(aus ONEtoONE Print, Ausgabe 10/07) „Gütersloh ist ein guter Standort“Lycos-Europe-Chef Christoph Mohn über den Fachkräftemangel und die Defizite in der Online-WerbungLycos Europe hat im ersten Halbjahr 2007 erneut ein starkes Minus (24 Prozent) im Online-Werbegeschäft erwirtschaftet, während der Gesamtmarkt hohe zweistellige Wachstumsraten ver-zeichnet. Der Lycos-Gesamtumsatz stagnierte bei 41,2 Millionen Euro (2006: 41,6 Millionen Euro). Der Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) erhöhte sich auf 7,6 Millionen Euro nach 100.000 Euro im ersten Halbjahr 2006. Das Betriebsergebnis war mit 48,7 Millionen Euro zwar deutlich positiv, allerdings nur dank der Veräußerung des Portals Seznam für 64,8 Millionen Euro. ONEtoONE sprach mit CEO Christoph Mohn über die konzerninterne Werbeflaute, den Standort Gütersloh und die Probleme mit Google. Warum hinkt Lycos bei der Online-Werbung immer noch hinterher? Als 2001 die Werbemärkte eingebrochen sind, haben wir uns auf Paid-Services, Shopping und Kostensenkungsmaßnahmen konzentriert. Wir hatten damals kaum Eigenprodukte, sondern nur lizenzierte aus den USA. Wir haben damals angefangen, eigene Produkte aufzubauen. Inzwischen ist das Shopping- und Paid-Services-Geschäft fast doppelt so groß wie unser Werbegeschäft. Allerdings haben die beiden Bereiche immer viel Entwicklungskapazität auf sich gezogen. Erst seit ein, zwei Jahren legen wir die Entwicklungskapazitäten im Schwerpunkt auf die kostenlosen Produkte. In der Folge bringen wir jetzt nach und nach neue bzw. verbesserte werbefinanzierte Produkte auf den Markt. Vorher wurden die meisten kostenlosen Produkte im Maintenance-Modus gefahren. Es wurden lediglich einige neue Features entwickelt, aber kein neues Produkt. War der Vertrieb dadurch in der Vermarktung gehemmt? Der Vertrieb kann immer nur das verkaufen, was da ist. Wenn die Zahl der abgerufenen Seiten nicht steigt, dann hat er kein zusätzliches Inventar, was er verkaufen kann. Das Gesamtvolumen, das in Europa verkauft werden kann, ist in den letzten Jahren stark gestiegen, unseres aber nicht. Was bei uns stark steigt, ist Lycos IQ. Das ist aber noch ein relativ kleines Pflänzchen. So langsam wird es ein größeres. Bei den Paid Services haben wir schon in der Vergangenheit ein sehr großes Wachstum gehabt, gerade im Domain-Geschäft, wo wir Marktführer in Deutschland sind. Wohin fließen Ihre Marketinggelder? Größere Summen setzen wir bei United Domains ein, zum Beispiel für Suchmaschinen-Werbung. Wir schalten aber auch Anzeigen im Offline-Bereich, zum Beispiel in Fachzeitschriften. Für den Hosting-Bereich werben wir ebenfalls, zum Beispiel mit Online-Banner-Kampagnen und Keyword-Advertising. Für Lycos IQ haben wir ein größeres Marketing-Budget. Demnächst werden wir dafür auch Offline-Werbung starten. Die werbefinanzierten Produkte werden marketingtechnisch nicht beworben. PR und Verlinkungen von anderen Lycos-Produkten sind hier die Schwerpunktaktivitäten. Wenn die neuen Produkte gestartet sind, wird es dann eine Vertriebsoffensive geben? Ja, das machen wir immer, wenn wir ein neues Produkt haben und dieses stabil eingeführt ist. Dann gehen wir auf die Werbekunden zu und zeigen ihnen, welche Werbemöglichkeiten sich durch die neuen Produkte ergeben und wie man damit bestimmte Zielgruppen besser erreichen kann. Der Vertrieb läuft zeitlich immer ein bisschen versetzt. Schließlich muss das Produkt erst eingeführt werden, dann muss es in der Regel migriert sein. Erst dann kann der Vertrieb das Inventar vernünftig verkaufen. Insofern ist das eher etwas fürs zweite Halbjahr. In der Bilanz steht, dass Sie mit Ihrer Produktsuche aus dem Google-Index geflogen sind. Warum? Warum uns Google nicht mehr so prominent listet, weiß ich nicht. Google hat immer wieder Umstellungen im Algorhythmus, wodurch das Ranking der einzelnen Angebote verändert wird. Diese Veränderungen treffen mal den einen, mal den anderen Marktteilnehmer. In diesem Fall hat es leider zu einem Rückgang des Produktsuch-Traffics bei uns geführt. Wie reagieren Sie darauf? Wir sind mit anderen Produkten bei Google durchaus gut zu finden. Man muss nur zusehen, dass man ein gutes Alleinstellungsmerkmal für sein Produkt hat, so dass man – egal, wie Google seinen Algorithmus gerade gewichtet – relativ weit vorne in den Ergebnislisten auftaucht. Wir hatten das Problem, dass – zumindest bei unseren eigenen Marken – die Differenzierung zwischen unseren und fremden Shopping-Produkten nicht deutlich genug war. Daran arbeiten wir jetzt. Die Branche klagt allgemein über einen Fachkräftemangel? Wie sieht es bei Ihnen aus? Die PR-Director-Stelle war beispielsweise über ein Jahr lang vakant. Für bessere Positionen muss man schon suchen, aber das war immer so. Wir sehen keine dramatische Änderung. Vielleicht ist es auch so, dass etablierte Spieler wie wir es etwas leichter haben, Leute zu sich zu ziehen als Start-ups. Wird der Standort Gütersloh langfristig zum Wettbewerbsnachteil? Der Standort ist immer ein Faktor. Für einige Bereiche ist es sicherlich ein Vorteil, dass wir hier sind. Wir tun uns in anderen Standorten wie München schwerer, Leute zu finden, weil der Markt dort viel umkämpfter ist. Dort gibt es sehr viele IT-Firmen. Bei United Domains in Starnberg bei München haben wir sogar tschechische IT-Spezialisten eingestellt. Gütersloh ist dagegen ein guter Standort. Wir sind schließlich eine sehr technische Firma und haben einige technische Universitäten in der Umgebung. Dort sind wir einer der attraktivsten Arbeitgeber. Der Wettbewerb um die guten Leute ist zwar da, aber sicherlich nicht in dem Maße wie in München. Anders sieht es im Kreativbereich aus, für den man in Städten wie Berlin leichter Personal findet.
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