Während die Eurokrise noch tobte, übertrafen sich die gebeutelten südeuropäischen Konzerne mit abenteuerlichen Finanzkonstrukten. So behalf sich eines der größten portugiesischen Konglomerate - die Espirito Santo International - im Jahr 2011 mit einem tiefen Griff in die Trickkiste. Da Portugal praktisch keinen Zugang mehr zu den internationalen Kapitalmärkten hatte, verkaufte man einfach über 21 Monaten hinweg Schulden von insgesamt mehr als 6 Milliarden Euro an einen hauseigenen Investmentfonds.
Mit dem gewagten Schritt erhöhte der Mischkonzern das Risiko für seine Investoren gewaltig. Doch die Wette ging schließlich auf. Das Konglomerat konnte seinen Betrieb aufrechterhalten, institutionelle Investoren und Kleinanleger des Fonds ES Liquidez erhielten ihr Geld samt Zins und Zinseszins zurück. Eigentlich war der umstrittene Schritt auch völlig legal. Aber das abenteuerliche Finanzmanöver unterstreicht, welche finanziellen Verrenkungen die Konzerne, einschließlich der Banken, machten, um die Krise in der Region zu überleben.
In Spanien eckten Kreditinstitute mit den Aufsichtsbehörden an, indem sie riskante Vorzugsaktien in Höhe von mehreren Milliarden Euro an Kleinanleger verkauften. Sie priesen diese als simple Sparprodukte an. Viele der Kunden verloren einen Teil ihrer Ersparnisse, die sie in die Vorzugsaktien gesteckt hatten. Der Grund: Die Kreditgeber wurden nach einer schweren Schieflage verstaatlicht. In Italien mussten einige Stiftungen entweder kräftig Schulden aufnehmen oder massiv Kapital in Banken pumpen, die ihnen gehören. Diese Stiftungen müssen sich jetzt irgendwie über Wasser halten. Espirito Santo ging sehr hohe Risiken ein
In Portugal war die Lage besonders düster. Das Land musste 2011 ein internationales Rettungspaket in Anspruch nehmen. Espirito Santos vielgerügter Schachzug setzte die Anleger der Espirito Santo Bank einem äußerst hohen Risiko aus, beklagen sich Buchhaltungsexperten und Juristen.
Der hauseigene Fonds ES Liquidez hatte an einem Punkt in seinen Aktiva rund vier Fünftel Wertpapiere der Konzernmutter und ihrer Töchter stehen. Sie sollten auf dem Papier eine relativ risikolose und konservative Anlageform sein. "Selbst wenn der Fonds korrekt bewertet wurde, ist es fragwürdig, Anleger einem so hohen Kreditrisiko auszusetzen", ärgert sich Dozent Edmund-Philipp Schuster von der London School of Economics. "Der Interessenkonflikt war klar."
Das Risiko sei sogar noch höher gewesen, meinen Experten, denn Espirito Santo habe den Wert seiner wichtigsten Vermögensposition - einer Beteiligung - zu hoch angesetzt. Dadurch sah das Konglomerat finanziell gesünder aus, als es in Wirklichkeit war. Der Mischkonzern wehrt sich: Man habe sich strikt an die Regeln gehalten. Die Investoren wollten, dass der Fonds in Unternehmenswertpapiere investiert. Die Aktiva seien zudem korrekt bewertet worden.
Vergangenen Monat beschränkte der portugiesische Finanzaufseher CMVM die Summe, die ein Fonds in eine zum Konzern gehörende Firma investieren darf, auf 20 Prozent der Aktiva. Andere portugiesische Banken waren dem Vorbild von Espirito Santo gefolgt, allerdings mit geringeren Summen. Die Regulierungsbehörde will nach eigenen Angaben mit ihrem Schritt für eine ausreichende Risikostreuung und die Vermeidung von Interessenkonflikten sorgen. ES Liquidez hält inzwischen nur noch knapp 12 Prozent an Papieren der Konzernmutter, versichert Espirito Santo. Damit erfülle man die neuen Regeln.
Zu Espirito Santo zählen ein umfangreiches Immobilienportfolio, eine Hotelkette, ein Krankenhausbetreiber in Portugal und diverse Auslandsaktivitäten. Dem Konzern gehört ein Drittel von Espirito Santo Financial, dem Holdingunternehmen von Banco Espirito Santo, die wiederum ES Liquidez kontrolliert. Die Bank ist mit einer Bilanzsumme von mehr als 80 Milliarden Euro die zweitgrößte in Portugal. Ein Problem für die Überwachung der ganzen Branche
Die umstrittene Finanzkonstruktion rief inzwischen auch die Zentralbank auf den Plan. "Die Existenz solcher Verbindungen stellt ein Problem für die Überwachung der Finanzbranche dar. Es dürfte nicht mehr ausreichen, einen Sektor separat zu überwachen, um die Stabilität der Branche als Ganzes zu gewährleisten", erklärten die Notenbanker, die Kreditgeber aber keine Investmentfonds kontrollieren.
Es Liquidez hat auch Anleger, die Kunden der Banco Espirito Santo sind. Die Bank vertreibt die Papiere durch ihre Filialen und ihre Vermögensverwaltung. Der Fonds sagt seinen Kunden, dass die Kredite kurzfristig sind und eine Rendite von ungefähr 4 Prozent im Jahr abwerfen. Auf seiner Webseite heißt es klipp und klar: Der Fonds kann so viel in Töchterunternehmen von Espirito Santo investieren, wie er möchte. Ein potenzieller Interessenkonflikt wird eingeräumt. Die Anleger können aber jederzeit aus dem Fonds aussteigen, ohne dafür mit Strafzahlungen belegt zu werden.
Einige Experten halten die finanzielle Situation von Espirito Santo International für vertrackter als es nach außen scheint. Das Unternehmen habe seinen Anteil von rund einem Drittel an der Espirito Santo Financial Group im Geschäftsbericht 2012 mit rund 1,55 Milliarden Euro bewertet. Das liege jedoch massiv über der Marktbewertung. Anhand des Aktienkurses ergibt sich eine Bewertung der Beteiligung von gerade einmal 365 Millionen Euro, weniger als ein Viertel des Werts in den Büchern. Würde der Anteil korrekt bewertet, wäre es um die finanzielle Gesundheit des Konzerns schlecht bestellt, warnt Antonio Samagaio, seines Zeichens Professor für Wirtschaftsprüfung an der ISEG-Lisbon School of Economics and Management. Die Schulden würden in diesem Fall die Aktiva übersteigen.
Espirito Santo International hält dagegen: Es gebe Regeln, wonach Unternehmen von der Marktbewertung abweichen dürfen, wenn der entsprechende Markt illiquide sei. Portugals Rezession habe die Aktien von Espirito Santo Financial deutlich zu tief gedrückt. Außerdem müsse bei der Bewertung ein Aufschlag für eine weitestgehend Kontrollmehrheit eingerechnet werden. Für diesen Fall seien etwa Marktmultiplikatoren für vergleichbare Firmen heranzuziehen.
Einige Wirtschaftsprüfungsexperten widersprechen dem Konglomerat energisch. Der Handel mit Aktien der Finanzgruppe sei bei weitem nicht illiquide. Sie seien Teil des portugiesischen PSI-Index, der die 20 meistgehandelten Aktien der Lissabonner Börse umfasse. Schuster von der London School of Economics hinterfragt auch den "Kontrollaufschlag" kritisch. "Wenn Espirito Santo International seine Kontrolle verkaufen würde, wäre es sehr unwahrscheinlich, dass der Konzern damit vier Mal so viel erzielt wie den Marktwert."
Quelle: WSJ Online ----------- Carpe diem
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