Warum sich OMV nicht auf Wintershall reimt
Analyse | Günther Strobl 2. April 2015, 05:30
Rainer Seele wechselt mit einer herzeigbaren Bilanz zur OMV. Der Wermutstropfen: ein geplatzter Wintershall-Deal mit Gasprom
Wien/Kassel - In Deutschland ist Wintershall durchaus auch Leuten ein Begriff, die mit Öl und Gas wenig am Hut haben. In Österreich hat Wintershall spätestens seit vergangenem Freitag schärfere Konturen. Da hat der Aufsichtsrat der OMV Rainer Seele, den Vorstandsvorsitzenden des deutschen Energiekonzerns, zum Nachfolger von Gerhard Roiss an der Spitze von Österreichs größtem Unternehmen bestellt.
Wintershall (sprich: Winters-hall), ist Deutschlands größter Erdöl- und Erdgasproduzent. Der Name setzt sich zusammen aus dem Nachnamen von Carl Julius Winter, einer der Unternehmensgründer, und dem althochdeutschen Wort für Salz - Hall.
Was früher für Wintershall in der Frühphase das Kalisalz war, ist jetzt Öl und vor allem Gas. Der Konzern mit Sitz in Kassel verfügt über ein engmaschiges Netz an Produktionsstätten - von der Nordsee bis Libyen, von Russland bis Argentinien. Seele trägt seit Oktober 2009 die Gesamtverantwortung für das Unternehmen. Die Bilanz seiner knapp sechs Jahre auf dem Chefsessel von Wintershall kann sich durchaus sehen lassen.
Wintershall ist mit einem Umsatz von zuletzt fast 15 Milliarden Euro zwar um einiges kleiner als die knapp 36 Milliarden Euro schwere OMV, dafür um vieles profitabler. In Zeiten, wo die Energiemärkte verrückt spielen, alle in der Branche um Schadensbegrenzung bemüht sind und Investitionen zurückgeschraubt werden, keine Selbstverständlichkeit. Das ist mit ein Grund, warum sich OMV nicht unbedingt auf Wintershall reimt.
Seele, der seinen Job bei der OMV mit 1. Juli antritt, wird ein "Zug zum Tor" nachgesagt. Er gilt als intelligent, selbstbewusst, durchsetzungsstark - "ein Alphatier eben", wie es einer, der Seele schon seit längerer Zeit aus beruflichem Interesse beobachtet, im STANDARD-Gespräch formulierte.
Eine Episode aus dem Vorjahr freilich stößt einigen Mitarbeitern noch immer sauer auf. Zwei Wochen vor dem Verkauf der Wintershall-Anteile an der ostdeutschen Verbundnetz Gas AG (VNG) an die Oldenburger EWE hat Seele in einer Betriebsversammlung noch bekräftigt, das nicht zu tun. "Und plötzlich waren die Treueschwüre Schall und Rauch," erinnert sich ein Eingeweihter.
Einige Baustellen
Bei der OMV wird Seele einige Baustellen angehen müssen. Insbesondere im Gasbereich, früher einmal der Geldesel der OMV, liegen die Dinge im Argen. Seele selbst hat in dieser Sache viel Erfahrung, war er doch selbst einmal für den Gasvertrieb bei der Tochterfirma Wingas zuständig.
Die OMV hat im Gegensatz zum deutschen Pendant ein starkes Ölstandbein -- bei Wintershall ist das Gasgeschäft um einiges wichtiger. Die OMV ist zudem im Raffineriegeschäft vertreten (Wintershall gar nicht) und hat mit Petrol Ofici ein Unternehmen mit guten Wachstumsaussichten in der Türkei im Portefeuille.
Dafür ist Wintershall schon seit vielen Jahren in Südamerika, namentlich in Argentinien, präsent. Zunehmende Bedeutung hat für die Deutschen auch Russland. Gerade unter Seele wurden die Aktivitäten jenseits des Urals deutlich ausgeweitet. Zuletzt gab es allerdings einen Rückschlag für Seele, eine Art Wermutstropfen in der an und für sich tadellosen Bilanz des Managers. Wingas hätte zur Gänze an Gasprom gehen sollen, im Gegenzug wäre Wintershall mit weiteren Produktionslizenzen in Sibirien entschädigt worden. Der Deal ist Ende 2014 in letzter Minute geplatzt - angeblich, weil der russische Präsident Wladimir Putin die Reißleine gezogen hat. Angesichts der westlichen Sanktionen gegen Russland sei es Moskau nicht opportun erschienen, einem westlichen Unternehmen in dieser spannungsgeladenen Zeit Lizenzen zum Bohren und Fördern von Gas zuzuschanzen, geht das Ondit.
Dafür kann zwar Seele nichts, seine Stellung innerhalb der BASF sei dadurch aber geschwächt worden. BASF ist der Mutterkonzern von Wintershall, der Chemieriese aus Ludwigshafen hält 100 Prozent. Das und die Tatsache, dass Seele bereits einmal bei einem Vorstandsumbau in der BASF übergangen worden ist, dürften seine berufliche Neuorientierung mit befördert haben.
Wenn Seele Anfang Juli in den Glasbau der OMV in der Wiener Trabrennstraße einzieht, dürfte sich auch atmosphärisch etwas ändern. Anders als Roiss gilt Seele als Mann mit diplomatischem Geschick, der sich auch in kritischen Situationen zu kontrollieren weiß. Die Mitarbeiter werden es schätzen. (Günther Strobl, DER STANDARD, 2.4.2015)
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