Nur, um mal einen Anreiz zu geben, wie (unbewusst?) manipulativ Sarrazin vorgegangen ist.
"Auf den folgenden Seiten versucht Sarrazin seine Behauptung, dass Intelligenz erblich sei, an mehreren Beispielen zu veranschaulichen. Er beginnt tatsächlich mit dem Hinweis, dass ?jeder Hunde- oder Pferdezüchter? davon lebe, dass Tiere unterschiedlich intelligent seien und dass diese Unterschiede erblich seien (S. 92).
Dann, auf Seite 93, wird die zwei Seiten zuvor geäußerte Behauptung wiederholt: ?Unter seriösen Wissenschaftlern besteht heute zudem kein Zweifel mehr, dass die menschliche Intelligenz zu 50 bis 80 Prozent erblich ist.? Jetzt wird diese Behauptung mit einer Fußnote belegt (Fußnote 64 zu Kapitel 3). Schlagen wir die Fußnote nach, lesen wir ein wörtliches Zitat aus einer wissenschaftlichen Quelle, die tatsächlich seriös ist.[7]
In der Originalquelle heißt es: ?1. Die hohen Langzeitstabilitäten in der Intelligenzleistung, die bereits in der frühen Kindheit um r = .50 betragen und ab der späten Kindheit auf über r = .80 ansteigen, sprechen für das Vorliegen eines stabilen Persönlichkeitsmerkmals.? (S. 417f.) Hier tauchen also die Werte 0,50 und 0,80 auf ? aber es sind keine Prozentsätze, sondern es handelt sich hier um den Produkt-Moment-Korrelationskoeffizienten nach Bravais/Pearson, das in der Statistik am häufigsten verwendete Zusammenhangsmaß. Tatsächlich kann man eine Korrelation auch in Prozent ausdrücken, nämlich wie viel Prozent der Varianz der abhängigen Variable durch die unabhängige erklärt werden. Dieses Maß wird vom Determinationskoeffizienten R2 angegeben, dieser ist aber das Quadrat von r, in unserem Fall also 0,25 und 0,64. Wenn hier etwas variiert, dann ist es nicht zwischen 50 bis 80 Prozent, sondern zwischen 25 und 64 Prozent.
Genau der gleiche Fehler, nämlich r mit R2 zu verwechseln, findet sich auf Seite 98. Auch hier spricht Sarrazin von einer Korrelation der Intelligenz getrennt aufgewachsener eineiiger Zwillinge von ?78 Prozent?. Die Fachliteratur[8] spricht dagegen von Korrelationskoeffizienten von r = 0,67 (was einem R2 von 45% entspricht) bis r = 0,78 (R2 = 61%), was auch nicht übermäßig viel sagt, weil die sozioökonomischen Kontexte, in denen getrennte Zwillinge aufwachsen, häufig im Hinblick auf die Lernbedingungen nicht dramatisch unterschiedlich sind, zumindest keine Migrationserfahrung beinhalten.
Der Unterschied zwischen den Koeffizienten r und R2 ist keine höhere Wissenschaft, sondern Gegenstand jeder Einführung in die Statistik, wie sie Thilo Sarrazin in seinem Volkswirtschaftsstudium absolviert hat. Deshalb kann man hier wohl davon ausgehen, dass es sich um eine bewusste Irreführung des wissenschaftlich nicht vorgebildeten Lesers handelt.
Noch bedeutsamer ist, dass der zitierte Satz Sarrazins Behauptung auch inhaltlich nicht stützt. Bei der zitierten Korrelation geht es überhaupt nicht darum, wie viel Intelligenz erblich ist, sondern lediglich darum, dass Intelligenz ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal darstellt, das sich in der Entwicklung eines Kindes nur wenig ändert, und zwar umso weniger, je älter das Kind ist, oder, im Umkehrschluss, umso stärker, je jünger das Kind ist. Bei jüngeren Kindern gibt es also ? positive oder negative ? Einflüsse auf die Entwicklung der Intelligenz, die über die erbliche Veranlagung hinausgehen. Das ist aber genau das Gegenteil von dem, was Sarrazin behauptet." ----------- Dumme Menschen stellen keine Fragen.
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