Ecuador: Chávez-Lehrling übertrifft seinen linken Meister
Präsident Correa verstaatlicht die Medien, um ein Verfassungs-Referendum zu gewinnen.
Es ist ein trickreiches Musterstück des Latino-Linkspopulismus, das Ecuadors Staatschef Rafael Correa gerade vorführt. Diese Woche ließ er handstreichartig 195 Firmen verstaatlichen – und übernahm dabei auch die Kontrolle über vier private Fernsehkanäle. Ihre Büros wurden von der Polizei gestürmt, die Nachrichten verkünden nun Redakteure des Staatsfernsehens. Doch diese massive Intervention ist durchaus populär, denn die Besitzer der betroffenen Unternehmen gehören zu den meistgehassten Bürgern des Andenstaats. Die Bankiers Roberto und William Isaías hatten 1998 eine von ihnen geführte Großbank in die Pleite geführt und damit weitere 20 Geldinstitute, die Hälfte der Bankenbranche Ecuadors, in den Ruin getrieben. Das ganze Land stürzte in die schwerste Finanzkrise seiner Geschichte, die unzählige Existenzen vernichtete. Der Staat musste mit 660 Millionen Dollar intervenieren, die er sich nun zurückholen will. Aber auch viele der 13,5 Millionen Ecuadorianer empfanden es als Skandal, dass die Brüder zehn Jahre lang straffrei blieben und aus dem bequemen Exil in Miami ihre Geschäfte in der alten Heimat weiter betreiben konnten.
Nun sollen die konfiszierten Betriebe schnell versteigert werden und der Gewinn den seinerzeit Geschädigten zu Gute kommen. „Ich habe keinerlei Interesse, diese Güter zu verwalten“, erklärte der Staatschef, ein in den USA promovierter Ökonom. Das gelte auch für die populären TV-Stationen Gamavisión, TC Televisión, CN3 und CN7.
597 Sendern droht das Aus
Nur – was heißt schnell? Hier kommt die Politik ins Spiel. Im September stimmt das Volk über eine neue Verfassung ab. Sie soll den verschwommenen Ideen von einem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ eine gesetzliche Basis liefern – und dem Präsidenten mehr Macht sichern. Noch hat das Projekt in den Umfragen eine Mehrheit, doch das Lager der Gegner wird täglich größer.
Kritische Berichterstattung kann Correa in dieser Situation nicht gebrauchen. Kein Wunder, dass die Opposition hinter der Erstürmung der TV-Sender ein Kalkül des Präsidenten wittert. Er wolle sich zumindest bis zu dem entscheidenden Referendum die Kontrolle über die vier beliebten TV-Kanäle sichern.
„SOS – Meinungsfreiheit“ steht auf dem Transparent, das aus den Fenstern von Gamavisión in der Hauptstadt Quito flattert. Dabei galt der Sender nie als Speerspitze der Opposition. Eine flexible Blattlinie war den Geschäften der Bankrott-Bankiers allemal förderlicher. Dennoch feuerten die neuen Verwalter den Nachrichtenchef mit der Begründung, dass sie mit seiner redaktionellen Linie nicht einverstanden seien. Doch das war erst der Anfang. In der Wirtschaftsmetropole Guayaquil schlossen die Behörden das kritische Radio Sucre, das mit den Isaias-Brüdern gar nichts zu tun hat. Seine Lizenz wird nicht verlängert, weil es über nicht genehmigte Frequenzen gesendet habe.
Minister tritt aus Protest zurück
Das weckt Erinnerungen an Venezuela, wo vor einem Jahr Hugo Chávez dem größtem TV-Privatkanal RCTV ebenfalls die Lizenz nicht verlängert hatte. Heute wird über diesen Sender Chávez' bolivarische Revolution verkündet. Doch Correa, sein Bruder im Geiste, scheint noch ehrgeizigere Pläne zu haben. Denn gestern wurde bekannt: Nicht weniger als 597 Radio- und Fernsehstationen werden gerade überprüft. Bei der Suche nach „Unregelmäßigkeiten“ ist die Kontrollbehörde Conartel ziemlich kreativ: Lizenzen seien „falsch vergeben“ worden, die Sender hätten ihre Lizenzgebühren „nicht rechtzeitig gezahlt“ oder erfüllten einfach die „technischen Anforderungen“ nicht.
Einem Politiker zumindest wurden diese durchsichtigen Manöver zu viel: Der international angesehene Finanzminister Fausto Ortiz trat aus Protest gegen die Erstürmung der TV-Sender zurück.
VERFASSUNGS-KÄMPFE ■Die linken Präsidenten der Andenstaatenwollen ihren „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ in neuen Verfassungen festschreiben. Mit wenig Erfolg:
■Hugo Chávez erlitt in Venezuela bei einem Referendum Ende 2007 eine knappe Niederlage.
■Evo Morales spaltet mit seiner „Magna Charta“ Bolivien.
■Rafael Correas Grundgesetz droht im September bei den Bürgern Ecuadors abzublitzen.
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