Quelle: http://www.welt.de/data/2005/02/04/458204.html?prx=1
Wem nutzt die Insolvenz von Walter Bau? Eine Betrachtung der Konzernpleite - Von Carl Graf Hohenthal von Carl Graf Hohenthal
Berlin - Bei der Walter Bau AG haben jetzt die Insolvenzverwalter das Sagen. Sie haben damit begonnen, die verwertbaren Teile des drittgrößten deutschen Baukonzerns zu sichten und es zeigt sich, daß damit noch einiger Staat zu machen sein dürfte. Für die vielen Tausend Beschäftigten des Konzerns, die jetzt um ihre Arbeitsplätze fürchten, wäre das eine gute Nachricht. Es ist ziemlich sicher, daß die Insolvenz des Unternehmens nicht zu einem so großen Verlust von Arbeitsplätzen führen wird, wie ihn einige Vertreter der Gewerkschaften androhen. Immerhin sprach die IG Bau von bis zu 20 000 gefährdeten Stellen. Doch Walter Bau ist nicht Philipp Holzmann. Der Konzern, das Lebenswerk seines bodenständigen bayrisch-schwäbischen Gründers, Ignaz Walter, steht nicht so geschwächt da, wie das Frankfurter Bauunternehmen vor knapp drei Jahren; oder vielleicht sollte man besser sagen, stand nicht so geschwächt da, denn die vergangenen Wochen hatten einen Rufschaden zur Folge, der dem Unternehmen arg zu schaffen macht. Damit stellt sich noch einmal die Frage, wem die Zerschlagung der Walter Bau AG eigentlich nutzt?
Profitieren werden von dem Niedergang sicherlich die wichtigsten Wettbewerber, Hochtief sowie Bilfinger und Berger. Jede Konsolidierung auf dem siechen deutschen Baumarkt kann den Überlebenden auf Teilmärkten nur nutzen. Profitieren dürften aber auch der Bund, die Länder und die Deutsche Bahn AG, deren Vorsitzender, Hartmut Mehdorn, sich heftig gegen die Kritik aus der Walter Bau wehrt, er zahle seine Rechnungen nicht. Eine Umfrage des Düsseldorfer Betriebswirtschaftlichen Instituts der Bauwirtschaft (BWI Bau) bei fast 600 Unternehmen zur Zahlungsmoral der Bauherren kommt allerdings zu dem Ergebnis, daß Bund, Länder und die Bahn eine miserable Zahlungsmoral haben. Während die Bauindustrie 2004 mit einem durchschnittlichen Zahlungsziel von 46 Tagen geplant hat, ließ sich die Deutsche Bahn mit der Bezahlung ihrer Rechnungen durchschnittlich 99 Tage Zeit, der Bund 82 und die Länder 80 Tage. Die privaten Bauherren warteten dagegen nur 47 Tage. Der Niedergang von Walter gibt allen säumigen Zahlern weitere Zeit. Und schließlich dürften letztlich auch die Banken profitieren, denn die Vermögensmasse des Konzerns ist etwa dreimal so hoch wie seine Schulden. Darüber hinaus kommt eine weitere Bereinigung des Marktes den Kreditinstituten durchaus zu paß, denen die Schieflage so vieler Baubetriebe große Sorgen bereitet. Wenn jetzt Walters Insolvenz beklagt wird, dürfte in Bankenkreisen auch manche Krokodilsträne fließen.
Die Probleme bei Walter Bau begannen schon in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, als Firmen- und Kostenstrukturen nicht mehr optimal waren. Diese Fehlstruktur sollte nach Plänen des Aufsichtsrates im Jahr 2000 durch die Fusion der Walter Bau mit der Heilit + Woerner Bau AG und 2001 durch den Zusammenschluß mit der Dyckerhoff & Widmann AG (Dywidag) bereinigt werden.
Die erste Fusion klappte auch und das Unternehmen verfügte anschließend über 900 Mio. Euro. Doch obwohl keine Kredite in Anspruch genommen wurden, kürzte im Jahr 2000 plötzlich eine Bank ganz erheblich den Avalrahmen - also den Bürgschaftsrahmen, ohne den im Bau nichts läuft. Die strittige Frage ist nun, ob diese Kürzung des Bürgschaftsrahmens, der sich andere Banken anschlossen, wirklich nötig war.
Die Auswirkungen waren jedenfalls katastrophal. Der Ruf von Walter Bau war angeschlagen, die Beschaffung von Aufträgen wurde schwieriger und die Fusion mit der Dywidag gestaltete sich problematisch. Von Stund an kämpfte Walter Bau ernstlich mit Finanzproblemen.
Im Zuge der Avalkündigung nahm die Liquidität innerhalb weniger als einem Jahr um mehr als die Hälfte ab. Die Banken zogen daraufhin die Daumenschrauben fester an mit dem Ziel, die Avalsumme zu reduzieren und Kredite zurückzuführen. 2003 dann verlangten die Banken, daß Walter Bau seine Beteiligung von 54 Prozent an der Ed. Züblin AG verkaufen sollte. Das ging schief, worauf die Banken zunächst zur Fusion mit Züblin rieten, diese Idee dann aber wieder verwarfen. Dieses ganze Durcheinander mußte Kunden, Lieferanten und Subunternehmer weiter verunsichern. Hätte das Unternehmen frei agieren können, hätte es sich nach Einschätzung gut informierter Kreise mindestens 400 Mio. Euro nicht operativen Verlusts ersparen können. Doch in der gegebenen Situation ging es mit der Firma immer weiter bergab.
Im Januar 2005, unmittelbar vor der Insolvenz, stellt sich die Lage so dar, daß Walter Bau ohne die Züblin-Anteile eine Jahresleistung von etwa 2,9 Mrd. Euro verzeichnet. Das Avalvolumen lag dagegen bei etwa 1,5 Mrd. Euro. Das werthaltige Vermögen der Walter Bau AG lag trotz aller Probleme mit 550 bis 650 Mio. Euro weit höher als die derzeitigen Bankkredite von 212 Mio. Euro. Die Außenstände und Forderungen betragen nach gut gesicherten Quellen 400 bis 450 Mio. Euro. Damit wäre das Vermögen der Walter Bau AG weit höher als die Bankkredite. Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob die Insolvenz wirklich unumgänglich war, oder nicht letztlich von den Kreditinstituten erzwungen worden ist.
Der Gründer und Aufsichtsratsvorsitzende bis vergangenen Montag, Ignaz Walter, hat Fehler des Hauses eingeräumt. Er hat aber auch noch einmal darauf hingewiesen, daß das Unternehmen an Liquiditätsproblemen gescheitert ist und nicht an seiner Überschuldung. Insofern muß es jetzt darum gehen, den Liquiditätsengpaß von rund 200 Mio. Euro zu überbrücken.
Der vorläufige Insolvenzverwalter, Werner Schneider, wird sich darum bemühen, möglichst viele Betriebsteile und Arbeitsplätze zu erhalten. Doch die Walter Bau AG wird es mit einiger Sicherheit nicht mehr geben; die lukrativen Betriebsteile werden verkauft werden. Interessenten dafür gibt es genug. Manches spricht dafür, daß Walter Bau auch deshalb gescheitert ist, weil sein eigenwilliger Gründer, der sich zwar 1996 aus dem Vorstand auf den Aufsichtsratsvorsitz zurückgezogen, aber doch immer kräftig im Unternehmen mitgemischt hat, zuletzt keine Freunde mehr in der Branche und bei den Banken gehabt hat.
Er hat manches alte Unternehmen übernommen, dessen Namen untergehen lassen und allen Betrieben sein großes " W" aufgedrückt. Jetzt muß er selbst die bittere Erfahrung machen, seinen Namen verschwinden zu sehen.
|