[ » ah nachrichten für die Landwirtschaft » Energie » Spezielles » Biokraftstoffe Ohrfeige für EU-Kommission ] Mittwoch, 15.05.2013 Spezielles | 14.05.2013 Redaktion agrarheute.com Biokraftstoffe: Ohrfeige für die EU-Kommission Berlin - Prof. Dr. Matthias Finkbeiner von der TU-Berlin hat eine Studie zu den iLUC-Faktoren angefertigt. Die Methoden, auf die sich die EU-Kommission beruft, würden sich vor allem durch Willkür auszeichnen. Prof. Dr. Matthias Finkbeiner (links) von der TU Berlin und Detlef Evers vom VDB bei der Pressekonferenz zu iLUC-Faktoren.© Catrin Hahn Bild vergrößern Prof. Dr. Matthias Finkbeiner (links) von der TU Berlin und Detlef Evers vom VDB bei der Pressekonferenz zu iLUC-Faktoren. © Catrin Hahn Eine Pressekonferenz von OVID (Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland) und dem Biokraftstoffverband VDB befasste sich heute in Berlin mit den EU-Kommissionsplänen zu Biokraftstoffen. Diese Pläne sehen bekanntermaßen eine Anrechnung von sogenannten iLUC-Faktoren (indirekte Landnutzungsänderung) auf Nachwachsende Rohstoffe vor. Nicht zuletzt die seit Jahren in der Öffentlichkeit schwelende Tank oder Teller-Debatte gab Anlass für eine Neuauflage der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie. Der Vorschlag der Kommission sieht unter anderem vor, heimischen Agrarrohstoffen wie Raps einen iLUC-Malus anzurechnen und sie damit für Regenwaldrodungen mithaftbar zu machen. Passiert das, ist die CO2 -Bilanz des Rapsöls zu schlecht, um nach 2017 als Biokraftstoff in der EU eingesetzt werden zu können. Verständlicherweise treiben diese Vorschläge Landwirten, Pflanzenzüchtern, Ölmühlenbesitzern wie auch der Biokraftstoffbranche dauerhaft die Zornesröte ins Gesicht. Die vor 1,5 Jahren bekanntgewordenen Pläne sind mittlerweile schon von allen Seiten kritisiert worden. Selbst die Entwickler dieser Kriterien, Wissenschaftler des amerikanischen IFPRI-Institutes, haben diese Faktoren nicht unbedingt als politische Instrumente vorgesehen, weil sie um ihre Schwächen wissen.
Nicht faktengestützt Nun hat die Biodiesel- und Bioethanolbranche erneut Unterstützung bekommen. Einer der weltweit profiliertesten Wissenschaftler zum Thema Ökobilanzierung, der Berliner Professor Matthias Finkbeiner, hat sich in einer Studie mit den iLUC-Faktoren beschäftigt. Der an der TU Berlin in der Abteilung für Umwelttechnologie tätige Finkbeiner hat die Studie namens "Indirekte Landnutzungsänderungen in Ökobilanzen - Wissenschaftliche Belastbarkeit und Übereinstimmung mit internationalen Standards" als unabhängiger Experte angefertigt. Zusammengefasst könnte man die Ergebnisse der Studie als deftige Ohrfeige für die Kommission verstehen: iLUC-Faktoren passen in keinen gängigen Standard, sie sind zu jung, zu ungenau, nicht wissenschaftlich. "Die Berechnungen sind nicht faktengestützt und sollten nicht als Basis für die europäische Gesetzgebung dienen", sagte Finkbeiner, der außerdem als Leiter des ISO-Ausschusses zu Ökobilanzen (Internationale Organisation für Normung) fungiert. Die Methoden, auf die sich die EU-Kommission da beruft, würden sich vor allem durch Willkür und "gewaltige Unsicherheiten" auszeichnen: iLUC-Faktoren für unterschiedliche Biokraftstoffe könnten immens schwanken - abhängig davon, welche Annahmen getroffen werden. Unlogisch findet Finkbeiner, warum bloß Biokraftstoffe für eine iLUC-Bilanz herangezogen werden sollten. "iLUC für alle oder für keinen", fordert er. Also auch für die Anlage eines Golfplatzes, einer Stilllegungsfläche oder eines Supermarktparkplatzes. Und erst recht sollten solche Faktoren natürlich auch für fossile Treibstoffe gelten: Dann müsste man zum Beispiel den Treibhausgasausstoß von amerikanischen Soldaten, die Bohrlöcher bewachen, dem Benzin anrechnen.
Sein Vorschlag: Kristallkugel Anstatt die völlig hypothetischen iLUC-Faktoren (deren Größenordnung zum Beispiel für Bioethanol aus Mais von 2008 bis 2011 von 105 Gramm Kohlendioxid pro Megajoule Ethanol auf schlappe zehn Gramm schrumpfte) anzusetzen, "kann man auch in die Kristallkugel schauen". Finkbeiner warb dafür, stattdessen erprobte Methoden der Ökobilanzierung zu nutzen. Die bei der Pressekonferenz ebenfalls anwesenden Vertreter der beiden Branchenverbände OVID und VDB, Wilhelm F. Thywissen und Detlef Evers, finden ihre Argumente in der Studie bestätigt. "Die EU will ein Gesetz, das einen nachhaltig arbeitenden Wirtschaftszweig real in den Ruin treibt. Mit Rechenmethoden, die von der Wissenschaft als irreal belächelt werden", so OVID-Präsident Wilhelm F. Thywissen. Zwei Drittel des deutschen Rapsöls werden zu Biodiesel verarbeitet. Ohne diesen Absatzmarkt würde der Rapsanbau einbrechen, die freigewordene Ackerfläche wahrscheinlich zum Silomaisanbau genutzt, die Ölmühlen würden ihren wichtigsten Absatzmarkt verlieren und die Futtermittelindustrie müsste auf das Rapsextraktionsschrot als wertvolles Eiweißfuttermittel verzichten.
iLUC rettet den Regenwald nicht Thywissen und Evers sind sich einig, dass die EU-Pläne den Regenwald nicht retten, aber dafür den europäischen Rapsanbau ruinieren werden. Um Regenwaldrodungen wirklich zu stoppen, müssen in den Ursprungsländern vorhandene Gesetze umgesetzt und Verstöße sanktioniert werden. Die Produktivität der Anbaumethoden muss erhöht werden, um das Potenzial der Ackerflächen besser auszunutzen. Evers machte es in seinen Ausführungen ganz deutlich: "Die iLUC-Faktoren müssen ganz einfach gestrichen werden. Bleiben sie, ist der Biodieselanbau als bislang einzige Alternative zu fossilen Treibstoffen tot. Und die von der Kommission so vielgerühmten Treibstoffe der 2. Generation kommen frühestens in zehn bis fünfzehn Jahren auf den Markt."
Die Kurzfassung der Studie finden Sie hier ... Die gesamte Studie finden Sie unter www.biokraftstoffverband.de ...
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