Nach Münteferings Rückzug Union denkt angeblich über Neuwahl nach
Nach der Wahl ist vor der Wahl lautet ein beliebter Spruch, wenn der Souverän entschieden hat. Diesmal könnte nach der Wahl sehr kurz vor der Wahl sein: Nach Informationen der "Rheinischen Post" bereitet die Unions-Führung sich auf eine mögliche Neuwahl im Bund vor. Diese solle am 26. März stattfinden. An diesem Tag sind Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.
"Das Land ist in einer Krise"
Die Zukunft der geplanten großen Koalition ist nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers derzeit offen. "Es ist ganz schlimm. Es ist zur Zeit offen, ob es diese große Koalition gibt", sagte der CDU-Politiker im ARD-Morgenmagazin. "Das Land ist in einer Krise." Es sei keine Zeit für Machtspiele in der SPD. Die Sozialdemokraten müssten nicht nur sagen, mit wem sie in eine Koalition gehen wollten, sondern auch mit welcher Politik. Zwar werde es weiter Koalitionsverhandlungen geben. Aber man könne nicht so tun, als ob nach der Rücktrittsankündigung von SPD-Chef Franz Müntefering alles normal weitergehen könne. Auch er habe den Eindruck, dass sich mit der Nominierung der Parteilinken Andrea Nahles zur SPD-Generalsekretärin ein Linksruck vollzogen habe. Damit gehe es auch um inhaltliche Fragen.
Veränderter Eckpfeiler [Bildunterschrift: CSU-Chef Stoiber will wohl in München bleiben. Vielleicht spekuliert er auf eine Neuwahl im Bund - und einen besseren Posten für sich. ] Zur Zukunft von CSU-Chef Edmund Stoiber im Kabinett einer großen Koalition sagte Rüttgers: "Auch er muss Klarheit schaffen." Nötig sei ein geschlossenes Programm. Die besten Kräfte gehörten in die Bundesregierung und "dazu gehört Edmund Stoiber ohne Frage". Stoiber hatte gestern laut darüber nachgedacht, nicht nach Berlin in das Kabinett einer großen Koalition zu wechseln. "Das ist für mich und für uns eine veränderte Lage", sagte Stoiber in Berlin mit Blick auf den angekündigten Müntefering-Rückzug aus der SPD-Spitze. "Franz Müntefering ist als Parteivorsitzender natürlich eine Autorität und ein Eckpfeiler einer großen Koalition, die wir alle natürlich wollen und natürlich unterstützen", so Stoiber. "Dieser Eckpfeiler ist verändert". Die Spitze der CSU will heute in einer Telefonkonferenz die geänderten Bedingungen beraten.
Stoiber soll nach den bisherigen Plänen in einer großen Koalition von Union und SPD den Posten des Wirtschaftsministers übernehmen. Um den genauen Zuschnitt seines Ministeriums hatte es Auseinandersetzungen zwischen Stoiber und der designierten Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) gegeben.
"Alles in Gefahr"? [Bildunterschrift: Die vorerst letzte konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages.] Auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) sieht die große Koalition nach dem angekündigten Rückzug Münteferings in Gefahr. "Das ist mehr als bedenklich", sagte er der dpa. Das Chaos könne derzeit "nicht größer" sein. Das weitere Vorgehen auf dem Weg zur geplanten großen Koalition hängt nach Ansicht des CSU-Politikers auch von dem Nachfolger von Müntefering als SPD-Chef ab. "Wenn es ein linker Kandidat ist, kommt Gefahr auf", sagte Zöller. Die Gespräche würden nach seiner Einschätzung zunächst jedoch erst einmal weiterlaufen.
CDU sieht Belastung für Koalitionsverhandlungen"Man muss sich fragen, welches Mandat Müntefering noch hat", sagte Wolfgang Bosbach, Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag. "Es muss jetzt einen klaren Parteivorstandsbeschluss geben, der bestätigt, dass die große Koalition weiter der Wille der großen Mehrheit der Parteiführung ist", forderte der stellvertretende CDU-Parteichef Christoph Böhr. "Sonst ist jede Verhandlungsrunde Null und nichtig", sagte Böhr dem "Handelsblatt". Er wertete die Entscheidung für Nahles als "klaren Linksrutsch" der SPD
[Bildunterschrift: Jürgen Rüttgers sieht das Land in einer schlimmen Krise.]
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