Die grundstücke sind sicher günstig. Eine Ortsbeschreibung der FAZ (nein, das ist nicht die Zeitung, die der SPD gehört, wie du schonmal gemutmaßt hast. Sie vertritt eigentlich eher eine Pro-Atom-Position.)
Die Gefahren dieser Ruine Das Nuklearmaterial, das in diesen Trümmern liegt, wäre theoretisch genug, um die nukleare Kettenreaktion, die nach den Explosionen vor zwanzig Jahren schließlich gestoppt werden konnte, wieder in Gang zu setzen. Die Experten sind sich jedoch darüber einig, daß der Brennstoff, zerborsten und verstreut wie er ist, kaum ?von selbst? wieder aktiv werden kann. Die Gefahren dieser Ruine sind bis heute kaum erforscht. Unbestritten ist, daß der hastig hochgezogene Sarkophag einem Orkan, einem Erdbeben oder einer Überschwemmung möglicherweise nicht standhalten würde. Schon heute fällt er an allen Ecken auseinander. Stahl und Beton bröseln und zerbrechen. Durch meterbreite Löcher und Risse dringt Regen ins Innere. Die Eisenträger verrosten, der Schornstein hat sich geneigt, und Fachleute sind sich einig, daß das Dach bald einstürzen könnte. Dann könnte der radioaktive Feinstaub, der durch die Zerfallsprozesse im Inneren immer neu entsteht, aufgewirbelt und ins Freie getragen werden. Die Erleichterung war verfrüht Das Verhalten der Nuklearlava unter den ehemaligen Reaktorräumen gibt den Forschern Rätsel auf. Lange galten die glasig erstarrten Ströme als kontrollierbar - hoch radioaktiv, aber mechanisch so stabil, daß eine Ausbreitung der Strahlung nicht zu befürchten schien. Mittlerweile aber hat sich gezeigt, daß die Erleichterung möglicherweise verfrüht war. Die Reaktorschmelze ist mechanischer Erosion ausgesetzt und trägt bei zu den ständig neu entstehenden Feinstäuben im Sarkophag. Außerdem hat sich neuerdings gezeigt, daß bestimmte Uranverbindungen in der Lava wasserlöslich sind. Sie bilden gelbliche Schlieren an der Oberfläche, tropfen in die Regenpfützen der Keller und versickern im Grundwasser. ?Die Bedeutung dieses Phänomens ist unbekannt? ?Die Bedeutung dieses Phänomens ist unbekannt?, schreiben die Fachleute des ?Tschernobyl-Forums?. Allerdings gibt die gleiche Studie zugleich die Auskunft, daß das Grundwasser radioaktives Material nur sehr langsam transportiere, und man deshalb erst um das Jahr 2800 damit rechnen müsse, daß die versickernde Strahlung in die Flüsse gerät. Nach Ansicht mancher Fachleute, etwa des Briten John Large, der im Auftrag der russischen Regierung an der Bergung des verunglückten Atom-U-Bootes ?Kursk? beteiligt war und für die Umweltorganisation Greenpeace die Risiken von Tschernobyl eingeschätzt hat, gehen allerdings die größten Gefahren nicht vom Reaktor aus, sondern von seiner Umgebung. Eines der gefährlichsten Gewässer der Welt Das größte Risiko stellt dabei der Kühlteich des Kraftwerks dar, ein gewaltiges Wasserbecken unter freiem Himmel. Dieses Becken hat bei der Explosion vor zwanzig Jahren einen großen Teil des nuklearen ?Fallouts? aufgenommen. Während der Aufräumarbeiten wurde tonnenweise kontaminierter Abfall hineingekippt, so daß der See von Tschernobyl heute als eines der gefährlichsten Gewässer der Welt gilt. Besonders tückisch ist dabei, daß sein Wasserspiegel seinerzeit aus technischen Gründen durch hohe Dämme sieben bis zehn Meter weit über das Niveau des unmittelbar daneben verlaufenden Flusses Pripjat hochgestaut worden ist. Heute schon sickert kontaminiertes Wasser über das Grundwasser ab, und sollte eines Tages ein Damm brechen, könnte nach Larges Befürchtung die entstehende Flutwelle die Wasserversorgung von 38 Millionen Menschen in Gefahr bringen - der Pripjat nämlich mündet knapp unterhalb von Tschernobyl in den Dnjepr und dieser wiederum versorgt die Millionenstädte Kiew und Dnjepropetrowsk. Von einem schlüssigen Konzept weit entfernt Die Ukraine ist von einem schlüssigen Konzept zur Beherrschung dieser Risiken weit entfernt. Kurzfristig wird zwar einiges getan. Am ?Sarkophag? sind Stabilisierungsarbeiten im Gang, die das Gebäude so lange sichern können, bis - nach gegenwärtiger Planung Ende 2008 - ein vollkommen neues, 108,39 Meter hohes Bogendach das gesamte Kraftwerk abdecken soll. Dieses ?New Safe Confinement? wird von den G-7-Staaten, der Europäischen Union und Rußland mitfinanziert und soll nach heutiger Rechnung 1,1 Milliarden Dollar kosten. In seinem Inneren soll eines Tages die Ruine von Tschernobyl komplett abgebaut und zur sicheren Lagerung vorbereitet werden, doch sein Zweck ist umstritten. Fachleute wie John Large bemängeln, daß die neue Superhalle zum Rückbau des havarierten Reaktors technisch nicht geeignet sei und sagt voraus, daß etwa im Jahr 2110, wenn die Lebensdauer der Bogenkonstruktion ihrem Ende zugehe, das Problem ?Tschernobyl? ungelöst auf die dann lebende Generation zurückfallen werde. Fragen bleiben unbeantwortet Auch jenseits solcher in nuklearen Rechnungen ausgesprochen kurzer Fristen bleiben Fragen unbeantwortet. Die ?Zone? rund um die Ruine ist bis heute mit möglicherweise bis zu 1000 provisorischen Atommülldeponien bedeckt, die im Jahr der Havarie planlos als offene Gruben angelegt, mit Explosionsschutt und verseuchter Erde gefüllt und einfach zugeschüttet wurden. Um die Strahlengifte darin zu erkennen, zu sortieren und lagerfähig zu verpacken, müßte nach Larges Schätzung die unvorstellbare Menge von 21 Millionen Kubikmetern Material bearbeitet werden. Wollte man daraus einen Haufen von der Traufhöhe einer Berliner Mietskaserne aufschütten, würde dieser einen knappen Quadratkilometer bedecken. Lagermöglichkeiten für das toxische Material des Reaktors und der Deponien bestehen nicht, und es gibt auch keine konsistente Planung für sie. Theoretisch müßten für ?kurzlebige? Abfälle mittlerer oder geringer Strahlung zahlreiche Endlager gebaut werden, die als bedeckte Betonwannen knapp unter der Erde bis zum Jahr 2400 durch technisches Personal instand gehalten und durch Wachtrupps gesichert werden müßten. In ihnen würden diejenigen Strahlengifte untergebracht, die, wie Strontium oder Cäsium, in etwa 300 Jahren den größten Teil ihrer Giftigkeit verloren haben. Allerdings ist bislang erst ein solches Lager in Tschernobyl geplant, und der Bau durch die französische Firma Framatome verzögert sich gegenwärtig. Stoffe bleiben zum Teil viele Millionen Jahre tödlich Die länger und intensiver strahlenden radioativen Stoffe, etwa die Lava des Reaktorkerns, müssen dagegen auf ewig mehrere hundert Meter unter der Erde gelagert werden. Da solche Stoffe zum Teil viele Millionen Jahre tödlich gefährlich bleiben, kann nicht daran gedacht werden, sie so lange zu bewachen, bis sie nicht mehr strahlen. Diese Lager sollen deshalb, sobald sie voll sind, zugeschüttet und sich selbst überlassen werden. Statt einer Bewachung soll dann die große Tiefe der Stollen etwaige Eindringlinge und auf lange Sicht auch die Wirkung neuer Eiszeiten oder veränderter Meeresspiegel fernhalten. Allerdings ist ein solches Tiefen-Endlager noch nie errichtet worden - und auch in der Ukraine haben die Planungen gerade erst begonnen. Aus all diesen Gründen ist es umstritten, ob das Problem ?Tschernobyl? jemals gelöst werden kann. Das Tschernobyl-Forum und die IAEA sind einerseits der Ansicht, das nach etwa 300 Jahren ?institutioneller Kontrolle?, wenn die kurzlebigen radioaktiven Stoffe, die den größten Teil der Verseuchung ausmachen, abgeklungen sind, die heutige ?Zone? der Menschheit wieder zurückgegeben werden kann. Large ist da skeptischer. Auch nach dem Jahr 2400 nämlich wird der Boden um Tschernobyl mit langlebigen Spaltprodukten belastet bleiben, und angesichts der ungeheuren Mengen verstrahlter Oberfläche sei die adäquate Entseuchung ?fast nicht zu erreichen?. Die ?Zone von Tschernobyl? also wird bis auf weiteres ein verbotener Ort bleiben. ?Vielleicht?, meint Large, ?für immer.? Text: F.A.Z. vom 19.4.2006 Bildmaterial: dpa/dpaweb
Gruß BarCode
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