ein kleiner nachschlag: natürlich sind sarrazins und schirrmachers textabsonderungen nicht wirklich vergleichbar. schirrmacher ist zugute zu halten, dass er sich selbst in zweifel zieht ... eine fähigkeit, die nur wirklich grosse geister mitbringen - sarrazins motivationen kenne ich nicht im detail - ich bin mir jedoch sicher dass seine eitelkeit nicht die kleinste triebfeder war. beiden gemein ist maximal, dass sie "erkenntnisse" zu papier bringen, die im diametralen gegensatz zu ihren politischen wurzeln stehen.
worum geht es? um mißstände und ihre deutung, denke ich. sarrazin wird aus der rechten ecke applaudiert - wen wunderts- er spricht manch wahres aus, das herr ströbele nicht wahrhaben möchte, überzieht und pauschaliert dabei und bietet (bewusst?) keine lösung an ... das potentielle resummee seines werkes kann auch der dümmste ziehen: deutsche und türken können kulturell nicht miteinander, ergo sollten die türken -zumindest viele- wieder gehen, nicht wahr?
der (ungeklärte?) mißstand, der herrn schirrmacher umtreibt ist da etwas komplexer - für die letzte globale, neoliberale dekade und ihren (logischer?) kulminationspunkt, die finanzkrise bietet keine bürgerliche regierung der westlichen welt ein befriedigendes erklärungs- oder handlungsmodell. das ist so falsch nicht, denn an jedem tag, den der herr werden lässt, wenden die menschen einen teil ihrer kreativität dafür auf, üble dinge zu ersinnen: massenvernichtungswaffen, trinkgeldbesteuerung, snuff-videos, antifaschistische schutzwälle oder ungedeckte leerverkäufe. jetzt zieht er daraus ja fast den schluss, dass diejenigen, die die bürgerliche flanke seit jeher kritisiert haben im recht sein könnten ... und ab hier treibt sein essay in den bereich des irrtums. blöd gesagt: wenn ein derartiger mist passiert hat jeder, der die bürgerliche ideologie und die semikapitalistische wirtschaft kritisiert völlig recht - sei er nun ein zins-kritischer muslim, ein antizionistischer wallstreet-gegner, ein rheinischer katholik alten schlages oder eben ein irgendwie gearteter linker. und keinem dieser großschwätzer fällt es ein dabei zu differenzieren - dass z.b. die deutschen diese krise bislang hervorragend gehandled haben, dass es vor allem die plurale interessenlage der staaten ist, die eine gemeinsames vorgehen so schwierig macht - (das hat mit links und bürgerlich gerade mal gar nix zu tun), dass die globalisierung in vielen schwellenländern peu a peu das hervorbringt, was auch 50 "entwicklungshilfe" des comecon nicht vermochte: echte souveränität und eine mittelschicht.
vielleicht, herr schirrmacher ist ganz etwas anderes wahr - vielleicht haben wir gerade das problem, dass die bürgerlichen nicht kapitalistisch genug sind. wären sie das nämlich, so würden sie ihren ricardo auch anwenden und den parasitären banken dieser welt kräftig in den arsch treten.
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