| Trotz einer festen Anstellung bot die ARGE Renate Rinn einen neuen Job an. |
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| Frontal21
Hartz IV verkehrt
Behörden machen arbeitslos
Die Arbeitsgemeinschaften der Arbeitsagenturen und Kommunen, kurz ARGE, kümmern sich um die Hartz IV-Empfänger im Lande - das ist bekannt. Doch kaum jemand weiß, dass die Behörden auch Berufstätige unter ihre Fittiche nehmen - oftmals gegen deren Willen.
von Hans Koberstein, 10.10.2006 |
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| | <!-- right-sb-teasers start --><!-- right-sb-teasers end --> | | | | | | | | | | | So fordern sie Menschen zur Bewerbung auf, die längst eine Stelle haben oder verlangen, dass sie mehr arbeiten als bisher, bis zu 60 Stunden in der Woche. Der Grund: Der Lebenspartner bezieht Arbeitslosengeld (ALG) II. Um diese Leistung möglicherweise kürzen zu können, halten die Behörden für die Arbeitnehmer in der so genannten Bedarfsgemeinschaft Ausschau nach vermeintlich lukrativeren Jobs. | | | | | | Nur eine "Formalie" Fünf Millionen Arbeitslose und Empfänger von Arbeitslosengeld II gibt es hierzulande, für die die Arbeitsagenturen und Jobcenter zuständig sind. Doch das ist den Behörden nicht genug, so scheint es. So bekommt zum Beispiel auch die berufstätige Renate Rinn aus Sachsen Post. Obwohl die Mittfünfzigerin einen langjährigen und sicheren Arbeitsplatz in der Elektro-Montage hat, teilt die ARGE ihr mit, dass sie künftig als arbeitssuchend gemeldet sei. Gleichzeitig fordert man sie auf, sich eine neue Stelle zu suchen. Dabei ist Renate Rinn schwerbehindert und sehr zufrieden mit ihrem langjährigen Arbeitgeber. | | | | | | | | | ARGE-Mitarbeiterin Uhlemann: Diese Praxis sei gang und gäbe. | | |
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| | | | | | Die Arbeitnehmerin kann nicht glauben, was in dem Brief steht. Sie vermutet eine Verwechselung mit ihrem Mann, der Hartz-IV-Empfänger ist. Doch das zuständige Amt, die ARGE Landkreis Mittweida, bestätigt ihr, alles habe seine Richtigkeit. Katja Uhlemann von der ARGE des Landkreises erklärt das gegenüber Frontal21 wie folgt: "Grundsätzlich ist es so: Wenn sich jemand arbeitslos meldet, beziehungsweise als ALG-II-Empfänger registriert wird, werden alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ebenfalls als arbeitssuchend registriert." Der Gesetzgeber schreibe vor, "dass alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft daran mitwirken sollen, die Bedürftigkeit abzustellen." Uhlemann spricht von einer "Formalie, die das Gesetz vorgibt". Diese Praxis sei "gang und gäbe". | | | | | | Behördenlogik Grundlage der gesetzlichen Vorgaben für die so genannten Bedarfsgemeinschaften: Wer zusammen lebt, muss auch finanziell füreinander einstehen. Im Falle von Frau Rinn heißt das: Wenn das Gehalt einer vorgeschlagenen Stelle über dem der bisherigen liegt, muss sie bei einer erfolgreichen Bewerbung die neue Beschäftigung annehmen. Soweit die Logik der Behörde. | | | | | | | | | Arnold-Sittig: Arbeitslose wären froh über einen Job. | | |
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| | Auch die Chefin von Renate Rinn mag dieser Logik nicht folgen. Marion Arnold-Sittig von der Arnold Elektronik GmbH sagt zu Frontal21: "Frau Rinn hat ja ein festes Auskommen, sie fühlt sich wohl, und ich konnte mir nicht vorstellen: Warum will man solche Menschen vermitteln, wo wir doch ganz viele Arbeitslose haben, die froh wären, wenn sie eine Arbeit haben?"
Ein fragwürdiges Angebot Schließlich kommt ein Anruf von der Behörde: Die Vermittler haben einen Job gefunden. Nicht etwa für ihren arbeitslosen Mann, sondern für Renate Rinn. Ihre Chefin Marion Arnold-Sittig prüft für sie, welche Firma hinter dem Jobangebot steckt: "Frau Rinn sollte sich in Mittweida bewerben, bei einer Firma, die uns oftmals bei Überproduktion hilft, wo wir unsere Arbeit hinverlagern. Dort sollte Frau Rinn anfangen, und dort hätte sie 14 Tage, drei Wochen maximal, einen Job gehabt. Dann wäre sie arbeitslos geworden - wenn sie auf diesen Vorschlag vom Arbeitsamt eingegangen wäre." Die ARGE hätte Frau Rinn also in die Arbeitslosigkeit vermittelt - hätte sie das fragwürdige Angebot angenommen. Doch sie lehnt ab. | | | | | | Inzwischen hat auch ihr Mann eine neue Stelle. Gefunden hat er sie übrigens ohne die Hilfe der Behörde. Warum die Vermittler bei ihr tätig wurden, ihrem Mann hingegen nicht zu einem neuen Job verhelfen konnten, versteht Renate Rinn bis heute nicht. Immerhin räumt Katja Uhlemann von der ARGE Landkreis Mittweida gegenüber Frontal21 ein, diese gesetzliche Regelung sei "nur begrenzt sinnvoll". |
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