Biosprit bringt Bewegung an der Wall Street Von A SCHUCK [09.03.2006; Boerse Online Heft 11/2006] DIE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR US-ETHANOLHERSTELLER HABEN SICH IN DEN VERGANGENEN MONATEN GRUNDLEGEND VERÄNDERT. TROTZ DER JÜNGSTEN KURSGEWINNE STECKEN DIE AKTIEN NOCH VOLLER ENERGIE. US-ETHANOLINDUSTRIE Bill Gates steht neuerdings auf Alkohol. Der Gründer von Microsoft und laut Forbes reichster Mann der Welt hat sich über seine Investmentgesellschaft Cascade Ende 2005 für 84 Millionen Dollar bei Pacific Ethanol eingekauft.
Das Unternehmen zieht in Kalifornien gerade die erste von fünf geplanten Bioethanolanlagen hoch, die eines Tages 200 Millionen Gallonen (757 Millionen Liter) Alkohol aus Biomasse liefern sollen. Pacific Ethanol ist damit auf dem besten Weg, zum größten Bioethanolhersteller an der US-Westküste aufzusteigen. Das Timing für den Bau der Anlage könnte kaum günstiger sein, da der Bedarf an Bioethanol rapide steigt. Denn die hohen Ölpreise machen den Einsatz des umweltfreundlichen Treibstoffs, der in den USA hauptsächlich aus Mais gewonnen wird, ökonomisch sinnvoll. Zudem verpflichtet ein 2005 verabschiedetes Gesetz die Mineralölindustrie, künftig auch Treibstoff aus erneuerbaren Energien anzubieten. So müssen die Hersteller dieses Jahr bereits vier Milliarden Gallonen Sprit aus Biomasse dem Benzin beimischen. Bis 2012 wird sich das Volumen auf 7,5 Milliarden Gallonen annähernd verdoppeln. Da der Großteil des Biosprits auf Ethanol entfallen wird, haben die Preise schon kräftig angezogen. Wollen sich die Amerikaner von Importen unabhängig machen - 2005 wurden in den USA gerade einmal 4,3 Milliarden Gallonen hergestellt - müssen sie die Kapazitäten aufstocken. Da der Engpass in Kalifornien besonders groß und der Transport von Ethanol über Pipelines problematisch ist, liegt Pacific Ethanol mit seinen Anlagen goldrichtig. Zudem nimmt das Unternehmen für sich in Anspruch, dank modernster Technik und der Nähe zu Rinderzüchtern, an die die Maisabfälle aus der Ethanolproduktion als hochwertiges Tierfutter verkauft werden können, besonders günstig zu produzieren. Wegen hoher Anlaufkosten wird die Firma aber noch längere Zeit rote Zahlen schreiben, so dass die Aktie den Stimmungen an der Wall Street umso stärker ausgesetzt ist. Eine konservativere Möglichkeit, am Ethanolboom zu partizipieren, bietet das Papier von Archer Daniels Midland (ADM). Der Agrarkonzern hat bereits sieben Produktionsanlagen laufen und ist mit Abstand der größte Einzelproduzent von Biosprit in den USA. Vergangenes Jahr deckte er rund ein Viertel der gesamten Produktion ab. In Europa ist ADM in Deutschland Vorreiter bei der Herstellung von Biodiesel aus Pflanzenöl. Auch der Marktführer schwimmt auf der Ethanolwelle und hat vor, in den kommenden Jahren 2,3 Milliarden Dollar in die Herstellung von Biotreibstoffen zu investieren. Damit sollen seine weltweiten Ethanolkapazitäten von derzeit 1,2 Milliarden Gallonen bis 2009 auf 1,7 Milliarden Gallonen steigen. Das Wachstum im Segment Bioprodukte dürfte daher weiter an Fahrt gewinnen. Im Ende Dezember abgelaufenen zweiten Geschäftsquartal wuchs der Bereich bereits rasant und steuerte fast ein Viertel zu den Erträgen bei. Vorstandschef Allen Andreas mahnte jedoch vor überzogenen Erwartungen. Die Erträge im Bereich Maisverarbeitung, zu dem auch das Segment Bioprodukte zählt, könnten moderater zulegen, falls die Maisnotierungen wieder auf ein normaleres Niveau zurückkehren. Archer Daniels profitierte davon, dass die hohen Ernteerträge und geringere Exporte die Maisnotierungen drückten. Stabile oder leicht anziehende Maispreise wären nicht nur ein Segen für die Bauern, sondern auch für Deere. Die Aktie des weltgrößten Landmaschinenherstellers führte in den vergangenen zwei Jahren ein Schattendasein und blieb hinter der Entwicklung des S&P 500 zurück. Den Farmern fehlten wegen der schwachen Einkommensentwicklung nämlich schlicht die Mittel, um ihren Maschinenpark auf den neuesten Stand zu bringen. Mit dem Ethanolboom dürften sie aber ihre Zurückhaltung aufgeben, schließlich decken die amerikanischen Landwirte mit ihren eigenen Ethanolanlagen rund 1,65 Milliarden Gallonen oder 38 Prozent des Bedarfs. Als Gruppe sind sie damit der größte Produzent, und mit den derzeitigen Rekordnotierungen für Ethanol bringt ihnen das jährlich mehr als vier Milliarden Dollar ein. Der Nachfragestau bei Traktoren und Mähdreschern sollte sich somit bald auflösen. Die Aktie von Deere hat auf die günstigeren Aussichten bereits reagiert und ist jüngst aus ihrer Handelsspanne ausgebrochen. Dennoch ist das Papier gemessen an wichtigen Bewertungskriterien wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis oder dem Verhältnis von Unternehmenswert und Erlösen günstiger als der durchschnittliche US-Maschinenbauer und somit längst nicht ausgereizt. Das enorme Interesse für alternative Energien hat den Aktien aus der Ethanolbranche einen enormen Schub verliehen. Eine Konsolidierung auf diesem Niveau wäre nur gesund. Die immer knapper werdenden Ölreserven und der Wunsch der Amerikaner, sich von Ölimporten etwas unabhängiger zu machen, bieten jedoch beste Voraussetzungen dafür, dass das Thema auch weiterhin die Börsianer begeistern wird.
H O C H P R O Z E N T I G E S WA C H S T U M Ethanolindustrie in den USA In den vergangenen Jahren hat sich die Produktion von Ethanol in den USA mehr als verdoppelt. 4,264 Milliarden Gallonen haben die Amerikaner zuletzt produziert und damit die Brasilianer (4,227 Milliarden Gallonen) vom ersten Platz verdrängt. Mit dem wachsenden Bedarf wird auch die Zahl der Ethanolanlagen zunehmen.
T R I O M I T E T H A N O L P H A N TA S I E ARCHER DANIELS DEERE PACIFIC ETHANOL Bildunterschrift: Treibstoff aus 85 Prozent Ethanol ist selten. Der Alkoholanteil im Benzin muss laut Gesetz in den kommenden Jahren allerdings stetig zunehmen.
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