Fracking: Wer profitiert von der Energie-Revolution?
Lieber Geldanleger,
das umstrittene hydraulische Fracking, bei dem Unternehmen bisher ungenutzte Öl- und Gasreserven anzapfen, steht jetzt auch vor einer Zulassung in Deutschland. Zuvor sollen allerdings die Auswirkungen auf die Umwelt untersucht werden.
Ökologen warnen, dass freigesetztes Methan ins Grundwasser gelangen kann. Auch das Chemikalien-Gemisch, das ins Erdreich geschossen wird, könnte das Grundwasser vergiften.
In den USA schert man sich darum wenig. Die Amerikaner waren noch nie so „grün angehaucht“ wie die Deutschen und wenn Geld zu verdienen ist, haben Umweltfragen dort lange nicht diese Priorität. Zudem hätten die USA eine Menge zu verlieren, wenn sie jetzt zaudern würden, sitzen sie doch auf gigantischen Schiefergas und Schieferöl-Vorkommen.
Da sei es sogar im „nationalen Interesse“, die Fracking-Förderung noch voranzutreiben, ließ das Weiße Haus verkünden. Präsident Obama setzte noch einen drauf, verkündete, sein Land werde mittels Fracking schon bald zum „Saudi-Arabien des Erdgases“ aufsteigen.
Auch wenn man Obama nicht alles abnehmen sollte: Möglich ist, dass er beim Thema Energie nicht weit weg ist von der Wahrheit. Tatsächlich scheinen die Vereinigten Staaten in naher Zukunft vom Öl- und Gas-Importeur zum -Exporteur zu mutieren.
Der Schiefergasrausch in Übersee ließ bereits die Energiepreise purzeln. So betragen die Gaspreise in den USA nur noch ein Viertel dessen, was in Deutschland verlangt wird. Wie können Anleger an dieser Entwicklung mitverdienen?
USA geben Vollgas
Laut dem jüngsten Jahresbericht der Internationalen Energie-Agentur (IEA) werden die USA bereits in zwei Jahren Russland bei der Gasförderung überholen. Und bis 2017 wird man Spitzenreiter Saudi-Arabien bei der Ölproduktion überflügeln.
Folge: Spätestens 2030 wird die größte Volkswirtschaft der Welt, die bis dato stark von Energieimporten abhängig ist, autark sein. „Die Vereinigten Staaten erleben eine neue industrielle Revolution“, glaubt nicht nur Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI).
So werden die Karten im Billionen US-Dollar schweren Spiel um den Schmierstoff der Weltwirtschaft derzeit ganz neu gemischt. Die Zeit der großen Abhängigkeit der Amerikaner von den instabilen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens gehört – darin sind sich die meisten Experten einig – der Vergangenheit an.
Nach Einschätzung des US-Energie-Ministeriums liegen noch gut 23,6 Billionen Kubikmeter Schiefergas im amerikanischen Untergrund, die gefördert werden können. Das ist etwa die Hälfte der konventionellen Erdgasreserven in Russland. Die Produktionskosten liegen nur zwischen 40 und 60 Dollar pro Barrel. Die Fördermengen, die derzeit bei 750.000 Barrel liegen, wachsen deshalb zweistellig. Inzwischen kommt schon ein Viertel des amerikanischen Erdgases aus dem Schiefer.
Zusammen mit Tight Gas, das aus tieferen Sandsteinschichten ebenfalls durch Fracking gewonnen wird, dürfte unkonventionelles Gas (aus Schiefer und Sandstein) aber mittelfristig drei Viertel der US-Förderung abdecken.
Für die USA und Präsident Obama sind die neuen Energiequellen ganz nebenbei auch ein willkommenes Konjunkturprogramm, das der Wirtschaft bis 2020 ein Plus von zwei bis drei Prozent bescheren könnte. Schon jetzt hängen rund anderthalb Millionen Arbeitsplätze direkt und indirekt am Fracking. Weiterer Pluspunkt: Dank der Öl- und Gasschwemme dürfte der Anstieg der Energiepreise in den Vereinigten Staaten ausgebremst werden können.
Bis zu 16 Prozent geringer als angenommen könnte der Preisanstieg bis 2020 ausfallen, errechnete die Citigroup. Die IEA geht davon aus, dass der Ölpreis bis 2035 inflationsbereinigt lediglich auf 125 US-Dollar steigen wird.
Große Reserven auch in Europa
Auch in Europa gibt es große Schiefergas- und Schieferölvorkommen. Nach Berechnungen des US-Energieministeriums könnten allein die Schiefergas-Reserven Rumäniens, Bulgariens und Ungarns den jährlichen Erdgas-Bedarf von ganz Europa decken.
Polen soll die höchsten Reserven Europas besitzen. Dort wurden bereits viele Förderkonzessionen vergeben. Selbst Deutschland verfügt über 1,3 Billionen Kubikmeter Reserven. Das entspricht immerhin der 13-fachen Menge des deutschen Jahres-Gasverbrauchs (ca. 95 Milliarden Kubikmetern). Wie viel sich von den Gasvorräten wirtschaftlich letztlich zu Tage fördern lässt, ist noch unklar.
Russland, das ein Großteil Europas mit Erdgas versorgt, könnte zu einem der kurzfristigen Verlierer des globalen Fracking-Booms werden. Doch auch dort schlummert ein riesiges Schieferöl-Potenzial, vor allem in Sibirien.
Sollte das gehoben werden, wäre Russland mit einem Schlag wieder im Spiel, denn der russische Staat soll sich schon 75 Prozent aller möglichen Einnahmen gesetzlich gesichert haben.
Diese Firmen und Aktien profitieren
Kleinere amerikanische Firmen haben bisher den Fracking-Markt beherrscht, allen voran die beiden börsennotierten Konzerne Chesapeake Energy und Devon Energy. In den ersten Jahren (ab ca. 2002) verdienten sie kräftig mit am Boom. Inzwischen jedoch leiden sie unter den sinkenden Gaspreisen, die sie selbst mitverursacht haben.
Devon Energy WKN / Kürzel 925345 / DVN Börsenwert 17,9 Mrd. EUR KGV 13e/14e 15 / 11 52 Wochen Hoch / Tief 57,08 EUR / 39,27 EUR Akt. Kurs 45,20 EUR Hier zum CHART...
Schlumberger Beobachter rechnen fest mit einer Konsolidierung der Branche, bei der wahrscheinlich besonders die Großen überleben. Als langfristige Gewinner des Fracking-Booms gelten u.a. die Zulieferer Schlumberger und Halliburton sowie die Energie-Riesen Exxon, Chevron und Shell.
WKN / Kürzel 853390 / SLB Börsenwert 77 Mrd. EUR KGV 13e/14e 16 / 13 52 Wochen Hoch / Tief 61,57 EUR / 47,90 EUR Akt. Kurs 58,50 EUR Hier zum CHART...
Auch deutsche Unternehmen profitieren: Der Gaskonzern Linde zum Beispiel liefert das Chemie-Gemisch für eine Vielzahl von Fracking-Anlagen in den USA. Das Geschäft macht allerdings bisher nur einen kleinen Teil des Umsatzes aus.
Linde WKN / Kürzel 648300 / LIN Börsenwert 24 Mrd. EUR KGV 13e/14e 15 / 13 52 Wochen Hoch / Tief 137,70 EUR / 109,80 EUR Akt. Kurs 130,70 EUR Hier zum CHART...
MEIN FAZIT:
- Ob der Chemikalien-Cocktail, der beim Fracking ins Bohrloch gepumpt wird, das Grundwasser kontaminieren kann, ist umstritten. Solange das aber so ist, hat die Fördermethode in Europa wenig Chancen. Unternehmen wie Schlumberger arbeiten jedoch an technischen Verfahren, die nur mit Wasser und Sand – also ganz ohne Chemie – auskommen.
- Für die globalen Aussichten von Fracking spielt Europa allerdings nur eine marginale Rolle: Nach den USA wird wohl auch Russland schon bald versuchen, seine Schieferöl-Reserven zu heben. Das wird den Markt weiter beleben und die Gewinnmargen der Marktführer erhöhen.
- Ölriesen wie Exxon und Chevron steigen zwar erst langsam ins Geschäft ein, haben aber so viel Cash, dass sie kleinere, lukrative Firmen leicht übernehmen können. Im Gasbereich hat Exxon mit der Übernahme des Gasproduzenten XTO für fast 41 Milliarden US-Dollar schon reagiert. Auch Chesapeake Energy und Devon Energy sind mögliche Übernahmekandidaten.
- Chesapeake war zwischenzeitlich weltgrößter Produzent von Schiefergas. Wenn der Gaspreis in den USA wieder anzieht, wird sich auch der Aktienkurs wieder erholen. Ähnlich die Lage bei Devon, dem viertgrößten amerikanischen Erdgasproduzenten.
- Noch dümpelt der Kurs der Devon-Aktie vor sich hin. Nur für ein Strohfeuer sorgte der Einstieg von Sinopec. Für 900 Millionen Dollar erwarb der chinesische Staatskonzern eine Beteiligung von einem Drittel an fünf Schieferöl-Bohrprojekten.
- Bei Ausbeutung der sibirischen Schieferöl-Reserven käme die große Stunde von Catoil. Das Unternehmen ist Marktführer in Russland beim Fracking der konventionellen Ölförderung.
- Statt auf Einzelaktien zu setzen, sollten Anleger sich wohl besser eine breite Palette von Unternehmen sichern. Das mindert das Risiko erheblich. Im Portfolio des Shale-Gas-Zertifikats der UBS beispielsweise befinden sich 23 amerikanische und zwei kanadische Firmen. Anleger kassieren nicht nur die Kursgewinne, sondern auch die Dividenden.
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