Hi ihr beiden.
Ich sehe den Einsatz von Patenten im Technologie-Bereich generell ziemlich kritisch. Die Praxis hat sich von dem eigentlichen Sinn des Patentrechts, dem Wettbewerbsschutz, ziemlich weit entfernt. Patente werden mehr und mehr strategisch dazu eingesetzt, um andere Wettbewerber zu schädigen. Besonders drastisch zeigt sich das an diesen unsäglichen Patent-Konsortien wie z.B. dem Nortel-Konsortium. Gerade im IT- und Softwarebereich kommt hinzu, dass auf Grundlage der gegenwärtigen rechtlichen Praxis häufig Patente mit einer geringen Erfindungshöhe vergeben werden.
Aber konkreter zu Nokia: Wie in dem Artikel ja auch betont wird, hat Nokia tatsächlich sehr viel Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt. Insofern ist es natürlich erstmal gerechtfertigt, dass Nokia bestrebt ist, diese Innovationen zu schützen. Aber so schwarz/weiß wie orleon das darstellt, verhält sich die Sache einfach nicht.
HTC hat standardrelevante von Nokia sehr wohl patentiert. Die eingeklagten Forderungen von Nokia beziehen sich auf Patente, die nicht der Fair-Use-Regelung unterliegen. Wie aber die Gerichtsurteile zeigen, handelt es bei den eingeklagten Patenten zum großen Teil um Trivialpatente, weswegen bereits mehrere Klagen abgewiesen wurden. Auch bei der aktuellen erfolgreichen Patentklage von Nokia handelt es sich offenbar um ein Patent, das redundant ist und in Deutschland gar nicht mehr eingesetzt wird. Ich gehe davon aus, dass das Patent als nichtig erklärt wird. Angesichts einer solchen Vorgehensweise seitens Nokia ist es für mich nicht abwegig, von patentrollähnlichen Methoden zu sprechen. Und ja, Apple dürfte in diesem Zusammenhang keinen Deut besser zu sein.
Du hast ja die Frage gestellt, Twinn, ob es fair ist, dass LG, Samsung oder Apple Lizenzvereinbarungen mit Nokia geschlossen haben, HTC aber nicht. Das ist natürlich eine berechtigte Frage. Aber die lässt sich auch andersherum stellen. Wie der Artikel anführt, zahlen Huawei und Lenovo keine Lizenzgebühren. Ist das gerecht gegenüber HTC? Führt das nicht zu Wettbewerbsverzerrung? Genau in dieser Selektivität liegt das Problem: Ein - was Patente betrifft - marktbeherrschendes Unternehmen wie Nokia hat die Möglichkeit, selektiv kleine Wettbewerber wie HTC zu schädigen. Ein Verkaufsverbot könnte im schlimmsten Falle eine Insolvenz nach sich führen. Da es keine Lizenzregelungen für die nicht standardrelevante Patente gibt, ist die Möglichkeit gegeben, über die Erzeugung von Druck unverhältnismäßige Zahlungen zu erzwingen. Und genau im Falle eines solchen Missbrauchs von Marktmacht greifen Anti-Trust-Gesetze. Vor dem Hintergrund erfolgte auch die Mahnung des Europäischen Wettbewerbskommissars. Die Realität ist also etwas komplexer als deine Diebstahl-Metaphorik suggeriert, orleon.
Allerdings muss man auch dazu sagen, dass solche moralisch-politischen Reflexionen aus Anlegersicht ziemlich müßig sind. Als Nokia-Aktionär kommt es freilich nur darauf an, für wie effektiv man zukünftig die Patentstrategie von Nokia hält.
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