Diesen Post habe ich gestern auf Facebook gefunden/gesehen:
Liebe potentielle AfD-Wählerinnen und Wähler in Mecklenburg-Vorpommern, keine Sorge, hier folgt keine Hasstirade auf euch. Keine Unterstellung von Dummheit oder die "Nazi-Keule" oder sonstiges. Wer AfD wählt - ist nicht automatisch Nazi oder dumm. Aber, ich bitte euch, wie es bei einer Wahl üblich ist, genau zu überlegen, nicht für WEN ihr eure Stimme gebt, sondern für WAS. Genauer gesagt: WESHALB möchtet ihr die AfD wählen? Ich bin keine Zeitung, keine staatliche Institution, ich bin Künstler, mein Geld verdiene ich ausschließlich damit, Bücher zu schreiben und auf der Bühne zu stehen. Politisch betätige ich mich nicht. Dies nur vorweg. Prüft es gerne nach. Nun aber: ihr möchtet eine freie Gesellschaft, Meinungsfreiheit, Sicherheit, nehme ich an. Wie wir alle. Es ist euer gutes Recht, Angst zu haben. Der Strom der Flüchtlinge ist auch ziemlich beängstigend. Viele fremde Menschen, die unsere Sprache nicht sprechen, in einer anderen Kultur verwurzelt sind - klar, das kann einem schon Angst einjagen. Denn wir haben Angst vor dem, was wir nicht verstehen. Geht mir genau so. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen, ich war immer umgeben von Menschen mit anderen Hautfarben, anderen Sprachen und kulturellen Praktiken. Das macht mich nicht zu einem "besseren Menschen", sondern schlicht zu einem, der das, vor dem ihr vielleicht Angst habt, sein Leben lang kennt. Ich habe da keine Angst vor, weil ich damit aufgewachsen bin. Sprich: ich bin umgeben von Deutschen und Türken und Polen und Russen und Griechen und Albanern und und und aufgewachsen. Ich bin deshalb nicht weniger und nicht mehr Deutsch geworden. Niemand hat mir meine Kultur weggenommen, niemand meine Sprache oder meine Freiheit. Kultur ist nichts, was sich wegnehmen lässt. Kultur wird gelebt, dadurch entsteht sie. Und jeder lebt seine eigene Kultur. Kultur ist kein Kantinenessen, das vom Chef bestimmt wird. Kultur ist ein Buffet. Jeder darf so viel oder so wenig von so vielen oder wenigen Dingen nehmen, wie er mag. Bei einem Buffet schaufelt niemand fremdes Zeug von seinem Teller auf euren Teller. Er sitzt allerhöchstens neben euch, und fragt "willste mal probieren?" Und, klar, das riecht manchmal komisch, was der andere da auf dem Teller hat. Aber das ist der Preis, den man für eine freie Gesellschaft zahlt. Denn: ihr dürft ja auch auf dem Teller haben, was ihr wollt. Eure Kultur ist so lange nicht in Gefahr, wie ihr sie selber praktiziert. Punkt. Die deutsche Sprache auch nicht. Sprache wandelt sich, immer schon. Aber Sprache ist auch etwas, was ihr bestimmt. Sprache ist, was ihr sprecht. Nicht andersherum. Zum Schluss: Sicherheit. Die AfD möchte mehr Sicherheit für die Bürger. Aber Sicherheit bekommen wir nicht durch Grenzen. Sicherheit ist ein höchst subjektives Gefühl. Denn objektiv - gibt es keine Sicherheit. Das Gefühl von Sicherheit entsteht, unter anderem, durch Vertrauen. Statistiken - sind der Feind des Gefühls von Sicherheit, denn sie sagen nichts über Individuen aus. Alles ist potentiell gefährlich. Busse, Himbeereis, Ich und Du. Flugzeuge sind, statistisch gesehen, angeblich das sicherste Verkehrsmittel der Welt. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege. Dennoch habe ich so eine enorm verschissene Angst vor Flugzeugen, ich fahre lieber 10 Stunden Zug als zwei Stunden im Flieger zu sitzen, wenn es sich irgendwie arrangieren lässt. Warum ist das so? Weil Flugzeugkatastrophen immer so spektakulär sind. Weil sie so grauenhaft, so groß und plötzlich und vor allem: unerwartet sind. Genau so ist es auch mit Terror. Terror ist spektakulär und grauenhaft, groß und plötzlich und unerwartet. Und genau, wie nicht jedes Flugzeug abstürzt, genau so ist auch nicht jeder Moslem ein Terrorist. Und genau wie kein Flugzeug abstürzt, weil es ein Flugzeug ist, sondern weil bei diesem einen, individuellen Flugzeug irgendetwas massiv falsch gelaufen ist, so ist auch kein Moslem ein islamistischer Terrorist, weil er Moslem ist. Sondern weil bei ihm etwas massiv falsch gelaufen ist. So wie Gudrun Ensslin oder Baader keine christlichen Terroristen waren, weil sie Christen waren, sondern weil bei ihnen etwas massiv falsch gelaufen ist. Deutschland hat kein "Flüchtlingsproblem" oder ein "Islamismusproblem". Deutschland hat ein Angstproblem. Und daran wird, leider, auch die AfD nichts ändern können. Nur ihr selbst. Moslems werden nicht verschwinden, wenn man die AfD wählt. Terror wird nicht verschwinden, wenn man die AfD wählt. Auch die Angst wird nicht verschwinden, wenn man die AfD wählt. Auch nicht, wenn man SPD wählt, oder die CDU oder NPD oder oder oder. Angst verschwindet nur, wenn man sich ihr stellt. Um dann zu sehen, dass die größte Bedrohung der eigene Kopf ist, der subjektive Sicherheit unmöglich macht. Ich muss manchmal fliegen. Geht nicht anders. Es ist jedes mal ein Kampf. Aber: ich tue es trotzdem. Und jedes mal lerne ich die Vorteile ein kleines bisschen mehr zu schätzen. Und verliere ein kleines Stückchen Angst. Was ich sagen will, ist folgendes: wählt, was ihr wollt. Dafür ist Demokratie da. Aber überlegt euch, ob die Partei eurer Wahl wirklich etwas an dem ändern kann, was euch bewegt, was euch Angst bereitet. Oder ob sie eure Angst nur teilt. Denn gemeinsam Angst zu haben - ist leider nicht die Lösung. Sondern das Gegenteil. Gehabt euch wohl. Viel Liebe,
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