strahlenbelastung haben", sagte der Umweltschützer. Die sogenannte Hintergrundstrahlung werde weltweit weiter steigen. Auch manche Lebensmittel seien belastet. Das Ausmaß dieser Entwicklung sei noch nicht abzuschätzen, fügte von Lieven hinzu. AFP/dpa
|