+++ Dow Jones mit größtem Tagesminus in seiner Geschichte +++
Der US-Leitindex verliert nach der Ablehnung des Hilfspakets 738 Zähler oder 7,0 Prozent. Er schließt bei 10.365 Punkten.
Nach gescheitertem Rettungsplan Schock, Panik, Ratlosigkeit
Es ist das "unthinkable" geschehen, das Undenkbare. Erst am Sonntagabend hatten sich Republikaner und Demokraten im US-Kongress auf einen Rettungsplan für die in der Finanzkrise taumelnden Banken geeinigt. Die ganze Welt hatte an diesem Montag auf Washington geschaut, immer wieder wurden die "katastrophalen Konsequenzen" ausgemalt, falls das 700 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket scheitern sollte. Und dann ist genau das geschehen: 228 zu 205 Stimmen ließen das Undenkbare eintreten, das Programm scheitern. Manche sprechen vom Supergau für die weltweiten Finanzmärkte. Millionen Menschen in der ganzen Welt könnten betroffen sein. Und jeder fragt sich: Wie geht es jetzt weiter? Dramatischer hätte es kaum sein können: Noch während die Abgeordneten in den ehrwürdigen Hallen im Kapitol abstimmten und klar wurde, dass die notwendige Mehrheit nicht zustande kommt, erlebten die Kurse an der Wall Street ein erstes dramatisches Abrutschen. "Wir brauchen dieses Gesetz", sagte ein Händler. "Das ganze Wochenende wurde uns gesagt, dass es mit dem Paket klappt. Und jetzt?" Der Hilfeschrei des Experten: "Wir müssen die Banken wieder dazu bringen, Geld zu verleihen." Kaum war die Abstimmung zu Ende, begannen die Schuldzuweisungen. "Das amerikanische Volk hat das Rettungspaket abgelehnt, jetzt hat dies auch das Repräsentantenhaus getan", kommentierte der republikanische Abgeordnete Mike Pence. Vor allem Republikaner hatten mit Nein gestimmt, doch auch viele Demokraten verweigerten die Zustimmung. 700 Milliarden Dollar, die den Steuerzahlern aufgebürdet werden sollten - das ist nur wenige Wochen vor den Präsidentenwahlen nicht gerade eine populäre Entscheidung. Immerhin ermittelt das FBI gegen mehrere Banken, und jetzt ein Geldregen just für diese Finanzinstitute - für viele Abgeordnete war das einfach zu viel. Niederlage für Bush Die Pleite im Kongress ist auch eine ganz persönliche Niederlage für US-Präsident George W. Bush. Während ihm Kritiker zunächst Untätigkeit in der Krise vorgeworfen hatten, war er am Wochenende gleich dreimal mit ernster Miene vor die TV-Kameras getreten, hatte von "kühnen Schritten" und einem "guten Gesetzentwurf" gesprochen - doch selbst seine eigenen Parteileute folgten ihm nicht. Selten hatte sich Bush für ein Gesetz derartig stark gemacht, die Autorität des Präsidenten der mächtigsten Nation der Welt scheint auf den Nullpunkt gesunken. Wie geht es jetzt weiter? So genau weiß das niemand. "Wir müssen die Märkte stabilisieren", meinte die demokratische Sprecherin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi. "Die Abstimmung ist gescheitert, doch die Krise hält an." Das klingt hilflos. Manche Abgeordnete versuchten in ihrer Verzweiflung darauf zu dringen, bereits im Laufe des Montags nochmals abzustimmen - doch dies wurde nach kurzen Überlegungen als schlichtweg zu riskant abgelehnt. Als eine Möglichkeit gilt es nun, reumütig die Scherben aufzusammeln und zu versuchen, sie in einem erneuten Anlauf wieder zusammenzusetzen. Auch dies scheint auf den ersten Blick nicht sonderlich erfolgversprechend - denn die grundsätzlichen Bedenken der konservativen Republikaner wären damit nicht ausgeräumt. Spekulationen um weiteren Gesetzentwurf Zugleich gingen Spekulationen um, im Weißen Haus werde bereits an einem weiteren Gesetzentwurf gearbeitet. "Wir sind bereit weiterzuarbeiten... wir müssen weiterarbeiten", meinte der republikanischer Abgeordnete Barney Frank. Auch das klingt nicht wirklich optimistisch. Schließlich hatte Frank nur wenige Stunden zuvor seine Abgeordnetenkollegen leidenschaftlich und verzweifelt zur Annahme des Pakets aufgerufen. "Wenn wir diese Gesetz nicht verabschieden, wäre dies ein sehr schlechter Tag für den Finanzsektor und die amerikanische Wirtschaft", warnte er. Vergeblich. Es dürfte mehrere Tage dauern, bis in Washington die Lösung gefunden ist. Das "Undenkbare" ist geschehen, die Konsequenzen sind unabsehbar - erste Hinweise auf die Folgen werden die Finanzmärkte an diesem Dienstag bringen. Peer Meinert, dpa
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