Düsseldorf (RP). Das Projekt Desertec, bei dem mehrere deutsche Unternehmen klimaneutralen Strom in der Sahara gewinnen wollen, nimmt schneller Fahrt auf als vorgesehen. Bereits 2012 soll in Marokko mit dem Bau eines Solarkraftwerks begonnen werden, das am Ende 500 Megawatt leisten soll.
Der Ausstieg aus der Kernkraft beflügelt nun anscheinend auch das Desertec-Projekt, das umweltfreundlichen Strom vor allem aus der nordafrikanischen Wüste gewinnen möchte. Denn nun wollen die Gründungsmitglieder – unter anderem die Deutsche Bank, Siemens, der Versicherer Münchener Rück und die Energiekonzerne Eon und RWE – das Tempo erhöhen und haben bereits ein konkretes Projekt geplant: Schon in zwei Jahren könnte in einem riesigen Solarkraftwerk in Marokko Strom für Europa produziert werden. "Der Bau soll 2012 beginnen", teilte Projektleiter Ernst Rauch von der Münchener Rück kürzlich mit. Die Anlagen sollen demnach auf einer zwölf Quadratkilometer großen Fläche aufgestellt werden und eine Kapazität von 500 Megawatt haben. Das entspricht in etwa der Hälfte eines modernen Atomkraftwerks. Das Vorhaben soll bis zu zwei Milliarden Euro kosten. Die Kosten für die erste Baustufe, ein Kraftwerk mit einer Leistung von 150 Megawatt, veranschlagt Desertec mit bis zu 600 Millionen Euro.
Auch in die Technikfrage kommt Bewegung. Bislang war in den Konzepten vorgesehen, solarthermische Kraftwerke zu bauen, bei denen die Sonne Wasser erhitzt. Darüber würde dann klassisch eine Dampfturbine betrieben, die Strom erzeugt. Der Vorteil: Über Wärmespeicher könnten solche Anlagen auch nachts Energie erzeugen. Vorbild wäre das erst im Juni ans Netz gegangene ägyptische Kraftwerk Kuraymat etwa 100 Kilometer südlich von Kairo: Über 130 000 Quadratmeter Spiegelfläche werden dort zusammen mit Erdgas 150 Megawatt Strom erzeugt.
Jetzt aber scheinen auch Photovoltaik-Kraftwerke nach dem Vorbild der USA mit großen Solarparks im Rennen zu sein. Anfang 2012 soll die Entscheidung fallen, welche Technologie beim ersten Bauabschnitt über 150 Megawatt in Marokko eingesetzt wird. Für die Solarmodule spricht, dass die Bauzeit nur rund zwei Jahre beträgt. Das heißt, bis 2014 könnte die Anlage stehen. Bei Solarthermie wäre erst 2016 damit zu rechnen. Für das Gesamtprojekt bezeichnete Desertec-Sprecher Klaus Schmidtke beide Techniken nun als gleichwertig.
Unabhängig davon, wofür man sich entscheidet: Desertec kommt schneller voran als bei der ersten Ankündigung im Oktober 2009 gedacht. Damals gingen die Gründer der Planungsgesellschaft DII davon aus, dass frühestens 2015 mit dem Bau des ersten Kraftwerks begonnen werden könne.
Doch nach dem beschlossenen Atomausstieg und der Einleitung der Energiewende ist gerade in Deutschland Strom aus der Wüste gefragter denn je. Und auch Marokko hat mangels fossiler Ressourcen ein starkes Interesse an der Förderung der Solarenergie, um seine Abhängigkeit von Stromimporten zu reduzieren. Das Land galt schon länger als Favorit für den Bau des ersten Desertec-Kraftwerks, da zwischen Marokko und Spanien bereits eine moderne Stromverbindung existiert. Bereits im Juni wurde eine Absichtserklärung mit der für Solarenergie zuständigen marokkanischen Staatsagentur Masen unterzeichnet.
Den Desertec-Plänen zufolge soll Europa künftig einen Teil seines Stroms emissionsfrei und damit klimaneutral in den Wüsten Nordafrikas gewinnen: 15 Prozent, wenn nicht sogar 20 Prozent des europäischen Bedarfs sowie ein erheblicher Teil des Verbrauchs in den Erzeugerländern könnte über Sahara-Strom gedeckt werden.
Die Initiative hat bis 2050 ein geschätztes Investitionsvolumen von 400 Milliarden Euro: 350 Milliarden für die Kraftwerke und 50 Milliarden für die Stromübertragung – mit Hochspannungs-Gleichstrom. Einer Technik, die unter anderem bereits in China eingesetzt wird, um Energie aus Kohle- und Wasserkraftwerken im Westen des Landes über mehr als 1000 Kilometer in die Ballungszentren zu transportieren – mit nur drei bis fünf Prozent Leistungsverlusten pro 1000 Kilometer. Mit Wechselspannungs-Leitungen, die derzeit Standard sind, wäre das nicht möglich.
Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge ist die Planungsgesellschaft DII bereit, 30 Prozent der Investitionen zu übernehmen. Derzeit liefen Gespräche mit dem Umwelt- und Wirtschaftsministerium über eine Beteiligung des Bundes. Die Signale seien positiv.
Gruß Lisanne