wenn sich Hamburg mit Gewalt von Deutschland "abspalten" und radikale Islamisten dort einen islamischen Staat ausrufen wollten? Glaubt Ihr im Ernst, dass man einfach friedlich zuschauen wuerde? Wie wuerdet Ihr eine Geiselnahme von ueber 700 Menschen durch schwer bewaffnete Terroristen loesen, die in Berlin die Freigabe von Hamburg fordert? Russland kann sich in diesem Konflikt auf geltende Normen des Voelkerrechts berufen, das Recht auf territoriale Integritaet.
KAUKASUS UND AL-QAIDA
Schon kurz nach der Geiselnahme in Moskau mutmaßte der russische Präsident, die Aktion sei im Ausland geplant worden. Vermutlich meint er damit das Terror-Netz al-Qaida. In der Tat pflegt die Truppe Osama Bin Ladens gute Kontakte in die Kaukasus-Region. Auch Todes-Pilot Mohammed Atta wollte dort kämpfen.
Moskau/Grosny - Das Statement des russischen Präsidenten kam erstaunlich schnell. Kurz nach der ersten Sitzung des Krisenstabes im Kreml trat Wladimir Putin vor die Kameras und hatte die Schuldigen an dem Geisel-Drama schon gefunden. Es gebe klare Hinweise, "dass der Terrorakt im Ausland geplant wurde." Was Putin mit seinen Worten meinte, war klar. Wieder einmal soll es al-Qaida sein, die mit Hilfe der tschetschenischen Rebellen jetzt auch in Moskau ihr Unwesen treibt. Freilich gibt es für diese Theorie noch keine Beweise. Gleichwohl weisen einige Fakten zumindest deutlich auf einen islamistischen Hintergrund der Geiselnehmer hin. So ließ sich der Anführer der Gruppe in dem Theater von den Verhandlungsführern mit dem islamischen Kampfnamen Abu Bakar ansprechen. Außerdem lancierten die Geiselnehmer in al-Qaida-Manier kurz nach der Geiselnahme ein Video an den arabischen Fernsehsender al-Dschasira, um die Ernsthaftigkeit ihrer Forderungen zu untermauern.
Auf den Video-Bildern sind mehrere vermummte Frauen zu sehen, die ankündigen, dass sie bereit seien, für ihre Sache zu sterben. Sie sprechen von den "Gottlosen", die letztlich für einen möglichen Tod der Geiseln verantwortlich seien. Ein zweites Video zeigte einen jungen Mann, der vor einem Laptop und einem Koran saß. "Jeder von uns ist bereit, sich für Gott und die Unabhängigkeit Tschetscheniens zu opfern. Wir suchen den Tod mehr, als ihr das Leben sucht", sagte er.
Kampfkommandos aus Afghanistan in Tschetschenien
Doch es sind nicht nur diese mageren Hinweise, die Sicherheitsexperten über eine al-Qaida-Beteiligung an der Geiselnahme spekulieren lassen. Vor allem der Hintergrund des Tschetschenien-Konflikts weist nach Meinung so manches Geheimdienstlers auf eine mögliche Verbindung zu den Kämpfern von Bin Laden hin. Dass die tschetschenischen Rebellen zu einem großen Teil aus islamistischen Kämpfern bestehen, ist nicht neu. Erst vor wenigen Monaten zollte der tschetschenische Präsident Aslan Maschadow den Glaubensbrüdern seinen Tribut, in dem er drei Mitglieder der radikal-islamischen Bewegung in seine Regierung aufnahm. Viele der zersplitterten Rebellen-Gruppen kämpfen zudem ganz offen für einen Gottesstaat in der Kaukasus-Region. Dass auch Bin Laden mit seinem Kampf gegen die Ungläubigen dort schnell Heldenstatus erreichte, ist nicht verwunderlich.
Nach dem 11. September bekamen westliche Geheimdienste und die Gerichte immer wieder Hinweise auf al-Qaida-Verbindungen nach Tschetschenien. Der deutsche Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau wies bei einem Vortrag in diesem Jahr bereits auf eine Verbindung zwischen afghanischen Kämpfern und den tschetschenischen Rebellen hin. "Auch im Tschetschenien-Konflikt sind Kampfkommandanten aus Afghanistan gekommen", sagte er, ohne weitere Details zu nennen. Trotzdem gehen die Dienste auch immer wieder Spuren nach, dass die Rebellen in der abtrünnigen Kaukasus-Republik aus dem Nahen Osten mit Geld und Waffen versorgt werden.
Mohammed Atta wollte offenbar im Kaukasus kämpfen
Es sind nicht nur Geheimdiensterkenntnisse, die auf eine Verbindung zur al-Qaida hinweisen. So berichtete beispielsweise der Algerier Ahmed Ressam, der Ende 1999 wegen eines Anschlagsplans auf den Flughafen von Los Angeles festgenommen wurde, vor Gericht, dass er von al-Qaida-Trainingslagern in Tschetschenien wisse. Mit Hilfe der örtlichen Mudschahidin würden in den unwirtlichen Bergregionen Kämpfer für Bin Laden ausgebildet. Der Austausch laufe jedoch auch umgekehrt. So habe er auch in afghanischen Lagern wie in Kandahar immer wieder Kämpfer aus Tschetschenien gesehen, die dort für den Krieg gegen die Russen trainierten.
Auch in Deutschland kamen im Zug der Ermittlungen immer wieder Verbindungen nach Tschetschenien ans Licht. So recherchierten die deutschen Fahnder im Fall des im Zusammenhang mit den Terror-Anschlägen auf Djerba verdächtigten Christian G. aus Duisburg, dass dieser ebenfalls mindestens einmal auf dem Weg nach Tschetschenien war. Im Frühjahr 2001 war Christian G. den georgischen Behörden an der Grenze zu Tschetschenien in die Hände gefallen. Gemeinsam mit zwei britischen Glaubensbrüdern wollte er dort nach seinen eigenen Angaben nur Flüchtlingen helfen, was die Ermittler ihm nicht glauben. Sie gehen davon aus, dass er in den Bergregionen Gotteskrieger treffen wollte.
Auch im kürzlich eröffneten Prozess gegen den mutmaßlichen Terror-Helfer Mounir al-Motassadeq gestand dieser ein, dass der Todes-Piloten Mohammed Atta sehr oft über den Kampf der Rebellen gegen die Russen gesprochen habe und auch selber nach Tschetschenien fahren wollte, um den Glaubensbrüdern zu helfen.
Selbst Bin Laden soll in Tschetschenien gewesen sein. Nach den Anschlägen vom 11. September vermuteten die Fahnder den Terror-Fürsten in den Bergen und Tälern rund um Grosny. Demnach sollte er mit Mitgliedern seiner al-Qaida-Organisation im Nordwesten der Kaukasusrepublik Unterschlupf gefunden haben.
In die Welt gesetzt hatte diese Meldung der russische Außenminister Igor Iwanow. Schnell jedoch klärte sich auf, dass es mehr die taktischen Überlegungen der russischen Politik war, die nach neuen Argumenten zum brutalen Kampf gegen die tschetschenischen Rebellen suchte. Wirkliche Hinweise auf den Verbleib Bin Ladens hatte man in Moskau offenbar nie.
Aus dem Spiegel
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