Ist dieses Gerichtsverfahren wirklich so problematisch, wie der Markt es bewertet? Schon bisher war ein Verkauf oder eine Abspaltung nicht ohne Zustimmung Russlands möglich. Wenn die russischen Machthaber einen Verkauf oder eine Abspaltung zulassen wollen, dann geht das in Russland ohnehin, unabhängig von diesem Urteil. Wenn sie die AO Russland enteignen wollten, könnten sie das ebenfalls jederzeit tun, so verstehe ich jedenfalls die "Rechtslage" in Russland.
Falls dieses Verfahren ein Schritt in Richtung einer bevorstehenden Enteignung wäre, verstehe ich die Marktreaktion ebenfalls nicht. Meiner Meinung nach ist der Wert der russischen Tochtergesellschaft im Kurs der RBI ohnehin bereits komplett abgeschrieben. Doch das ist nicht mein Hauptpunkt – der Markt hat bekanntlich immer Recht.
Wem schadet also dieses Urteil? Mir fällt niemand ein. Wem nützt es? Möglicherweise dem Eigentümer, der RBI? Auf den ersten Blick erscheint dieser Gedanke paradox. Die RBI bleibt hinsichtlich ihrer russischen Tochter der Willkür Russlands ausgeliefert – daran hat sich nichts geändert. Doch jetzt ist die RBI nicht mehr schutzlos den Forderungen verschiedener Stakeholder ausgeliefert, die einen Verkauf, eine Schenkung oder eine vollständige Trennung von der russischen Tochter verlangen. Nun ist ein Verkauf nicht mehr möglich. Die RBI muss nicht mehr erklären, warum dies in den letzten zwei Jahren nicht geklappt hat.
Es ist bekannt, wie lange Gerichtsverfahren in Deutschland – und vermutlich auch in Österreich – dauern. Russland wird wohl kaum schneller agieren, es sei denn, es möchte dies. Sollte die RBI ihre russische Tochter tatsächlich nicht verkaufen oder verschenken wollen – und ich unterstelle hier nichts, aber der erfolglose Versuch könnte darauf hindeuten – dann hat sie dieses Ziel nun erreicht, vorausgesetzt, der Krieg in der Ukraine endet in den nächsten Monaten und die Beziehungen zu Russland verbessern sich.
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