Dem Staat droht eine Pensionswelle Viele Beamte scheiden frühzeitig wegen Dienstunfähigkeit aus von Arne Delfs
Berlin - Deutschlands Beamte sind offenbar besonderen Belastungen ausgesetzt: Ein Großteil der 1,8 Millionen Staatsdiener scheidet mittlerweile vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters aus. Besonders hart scheint der Dienst in der Bundeshauptstadt zu sein: In Berlin sind im vergangenen Jahr nach Angaben des Statistischen Landesamtes rund 51,4 Prozent der ausgeschiedenen Staatsdiener wegen Dienstunfähigkeit oder Schwerbehinderung vorzeitig pensioniert worden. Nur noch in Nordrhein-Westfalen ist die Krankenquote höher: Dort gingen 56 Prozent der Pensionäre wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand.
Damit sind die Beamten in Berlin und Nordrhein-Westfalen zumindest bei der Frühpensionierung einsame Spitze. Dies ergab eine Umfrage der WELT in den einzelnen Bundesländern. Danach liegen auch Brandenburg und Baden-Württemberg auf den vorderen Plätzen. In Brandenburg wurden nach Angaben des Finanzministeriums im vergangenen Jahr rund 46 Prozent der ausgeschiedenen Beamten frühpensioniert, in Baden-Württemberg waren es laut Landesrechnungshof im Jahr 2000 mehr als 48 Prozent.
Erstaunlich guter Gesundheit erfreuen sich dagegen die Beamten in den beiden finanzschwächsten Ländern Ostdeutschlands: In Sachsen-Anhalt werden nach Angaben des Finanzministeriums in diesem Jahr nur 16,8 Prozent der Beamten frühpensioniert, in Mecklenburg-Vorpommern liegt die Quote mit 21,3 Prozent nur geringfügig höher. Auch in Hamburg und Schleswig-Holstein halten die Staatsdiener gemessen am Bundesdurchschnitt relativ lange durch: In der Hansestadt wurden im vergangenen Jahr 29,8 Prozent der Beamten dienstunfähig geschrieben, in Schleswig-Holstein waren es 37,2 Prozent, knapp gefolgt von Bayern mit 37,9 Prozent.
Besonders hart scheint der Dienst in deutschen Klassenzimmern zu sein: Der weitaus größte Teil der frühpensionierten Beamten sind Lehrer. Mehr als jeder zweite im vergangenen Jahr pensionierte Pädagoge verließ den Schuldienst aus Gesundheitsgründen. Mehr als ein Viertel der dienstunfähigen Lehrer war nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft jünger als 55 Jahre.
Da in den sechziger und siebziger Jahren besonders viele Beamte eingestellt wurden, rollt auf die öffentlichen Haushalte in den kommenden Jahren eine riesige Pensionswelle zu: Nach Schätzungen des Bundes der Steuerzahler wird der Staat im Jahr 2015 rund 46 Milliarden Euro für Pensionen ausgeben müssen, 2040 dann sogar 91 Milliarden Euro.
Angesichts dieser Entwicklung versucht die Bundesregierung seit kurzem gegenzusteuern. Seit Anfang 2001 gilt: Dienstunfähigen Beamten werden für jedes Jahr, das sie vor dem 63. Lebensjahr ausscheiden, Anteile vom Ruhegehalt abgezogen. Bei vielen Beamten löste diese Regelung allerdings Torschlusspanik und bei den Behörden eine Flut von Anträgen aus: So waren in Berlin nach Angaben des Landesrechnungshofes im Jahr 1999 noch einmal rekordverdächtige 71 Prozent aller pensionierten Beamten dienstunfähig. In seinem Jahresbericht stellte der Landesrechnungshof damals lapidar fest: ?Ursache hierfür dürfte weniger ein auf breiter Front zu verzeichnender gesundheitlicher Einbruch sein als die Tatsache, dass vom Jahr 2001 an der Versorgungsabschlag auch von den wegen Dienstunfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres in den Ruhestand versetzten Beamten erhoben wird.? Unter anderem fiel dem Rechnungshof der Fall eines Justizvollzugsbeamten auf, der mit 32 Jahren wegen Dienstunfähigkeit entlassen worden war. ?Später teilte er der Pensionsstelle mit, dass er eine unbezahlte Nebentätigkeit als Taxifahrer im Betrieb seiner Ehefrau ausüben werde?, heißt es in dem Bericht.
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