Ich sprach nicht von "Politikern", sondern von der "Euro-Politik". Und die halte ich, was die letzten 12 Jahre angeht für verheerend: Maastricht-Vertragsbrüche, EZB-Politik ohne demokratische Legitimierung, Draghis "Lira-Lisierung" des Euro... Die 1,9% Inflationsrate seit 1985 ist vor allem deshalb so "hoch", weil es in die frühen 90ern mit 4,5 und 6% drei Jahre mit hoher Inflation gab, die notwendig waren, um die Belastungen der Deutschen Einheit stemmen zu können. Sonst läge der Durchschnitt niedriger. Und schon vor der EZB war die Inflation stabil niedrig (1985-1995). Aber es ist sicherlich so wie du sagst, dass die letzten Jahre die Inflation auch und wegen der EU und des EUR stabil niedrig war. Aber in dieser Zeit wurden eben alle Fehler begangen, die heute zu diesem hohen Ausmaß an politischem und finanziellem Debakel geführt haben. Und vor allem: es darf davon ausgegangen werden, dass Schluß ist mit diesen niedrigen Werten, dass es in Zukunft gezielt hohe Inflation geben wird, um die Schuldenlasten der Südländer zu reduzieren. Und da die Schulden in den Ländern (Griechenland, Zypern, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich) nicht sinken, sondern immer weiter steigen, kann man sich ausrechnen, was uns da droht... Wenn ich als Tramper erst 200 Kilometer schön mitgenommen - und dann vergewaltigt werde, dann kann man nicht sagen: "Aber die ersten 200 Kilometer waren doch in Ordnung...". Ich gebe dir vollkommen Recht: die Politik richtet sich nach dem Wähler. Der Plebs bestimmt die Politik (aber das war immer so und wird auch immer so bleiben). Auch ist das Problem nicht einfach dadurch gelöst, dass z.B. Griechen und Portugiesen aus dem Euro rausfliegen. Die Schulden bleiben bzw. werden dann ebenso abgewertet. Aber etwas anderes ist ein Schuldenschnitt von 30-50% auch nicht, der für viele unausweichlich ist. Vor allem mit Blick auf die weiter und weiter anwachsenden Schulden, der Reform-Unfähigkeit und der Reform-Unwilligkeit der Südländer (inkl. Frankreich!), der Drahi-Politik des Verschiebens der zentralen Fragen in die Zukunft ("Zeit kaufen") stehen jetzt Entscheidungen an: Schuldenreduzierung durch Inflation? Schuldenschnitt von 30-50%? Rauswurf von z.B.Griechenland (und damit Abwertung der Schulden)? Du sagst: Ein Rauswurf ist unmöglich wegen: Targetschulden, Rezession, Märkte brechen weg... Falsch! Wir haben sehr wohl die Wahl: Ein Schuldenschnitt bedeutet, dass 30-50% Verluste zu stemmen sind - und dann können die Länder (weiter im Euro) weiter Schulden auf Kosten anderer machen, also weiter ihre skrupellose Schmarotzer-/Erpresserpolitik betreiben usw. Bei einem "Rausschmiss" ist mit Verlusten in gleiber Höhe zu rechnen (Abwertung auf eigene Währung auch mit 30-50%), aber diese Länder tragen danach in Zukunft alleinige Verantwortung für ihre Politik (zukünftige Belastungen damit ausgeschlossen). Ob sie danach in der Lage sind, ihre Restschulden zu zahlen bleibt im übrigen ebenso offen wie bei der ersten Variante. Aber die Wahrscheinlichkeit liegt höher als bei der Schuldenschnitt-Variante, da Produktivität aufgrund niedriger Kosten sofort sprunghaft ansteigt. Oder (Variante 3) Inflation von 3,4 oder 5%, die ähnlich wirkt wie ein Schuldenschnitt (nur die Belastungen treffen direkt die Sparer, Rentner etc.)? Das sind also die drei Übel, die zur Wahl stehen. Und darüber muss man reden - und eine demokratisch legitimierte Politik wäre jetzt auch langsam mal angebracht...
|