Der Sieg in Hessen und Niedersachsen hat die Position von CDU-Chefin Angela Merkel gefestigt. Sicher kann sie sich dennoch nicht sein, denn Roland Koch lauert und mancher würde sie wohl gerne auf den Stuhl des Bundespräsidenten abschieben.
Koch, Wulff und Merkel am Montag in Berlin: Wer belauert hier wen? Berlin - Die Vorsitzende steht in der Mitte, rechts flankiert von Roland Koch, links von Christian Wulff. Angela Merkel versucht, keine Miene zu verziehen, selbst bei der Dauer-Frage nach der Kanzlerkandidatur. Der alte und neue hessische Ministerpräsident nimmt sie als erster auf, ein wenig entschuldigend fast. "Wir bleiben so klug wie wir bislang waren", wiegelt er am Montag in der CDU-Zentrale in Berlin ab und ergänzt dann: "Wir liefern ihnen keine Zeile. Punkt".
Punkt? Christian Wulff, der ewige Zweite, der nun in die erste landespolitische Reihe aufgerückt ist, lässt zumindest einen klitzekleinen Spielraum für Interpretationen. "Die CDU Deutschlands", sagt er etwas umständlich, "wählt keinen Vorsitzenden und schon gar nicht wieder, der nicht als Kanzlerkandidat in Frage kommt." Der Satz lässt sich eigentlich nur auf Merkel münzen - ist sie doch erst im Herbst vergangenen Jahres in Hannover auf dem CDU-Parteitag als Vorsitzende im Amt bestätigt worden.
Am Montag nach den Siegen in Hessen und Niedersachsen ist die CDU bemüht, den innerparteilichen Frieden zu wahren. Mit dem Zwang zur Solidarität sind Koch und Merkel bis zum 2. Februar gut gefahren. Auch nach dem Wahltag soll es damit weitergehen.
Angela Merkel, die Partei- und Fraktionschefin, kann für's erste aufatmen. Der Erfolg des liberal-konservativen Wulff in Niedersachsen stärkt sie - hätte nur der konservative Hesse gewonnen, ihre Position wäre innerparteilich schwieriger. Nicht, dass sie es nun leichter hätte. Aber Wulffs moderater Kurs ist auch ein Beweis, dass die CDU ohne Machtgetue siegen kann - wenn die Umstände es zulassen. Die ersten Siege nach der Bundestagswahl gehen auch auf Merkels Konto. Dafür hat sie engagiert gekämpft. Wie hatte der CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer seine Chefin am Wahlabend in Berlin präsentiert? Sie habe auf allen Wahlveranstaltungen "den größten Zulauf" gehabt. So setzt man Signale. Merkel kann nach dem Sonntag mit größerem Gewicht den Kurs abstecken. Und der heißt: Realismus und Pragmatismus. Die Union sei gut damit gefahren, dass Ergebnis der Bundestagswahl zu akzeptieren, sagt sie: "Unser Planung geht auf vier Jahre".
Es gelte, "das Gute zu befördern, das Schlechte zu verhindern", hatte sie noch am Sonntagabend in der CDU-Zentrale vor jubelnden Anhängern zur Haltung der Union im Bundesrat erklärt. Am Montag spricht sie eine weitere Formel aus: "Uns wächst Verantwortung zu". Die wolle die Union im Bundesrat durch eine "verantwortungsvolle Politik rechtfertigen".
Auch Koch hält sich an die Leitlinie - auch wenn er in seiner Wortwahl drängender wirkt. Dass der Kanzler eine Ohrfeige erhalten habe, heiße nicht, dass er sich jetzt viel Zeit lassen könne, sagt er mit drohendem Unterton. Es gehe nicht mehr um Strategiepapiere und Vorschläge, sondern jetzt müsse der Kanzler Gesetzesvorschläge liefern, die dann im Bundesrat beraten würden. Man wolle "nicht Blockade, sondern nur Kontrolle" ausüben, betont er. Das "nur" findet bei Koch allerdings eine deutliche Einschränkung, die ahnen lässt, auf welche Schwierigkeiten sich der Kanzler einstellen muss. Das "Steuervergünstigungsabbaugesetz" habe "keine Chance", deshalb sollte Rot-Grün mit Forderungen Schluss machen, von denen sie wüssten, "dass sie keine Chance auf Verwirklichung haben".
Streicheleinheiten für die FDP
Für die Union wirkt der Sonntag wie eine Wiedergeburt. Hätten sie bei der Bundestagswahl so gut abgeschnitten wie in Hessen und Niedersachsen, dann säßen CDU und CSU nun auch in Berlin auf der Regierungsbank. Auch die FDP, der viele in der Union ob des verlorenen Sieges grollten, darf sich ein Stück weit rehabilitiert fühlen. Wulff spricht am Montag davon, dass die FDP in Hessen dritte Kraft geworden ist, das habe auch eine "wichtige stabilisierende Funktion des bürgerlichen Lagers". Angela Merkel bemerkt, die Kooperation sei gut, könne aber "noch besser" werden. Sie könne aber nicht versprechen, scherzt sie, dass sie nun "jeden Tag frühstücken gehe mit Herrn Westerwelle".
Solche Signale sind auch in die Partei gerichtet - vor allem nach Nordrhein-Westfalen, wo mancher nach der Bildung einer schwarz-grünen Koalition im Stadtrat von Köln für andere Farbenlehren Sympathie gewinnt. Merkel hatte vergangene Woche persönlich zum Telefonhörer gegriffen und dem Kölner CDU-Vorsitzendem klar gemacht, dass es sich hierbei um eine "Notgemeinschaft" handele.
Unverkennbar ist: Merkel nimmt ihre Rolle verstärkt in der Außendarstellung wahr. Auch in der Frage, wen denn nun die Union als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten vorschlagen sollte, versucht sie, das Heft in der Hand zu behalten. Das ist nicht einfach - an Spitzen mangelt es nicht. Edmund Stoiber hatte im jüngsten "Focus" eine weibliche Kandidatin für das höchste Staatsamt bei der Neuwahl 2004 ins Spiel gebracht - da mussten bei Merkel alle Alarmsignale aufblitzen. Denn intern gilt bei manchen in der Union die Devise: Eine weibliche Bundespräsidentin und eine weibliche Kanzlerkandidatin, das ginge nicht. Schon wird gemunkelt, manche in der Partei wollten Merkel auf den Posten des Bundespräsidenten abschieben - damit hätte Koch dann freie Fahrt. In CDU-Vorstand und Präsidium, betonte Merkel am Montag, habe sie "lauten Applaus" für ihre Bemerkung erhalten, sich jetzt nicht auf Personalspekulationen einzulassen. Die CDU-Chefin versucht, auf Zeit zu spielen. Es sei ja noch gar nicht absehbar, wie die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, aussähen - in Bremen und Bayern stünden noch Landtagswahlen an. Außerdem, gibt sie zu bedenken, sei sich die für eine Mehrheit notwendige FDP noch nicht einig.
Mit Edmund Stoiber hat Merkel bereits in der Angelegenheit telefoniert. Ihr Eindruck sei, resümmiert sie am Montag ihr Gespräch, dass ihre Argumentation "auf ganz fruchtbaren Boden gefallen ist - soweit man das durchs Telefon hören kann."
Von Severin Weiland Quelle: Spiegel-Online
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