AUSBILDUNGSPLATZUMLAGE
Münteferings harte Tour
Von Markus Deggerich
"Das Gesetz wird gemacht werden", kündigt der SPD-Partei- und Fraktionschef an. Franz Müntefering will trotz neuer Angebote der Wirtschaft an der fragwürdigen Ausbildungsplatzumlage festhalten. Er braucht den symbolischen Erfolg.
Berlin - Zumindest in der virtuellen Welt hat Franz Müntefering schon gewonnen. Im Internet findet sich bereits ein "Ausbildungsplatzabgaberechner", mit dem Betriebe errechnen können, welche Kosten möglicherweise auf sie zukommen. Dazu müssen sie die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die Zahl der Lehrlinge in eine Tabelle eintippen: Eine 200-Mitarbeiter-Firma mit 3 Lehrlingen müsste danach rund 45.000 Euro Abgabe zahlen, weil sie 11 Auszubildende zu wenig beschäftigt. Wenn Messias Münte (Parteijargon) sich auch in der politischen Welt durchsetzen kann - und danach sieht im Moment alles aus.
SPD-Fraktions- und Parteichef Franz Müntefering ist einen großen Schritt weiter mit seinem ersten Vorzeigeprojekt in der neuen Doppelrolle. Ungewöhnlich deutlich und kompromisslos hat er in den vergangenen Tagen an verschiedensten Fronten für seine Idee kämpft. Am Sonntag mit den zaudernden SPD-Landeschefs, dann im Parteivorstand und Parteirat mit "sehr deutlichen Worten", wie die Alt-Linke Andrea Nahles bewunderte, und nun auch bei Gewerkschaften und Industrievertretern.
Trotz eines von der Wirtschaft angebotenen Ausbildungspakts hält Müntefering an seinem Plan fest. "Das Gesetz wird gemacht werden", sagte er am Donnerstag. "Wenn es nicht wirken soll, müssen alle dafür sorgen, dass es im Herbst genügend Ausbildungsplätze gibt." Dann könne das Gesetz in der Schublade bleiben. Punkt. Mit anderen Worten: Münte misstraut den Versprechen der Wirtschaft und wird das Gesetz als Drohkulisse auf jeden Fall durchdrücken.
Die "Angebote müssen ganz verbindlich sein" und zum gewünschten Ergebnis führen, jedem Jugendlichen eine Ausbildung anzubieten. "Wenn das alles bis zum Herbst geklärt ist, wird das Gesetz nicht angewandt", sagte Müntefering.
Rückendeckung für die harte Tour hat Müntefering jetzt auch beim Kanzler. Der Bundestag werde die "Umlage mit großer Mehrheit beschließen, wenn wir es nicht schaffen, dass sie nicht angewendet werden muss", hat Schröder seinem Parteichef versprochen. Schröder hat die Wahlkampfwirkung erkannt und will mit dem Zuckerl seine SPD aufrichten.
Doch auch in der eigenen Partei bleiben die Meinungen gespalten. Während Müntefering - unterstützt vom Parteirat - den Gesetzentwurf mit aller Macht durchzusetzen versucht, bleibt Superminister Wolfgang Clement skeptisch. Es sei "immer besser, man macht es freiwillig und ohne bürokratische Regeln", gibt der Parteivize zu bedenken. Möglicherweise aber lässt Müntefering die Pläne wenigstens überarbeiten. Statt der bisher vorgesehenen einjährigen Anpassungsfrist für tarifliche Lösungen ist nun von zwei bis drei Jahren die Rede. Tarifliche Regelungen zur Sicherung einer ausreichenden Zahl von Ausbildungsplätzen haben in dem Gesetzentwurf Vorrang vor der gesetzlichen Sanktion. Die SPD-Länderchefs aus Rheinland-Pfalz, Nordhrein-Westfalen und Schleswig-Holstein blieben bei ihrem Widerspruch. Kurt Beck aus Rheinland-Pfalz etwa will lieber einen "freiwilligen Fonds" einrichten.
Das Problem im Bundesrat
Dieser Widerstand in den eigenen Reihen schien das Gesetz zu gefährden: Es gilt zwar als nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat - aber das Ländergremium kann Einspruch erheben. Würden nun durch SPD-Unterstützung zwei Drittel der Länder widersprechen, dann müsste der Bundestag diesen Einspruch ebenfalls mit einer Zweidrittelmehrheit zurückweisen. Das jedoch gibt die knappe rot-grüne Mehrheit im Reichstag nicht her.
Zu diesem Showdown zwischen den SPD-Länderchefs und ihrem neuen Parteichef Müntefering dürfte es nicht kommen. Im Parteivorstand gab der SPD-Chef den Ministerpräsidenten den guten Rat, "dass sich die Länder schon mal auf das neue Gesetz einstellen sollten". Nordrhein-Westfalen deutet erste Entspannung an: Die Landesspitzen von SPD und Grünen signalisierten, dass sie im Bundesrat mit "Enthaltung" stimmen.
"Wir sind ganz Deutschland verpflichtet"
Auch von regionalen Ausnahmen hält der Parteichef nichts. "Wir sind für ganz Deutschland den jungen Menschen verpflichtet." Die SPD-Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, hatte zuvor immer wieder betont, dass es in ihrem Land überhaupt keinen Lehrstellenmangel gebe. Doch schon aus strategischen Gründen scheiden Regionallösungen aus: "Dann wäre ja der Bundesrat zustimmungspflichtig", sagt SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter: "Das Gesetz wäre so direkt darauf angelegt, keine Mehrheit zu bekommen." Solche handwerklichen Pannen sollen schon im Vorfeld vermieden werden.
Das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) rät der Bundesregierung "den einzelnen Arbeitgebern, die am besten über ihren Bedarf Bescheid wissen, die Entscheidung zu überlassen". In der Stellungnahme des Instituts für den Bundestag heißt es, dass durch eine Bindung der Ausbildungsplatzabgabe an die Ausbildungsquote "wachsende Branchen und Arbeitgeber bevorzugt" werden. "Sie liegen mit der Zahl der Auszubildenden über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt und werden somit subventioniert", heißt es.
Spaltpilz in der SPD nähren
Der Vorschlag des Deutschen Industrie- und Handelskammertages für einen freiwilligen "Pakt für Ausbildung" hat jedoch schon ein Ziel erreicht: Er nährt noch mal den Spaltpilz in der SPD. Der Sprecher des rechten Seeheimer Kreises innerhalb der SPD, Klaas Hübner, nahm die Vorlage gerne auf und begrüßte sie als einen konstruktiven Vorschlag. "Wir sollten noch einmal nachdenken, ob wir auf Teufel komm raus an dem Verfahren festhalten wollen", sagte der Bundestagsabgeordnete am Donnerstag - ganz im Sinne Clements.
Doch Juso-Chef Niels Annen sieht in dem Angebot ein Danaer-Geschenk. Er warnt eindringlich davor, die Ausbildungsabgabe aufzugeben. Das DIHK-Angebot sei ein "vergifteter Pfeil" für Jugendliche auf Lehrstellensuche.
Der DIHK hatte der Bundesregierung am Mittwoch einen freiwilligen "Pakt für Ausbildung" als Alternative zur umstrittenen Ausbildungsabgabe vorgeschlagen. Fehlende Ausbildungsplätze sollten innerhalb jedes Bundeslandes in Zusammenarbeit von Kammern, Wirtschaft, Landesregierungen und Gewerkschaften ausgeglichen werden, heißt es in dem Programm, das der DIHK bei einem Gespräch mit Müntefering vorstellte. Der Pakt sieht unter anderem zusätzliche Praktikantenstellen und eine höhere staatliche Förderung vor, wenn ein Lehrling seinen Wohnort wechseln muss. DIHK-Chef Ludwig Georg Braun sagte, wenn die Regierung auf das Gesetz für eine Ausbildungsabgabe verzichte, sei die Wirtschaft bereit, weit reichende Leistungszusagen zu machen.
Aber Müntefering ist wild entschlossen. Zum einen sitzt in ihm das Misstrauen gegenüber freiwilligen Lösungen und großen Versprechen tief - aus Erfahrung. Zum anderen braucht er einen vorzeigbaren Erfolg für die zweifelnde Partei. Der "Ausbildungsplatzabgaberechner" im Internet dürfte schon bald viele Interessenten finden.
wozu noch diese abgabe. kommen doch "hochqualifizierte" fachkräfte aus dem osten, sehr bald zu uns. sinnlose belastungen für die industrie, wie alles was diese "regierung" bisher verzapft hat!!!
####################### gruß proxi
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