Insolvente Immobiliengruppe Agiv wird zerschlagen Entscheidung über Verkauf der Tochter Deutsche Real Estate noch diese Woche - Auch Hamburger Rickmers-Reederei interessiert Die insolvente Hamburger Immobiliengruppe Agiv Real Estate steht vor der Zerschlagung. So soll noch in dieser Woche nach Informationen der WELT über den Verkauf ihrer Tochter Deutsche Real Estate entschieden werden.
"Eine endgültige Entscheidung wurde noch nicht getroffen, da es aufgrund der erforderlichen Auswertung der sehr komplexen Angebote noch einer sorgfältigen Prüfung und Rücksprache bei den Bietern bedarf", teilte das Unternehmen mit. "Wir gehen aber davon aus, daß es im Laufe der Woche zu einer Entscheidung kommt." Der Agiv-Vorstand und der Insolvenzverwalter prüfen das Angebot für die nicht-insolvente Tochter. Nach Angaben aus Unternehmenskreisen und einem Bericht des "Platow Brief" liegen Offerten unter anderem von der Bonner Immobilien-Holding IVG, Goldman Sachs/Whitehall, der Citigroup, der Hamburger Rickmers-Reederei sowie einem britischem Fonds vor.
Die Sanierung der Agiv war im Mai gescheitert. Im Zentrum des Interesses ist die Deutsche Real Estate (Dreag), die über Gewerbeimmobilien im Wert von über 500 Millionen Euro verfügt.
Die im Nebenwerte-Index MDax notierten IVG-Aktien lagen vor diesem Hintergrund zum Wochenanfang bereits um 3,2 Prozent höher bei 15,64 Euro und erreichten zeitweise ein Jahreshoch bei 15,77 Euro. Getrieben wurden die IVG-Titel Händlern zufolge von den Spekulationen auf eine Dreag-Übernahme. "Eine mögliche Übernahme der Immobilien wird von Anlegern positiv gesehen", sagte ein Händler. Ein IVG-Sprecher sagte: "Wir prüfen weiter das Agiv-Portfolio und haben Interesse daran." Die Entscheidung liege aber beim Insolvenzverwalter.
Die Agiv-Gruppe war im vergangenen Jahr finanziell in Bedrängnis geraten und hatte im Dezember Insolvenz angemeldet. Wegen Wertberichtigungen auf Aktien des zusammengebrochenen US-Telekommunikationskonzerns Worldcom hatte das Hamburger Unternehmen 134 Millionen Euro Verlust gemacht. Außerdem war die Gruppe wegen einer Millionenforderung der Frankfurter Wayss & Freitag-Gruppe (W&F) in Bedrängnis geraten.
Die Firmengeschichte der Agiv reicht bis 1998 zurück. Damals übernahm der Hamburger Geschäftsmann Rainer Behne mit Partnern den Börsenmantel der 1920 gegründeten Kühltransit AG Hamburg. Verkäufer war die WCM AG, die weiter beteiligt blieb. Aus der Kühltransit wurde die HBAG Real Estate AG. Die WCM wiederum ging aus der Geestemünder Bank (Bremen) hervor; die Geestemünder Verwaltungs- und Grundbesitz AG wurde zur Deutschen Real Estate AG, die heute für die Immobilienbestände des Konzerns verantwortlich ist. Als nächsten Baustein übernahm die HBAG im Jahr 2000 die Adlerwerke, die zur Adler Real Estate AG wurden, zuständig für die Projektentwicklung. Der Immobilienunternehmer Roland Ernst, der zunächst noch zu 48 Prozent an Adler beteiligt war, schied im Zuge einer aufsehenerregenden Pleite aus.
Im Mai 2001 übernahm die HBAG 50,05 Prozent an der Agiv, im Juli 2002 wurden die alte Agiv und die HBAG - nach scharfer Kritik von betroffenen Kleinanlegern - zur neuen Agiv Real Estate AG verschmolzen. Davon unberührt blieben die Deutsche Real Estate AG und die Adler Real Estate AG.
Nach den massiven Verlusten im Jahr 2002 verschärften sich Anfang 2003 die Schwierigkeiten, als die ING-BHF-Bank vorübergehend gut 17 Millionen Euro der Agiv einfror und damit die Liquidität bedrohlich beschnitt. Hinzu kamen Konflikte über Mietgarantien, die noch nicht beigelegt sind. Infolge der Schwierigkeiten nahm Vorstandschef Rainer Behne im vergangenen Sommer den Hut. Und im August 2004 starb nach langer schwerer Krankheit der seit 2001 als Aufsichtsratsvorsitzender agierende ehemalige FDP-Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt im Alter von 62 Jahren.
Aktionäre der Agiv waren zu 14,2 Prozent die EnBW Energie Baden-Württemberg AG, zu 13,7 Prozent die Familie Knapp Voith, zu 12,1 Prozent die Familie Behne und zu sieben Prozent die WCM. 53 Prozent befinden sich in Streubesitz. An der Deutschen Real Estate AG ist wiederum die Agiv zu 65,5 Prozent beteiligt, 14 Prozent gehören der WCM, fünf der HSH Nordbank, und 15,5 Prozent sind in Streubesitz. FBi/gs/rtr
Artikel erschienen am Don, 7. Juli 2005
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