Mit meinen 39 Jahren mag der eine oder andere mir vielleicht mir die Lebenserfahrung vielleicht nicht zutrauen über die heutigen Zeiten UND zusätzlich noch über die Zeit zu urteilen, die noch vor meinem Geburtsjahr lag. Immerhin möchte ich die heutigen Zeiten mit der Periode seit dem letzten Weltkrieg vergleichen. "Noch einer, der kommt und uns sagt FRÜHER WAR ALLES BESSER mag man denken". Aber zumindest im Verlaufe meines Lebens habe ich so ernüchternde und zugleich beängstigende Zeiten wie heute noch nicht erlebt gehabt. Dabei habe ich als Kind sogar in einem Land gelebt, das eine Revolution durchgemacht hat und in dem es an Blutvergießen nicht mangelte. Aber aus heutiger Sicht war das nur ein "lokaler Konflikt", der zu jener Zeit ein einziges Land betraf.
Also ich komme mal langsam zur Sache:
Die Zeit des kalten Krieges war bestimmt auch keine Glanzstunde der Zivilisation. Dennoch hatte die Welt ihre Ordnung. Man konnte sich entscheiden, ob man nun Kapitalist oder Kommunist oder "nur" Sozialist sein wollte. Die Fronten waren klar und jede Ideologie hatte irgendwo ihre echte Heimat. Die Menschen waren aber dennoch "unverdorbener" und auf ihre Art bescheidener. Man konnte sich noch über die kleinen Dinge des Lebens freuen. Man konnte auch als Kind noch abends ohne Angst auf der Strasse mit Nachbarskindern spielen und es gab damals zwar keine "Handys", Computer, oder Markenkleidung für Kinder, aber auch nicht die Sehnsüchte und Frustrationen die mit den Erlangungswünschen dieser Luxusgüter verbunden sind.
Auch damals wollte man "wohlhabend" werden, aber die Märkte waren bei weitem nicht so aggressiv wie heute und zudem kommt mir inzwischen der Eindruck, dass auch der Kapitalismus bald an seine Grenzen stoßen könnte; spätestens jedoch, wenn sich nur noch 3-4 Konzerne die Welt untereinander aufgeteilt haben. Auch im zwischenmenschlichen Bereich gab es zwar damals bestimmt nicht selten Verfehlungen wie Ehebruch und Lug und Betrug, aber die Ächtung dieser Verfehlungen durch die Gesellschaft gab einem zumindest das Gefühl für "richtig" und "falsch" und überließ jedem selbst die Wahl, welchen Weg man gehen möchte. "Alt" sein war eine Ehre. Man wurde für seine Leistungen geehrt und galt als Quelle der Erfahrungen. Wenn der Seniorchef den Betrieb verließ, dann sah man das als herben Verlust ffür den Betrieb. Heute bracht man sich z.B. mit 45 Jahren überhaupt nicht mehr auf dem Stellenmarkt blicken lassen. Heute möchte sich doch jeder schon mit Anfang 40 die Haare färben und die ersten Falten chirurgisch behandeln. Keiner will in Würde als werden, bzw. zu seinem Alter stehen.
Auch z.B. junge Mädchen sind durch die Medien inzwischen total verunsichert, was die optischen Anforderungen der Gesellschaft an sie betrifft. Zu dick? Zu schmal-lippig? Oder zu kleiner Busen? OK, als Mann finde ich es auch toll, wenn ich auf einem Bild eine Frau mit viel Holz vor der Hütte sehe. Aber möchte ich die wirklich "deswegen" heiraten und wie soll ein Mädchen mit silikongeformten Doppel-D-Brüsten einer Pamela Anderson mithalten?
Die Menschheit versteht bis heute nicht, das jeder Wert seine Daseinsberechtigung und seine Bewertung von seinem Gegensatz erhält. Eigentlich müßten sich die "natürlichen" Busenwunder und die "Schönen" bei den Flachbrüstigen und Hässlichen (?) dafür bedanken, dass ihnen der Gegensatz erst die Beachtung bringt. In den US-Filmen und Serien aus Holluywood sieht man inzwischen nur noch Darsteller, die jeder auch als Model durchgehen würden. Es sind aber nur schöne Gesichter "ohne Seele" und kaum Lebenserfahrung.
Auch die gesitteten Umgangsformen der Vergangenheit vermisse ich (Ich Spießer?). Heute fuhr ich mal mit öffentlichen Verkehrsmitteln. In der U-Bahn saßen mir 3 Jungs gegenüber, die unverhohlen darüber sprachen, was sie im letzten Jahr an "Dingern" gedreht haben. Nichts großes, nur ein Fahrraddiebstahl hier, ein Kaufhausdiebstahl da und eine Erpressung unter Schülern da. Am Bahnhof stiegen 2 junge Mädchen um die 16 aus der Bahn. Die eine wollte den Bahnhof sofort verlassen und ihre Freundin rief ihr schnell entgegen: "Warte mal. Ich muss noch mal pissen". Bin ich SPIESSIG, wenn ich es schade finde, dass Mädchen im schönster Alter, einem die Illusion der zarten Jugend durch derartiges Verhalten nehmen.
Anders als man mich kennt, bin ich bisher noch nicht einmal intensiv auf die Politik von heute eingegangen. Also nur kurz: Zwei wichtige Einschnitte in meinem Lebensgefühl möchte ich festhalten:
1. Der Zusammenbruch der Börsen. (Ich erwähne es nur aus zeitlicher Sicht an erster Stelle). Ich ahnte immer stärker, dass es nach einer langen Periode, in der man ungläubig beobachten konnte, wie selbst unsere Sekretärin an der Börse Gewinne mitnahm, nun zu einer langen Durststrecke kommen würde. 2. (Aber noch wichtiger) Am 11. September hat mir unmittelbar nach den schrecklichen Ereignissen, mein Unterbewußt sein gesagt, dass es um viel mehr geht, als den Schock über die Terroranschläge. Ich wußte sofort, dass nun nichts mehr sein würde wie vorher.
Ich möchte an dieser Stelle nicht den Rahmen sprengen und die Schuldigen ausmachen. Ob es zuerst den Terror gab, oder ob der Terror das Resultat einer falschen Politik ist, oder die derzeitge Politik der USA für noch mehr Terror sorgen wird, sei mal dahingestellt. Ich wage aber zu behaupten, dass der Großteil der Menschheit heute Angst um den Frieden hat. Es geht nicht mehr nur um lokale Konflikte. Es geht auch zunehmend um einen leichtfertig forcierten Glaubenskrieg. Wo soll man sich nun finden, wenn man zwar Moslem ist, aber nicht fanatisch und erst Recht kein Befürworter des Terror? Ich sah heute einen Film "Hexenjagd" und betraf die Hexenverfolgung in Salem USA, vor über 200 Jahren. Aber das derzeitige Weltklima leiß mich den Film irgendwie bedrückender empfinden, als wenn ich den gleichen Film vor 10 Jaahren gesehen hätte und mir selbst sagen könnte: "Schlimm, aber das war damals, als die Leute noch ungebildet waren. Heute könnte das in meiner Umwelt nicht passieren".
Abschließend noch ein Satz zur derzeitigen politschen Situation in Deutschland: Auch die empfinde ich zunehmend frustrierend. Ein festgefahrenes System, mit unglaubwürdigen Politikern, planlosen Parteien und weit und Breit nicht im Ansatz ein "Erlöser", dem man es zutrauen würde den Sauladen mal aufzuräumen. Wir haben keine Illusionen mehr und wählen eigentlich immer nur "das kleinere Übel" oder werden zu Protestwählern und geben unsere Stimmen irgendwelchen Stammtischhelden, in der illusorischen Hoffnung "mal die anderen wachzurütteln".
Ist unsere Gesellschaft fast am Tiefpunkt?
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