Ein lesenswerter Artikel ueber Eolas
Nicht ganz "on-topic", aber ein aktueller Fall, um sich mal die geldwerten Dimensionen klarzumachen, ueber die wir hier reden, wenn es um Patente geht, die den Zugriff auf Daten betreffen. Das ist ja der Kern von Neomedia's IP fuer mobile Endgeraete. In dem hier beschriebenen Fall geht es um Zugriffspatente auf Webseiten...
07.10.2009
Software-Firma Eolas Microsoft-Bezwinger greift Web-Wirtschaft an http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,653659,00.?
Die Firma Eolas hält ein Patent, das so gut wie jeden Web-Auftritt betrifft. Im Jahr 2004 wurde Microsoft bereits zur Zahlung von 565 Millionen Dollar an das Unternehmen verurteilt. Jetzt klagt der Software-Hersteller gegen 24 Top-Konzerne von Adobe über Ebay und Google bis Yahoo.
Vierundzwanzigmal 500 Millionen macht zwölf Milliarden: Keiner sagt das bisher laut, aber jeder denkt es, wenn es um die Massenklage der kalifornischen Firma Eolas gegen zwei Dutzend amerikanische Großunternehmen geht. Am Dienstag hat Eolas bei einem Gericht in Texas Klage eingereicht gegen ein breites Spektrum finanzkräftiger Firmen, von der Bank über die Fast-Food-Kette, vom Kaufhaus bis hin zu IT-Größen wie Adobe, Apple oder Google (siehe Liste der beklagten Firmen in der linken Spalte).
Das ist kein Witz, denn Eolas ist die Firma, die 2004 in einem Prozess gegen Microsoft die sagenhafte Schadenssumme von 565 Millionen Dollar zugesprochen bekommen hatte. Und wofür? Für die Verletzung eines Patentes, das Eolas bereits 1994 eingereicht und 1998 zugesprochen bekommen hatte. Ein Patent, das so gut wie jede Web-Seite betrifft.
Und das ist der Kern des umstrittenen US-Patentes 5,838,906: Es geht um das Prinzip, im Rahmen eines Browsers und aus einer Web-Seite heraus per Mausklick eine Anwendung aufzurufen.
Man muss das erst einmal sacken lassen: Das Patent 906, wie es kurz genannt wird, beschreibt das heutige Hauptwesensmerkmal des WWW. Würde man auf alle Funktionen verzichten, die Patent 906 abdeckt, bekäme man eine weitgehend statische Seite. Das Web würde seine Interaktivität verlieren. Im Oktober 2003 versuchte Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, genau das den Verantwortlichen der US-Patentbehörde zu erklären und plädierte dafür, das Patent aufzuheben. Er warnte vor Klagewellen und zunehmender Inkompatibilität von Browsern, Anwendungen und Seiten. Jeder Anbieter werde versuchen, Zahlungen zu vermeiden, indem Umwege um das Patent gesucht würden. Seine Warnung verhallte ohne Erfolg.
In den sechs seitdem vergangenen Jahren wurde das Patent insgesamt dreimal überprüft, zweimal dem vollen Evaluierungsprozess unterzogen und jedesmal als valide bestätigt, zuletzt im Februar 2009. Microsoft ging 2004 zwar in Berufung, gab aber entnervt auf, als der Fall vom Berufungsgericht zwar an die Vorinstanz zurückverwiesen wurde, um eine im Prozess unterlassene Präsentation von Gegenbeweisen vor den Geschworenen zu wiederholen, zugleich aber der Urteilsspruch nicht revidiert wurde. Microsoft suchte daraufhin die außergerichtliche Einigung mit Eolas und zahlte eine bis heute nicht bekannte Summe, um der Sache ein Ende zu machen. Die Zahlung reichte, um den Eolas-Aktionären eine satte Dividende zahlen zu können.
Eolas Patente sind gültig
Sowohl die Überprüfungen der US-Patentbehörde als auch die Gerichtsentscheidungen bestätigen die Rechtmäßigkeit der von Eolas vertretenen Ansprüche. Aus Perspektive der Firma stellt sich das so dar: 1993, kurz nach Veröffentlichung des WWW-Protokolls durch Berners-Lee, hatte der spätere Eolas-Gründer Michael D. Doyle damit begonnen, einen Browser zu entwickeln, der interaktive Programmaufrufe aus Web-Seiten heraus möglich machte.
Das Patent dafür reichte er 1994 ein und konnte die beschriebene Funktionalität auch erfolgreich demonstrieren - auch, wenn aus dem Eolas-Browser nichts wurde. Versuche von Microsoft, das Patent dadurch in Frage zu stellen, indem gezeigt werden sollte, dass die Grundidee schon vorher umgesetzt worden war ("prior art" heißt das im US-Patentrecht), scheiterten.
Damit gilt Doyle als Erfinder dieses Grundprinzipes, denn Berners-Lee hatte den Hyperlink zunächst nur als Schnittstelle zwischen Dokumenten und Adressen im Web beschrieben - nicht aber als Auslöser für andere Applikationen wie Video, Audio, Flash und mehr. Im August 2002 reichte Doyle eine Erweiterung seines ursprünglichen 906'er Patentes ein, die so formuliert war, dass sie auch neue Applikationen abdeckte - bis hin zum erst 2005 definierten Ajax.
Was will Eolas?
Auch diese Erweiterung, das Patent 7,599,985, ist Grundlage der aktuellen Klage, denn das amerikanische Recht erlaubt durchaus die Patentierung von Grundideen - und macht so findige Patent-Formulierer immer wieder zu Profiteuren an den späteren Erfindungen anderer Leute.
Eolas klagt nun wegen Verletzung seiner Patente, respektive wegen Nichtzahlung von Lizenzgebühren zur Nutzung des beschriebenen und patentierten Grundprinzips interaktiver Web-Seitengestaltung. Denn das ist es, was Eolas eigentlich will: Jährliche Lizenzzahlungen, potentiell von jedem Web-Seitenbetreiber und Programmentwickler, dessen Produkte die Eolas-Patente betreffen. Selbst wenn sich Eolas hier bescheiden gäbe, könnte es auch so um Milliardensummen gehen.
Doyle erklärt die Sache so: "Wir haben diese Technologien vor über 15 Jahren entwickelt und sie öffentlich demonstriert, Jahre bevor der Markt von in Web-Seiten eingebundenen Applikationen gehört hat, die im Fernzugriff mächtige Ressourcen anzapften. An den Erfindungen anderer zu profitieren, ohne dafür zu bezahlen, ist zutiefst unfair. Wir wollen nur, was uns zusteht."
Nach Stand der Dinge hat der Mann mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit und im Sinne des Wortes Recht.
Kein Patent-Troll - der Irrsinn liegt im System
Denn das Ausschlachten eines Software-Patentes ist rechtlich gedeckt und ein weit verbreiteter Usus. Das Problem dabei: Es gibt eine Menge davon. Aktuell enthalten die Listen der US-Patentbehörde circa 227.000 Patente, die Computer und Netzwerke betreffen. Prinzipiell müsste jeder Entwickler eines neuen Produktes sicherstellen, dass sein Produkt keines dieser Patente verletzt - oder er müsste eben Lizenzgebühren für die Nutzung zahlen. Die Zahl der Kritiker, die das für absoluten Wahnwitz halten, wächst.
Denn in der Praxis ist das nicht möglich. Großunternehmen, die oft selbst über zehntausende Patente verfügen, halten sich selbst handlungsfähig, indem sie ihre Patente in einen gemeinsamen Pool mit anderen Großunternehmen zur gemeinsamen Nutzung einbringen. Das Gros der Patent-Deals sind daher Geschäfte auf Gegenseitigkeit, bei denen keine Mittel fließen. Zudem steigt das Tempo, mit dem heute jede Kleinigkeit patentiert wird - aus Perspektive der produzierenden und entwickelnden Firmen ist ihr Verhalten schon fast Notwehr.
Dann gibt es Firmen wie Eolas, zu deren Geschäftsmodell es durchaus gehört, Dinge oder zumindest Ideen zu entwickeln und die Patente daran zu vermarkten. Es ist ein Milliardengeschäft: Schätzungen zufolge fließen allein in den USA jährlich rund zwei Milliarden Dollar an Lizenzgeldern dieser Art.
Vorsicht Trolle: gesetzlich sanktionierte Wegelagerei
Das lockt entsprechend viele windige Geschäftemacher auf den Plan. Die dritte Kategorie der Patentehalter führt den ganzen Irrsinn des Systems vor Augen: Patent-Trolle sind Firmen, die Patente aufkaufen, um mit ihnen anderen Firmen Gelder abzupressen; die diffuse Beschreibungen von Grundprinzipien patentieren lassen und dann darauf warten, dass jemand etwas entwickelt, das dazu passt. Oft entwickeln oder produzieren sie selbst absolut nichts - ihr Geschäft ist die Klage.
Sie stellen ein wachsendes Problem dar. Zunächst elf, später 15 US-IT-Firmen, darunter Sun, Hewlett-Packard, Cisco und Google, haben sich 1998 zum Allied Security Trust zusammengeschlossen, der frei werdende oder wichtige Patente aufkauft. Der Zweck der Aktion: Es soll verhindert werden, dass Trolle die Patente in die Hände bekommen und damit Firmen per Gericht erpressen.
Denn auch die Trolle operieren auf der Grundlage des Rechts. Das steht inzwischen reichlich diskreditiert da: Was einst gedacht war, das intellektuelle Eigentum legitimer Entwickler zu schützen, liefert zunehmend die Grundlage für ein Geschäft, das kriminell aussieht, dies aber nicht ist. Das Problem dabei: Zwischen Trollen und Patenthaltern mit berechtigten Interessen zu unterscheiden, ist oft alles andere als einfach. Immer mehr Kritiker meinen darum, dass Software-Patente sowie die Patentierbarkeit von Grundprinzipien und Ideen abgeschafft werden sollten.
Eolas, das tatsächlich Produkte entwickelt, ist kein klassischer Troll. Die Firma verhält sich mitunter nur ähnlich - und hält seit neuestem noch ein Patent, das bald zur nächsten Goldgrube werden könnte: Eolas hat das Prinzip patentiert, sich bewegende Bildelemente in Videos mit Hyperlinks und Schnittstellen für Interaktivitäten zu verbinden.
Auch hier hatte Doyle die Nase früh im Wind: Das Patent 6,616,701 wurde bereits 1998 eingereicht und gilt seit 2003. Hyperlinks in Videos gibt es seit rund zehn Jahren, sie sind heute ein Standard auf unzähligen Webseiten bis hin zu YouTube. Eine Technik, sich bewegende Teile des Bildes - beispielsweise eine bestimmte Person oder ein Auto - mit Informations-Overlays oder Links zu verbinden, ist noch nicht auf dem Markt. Wer auch immer die als erster zur Anwendungsreife bringen wird, wird wohl auch von Eolas hören. So ist das mit Software-Patenten.
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