Von Norbert Häring und Thorsten Riecke
Der Druck auf die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ist enorm gewachsen, am Mittwoch die Leitzinsen ein weiteres Mal zu senken. FRANKFURT/NEW YORK. An den Terminmärkten für Zinskontrakte haben die Händler einen Zinsschritt von einem Viertelprozentpunkt bereits voll eingepreist. Ökonomen halten eine Lockerung der Geldpolitik für notwendig, um eine Rezession in den USA abzuwenden. Notleidende Banken und Investoren hoffen, dass die Fed mit einer erneuten Liquiditätshilfe eine Rückkehr der Kreditkrise verhindert.
Der hohe Erwartungsdruck bringt die Notenbank in eine Zwickmühle. Mit der kräftigen Zinssenkung Mitte September wollte Fed-Chef Ben Bernanke verhindern, dass die Finanzkrise auf den Rest der Wirtschaft übergreift. Er senkte den Leitzins gleich um einen halben Prozentpunkt auf 4,75 Prozent.
Die Wirkung dieser Rettungsaktion ist jedoch bereits verpufft. Die Lage auf einigen Kreditmärkten hat sich in den letzten Tagen wieder verschärft, große Banken schockierten die Investoren mit enormen Wertberichtigungen auf riskante Hypothekenanlagen. ?Auf den Märkten gibt es klare Zeichen der Angst?, sagte Richard Fuld, Chef der Investmentbank Lehman Brothers, in einem Gespräch mit dem Handelsblatt.
Die Wall Street fordert eine erneute Liquiditätsspritze und treibt damit die Notenbank vor sich her. ?Es geht vor allem darum, die Finanzmärkte nicht zu enttäuschen?, sagte Lehman-Ökonom Drew Matus. ?Eine ökonomische Rechtfertigung für eine erneute Zinssenkung gibt es nicht.? Die Konjunktursignale für die USA seit der letzten Fed-Sitzung sind gemischt. Zwar hat sich die Immobilienkrise weiter zugespitzt, die Umsätze im Einzelhandel und das Beschäftigungswachstum waren zuletzt jedoch solide. Ökonomen erwarten für das dritte Quartal ein Wirtschaftswachstum von etwa drei Prozent. Dennoch rechnet Matus damit, dass die Fed die Zinsen bis zum nächsten Frühjahr auf 3,75 Prozent deutlich senken wird.
Sollte die Fed dem Verlangen der Märkte nachgeben, wird es für Bundesbankpräsident Axel Weber und andere Verfechter einer restriktiveren Geldpolitik in Europa schwieriger, sich im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) durchzusetzen. Weber hatte kürzlich eindringlich vor steigenden Inflationsraten gewarnt und damit seine Vorliebe für eine Zinserhöhung signalisiert. Derzeit liegt der EZB-Leitzins bei vier Prozent. ?Senkt die US-Notenbank ihren Leitzins in den nächsten Monaten deutlich, können wir uns auf einen regelrechten Höhenflug des Euros gefasst machen?, warnte Michael Heise, Chefvolkswirt von Allianz und Dresdner Bank. Am vergangenen Freitag hatte der Euro mit 1,4393 Dollar ein neues Rekordhoch erreicht. Die EZB trifft sich neun Tage nach der Fed zu einer Zinssitzung. Will sie in diesem Jahr noch mal ihren Leitzins anheben, müsste sie gemäß ihrer bisherigen Vorankündigungspolitik am 8. November entsprechende Signale geben. Die Märkte rechnen aber nicht damit, dass sich die Befürworter einer Zinserhöhung durchsetzen.
?Die Märkte werden sich in den nächsten Monaten vor allem mit der Möglichkeit einer Rezession in den USA beschäftigen?, prognostiziert Daniel Pfaendler, Analyst der Investmentbank Dresdner Kleinwort. Lehman-Chef Fuld hält eine Rezession zwar für unwahrscheinlich, rechnet aber mit einer Phase schwächeren Wachstums. ?Wenn die Immobilienkrise auf den Konsum übergreift, wird es brenzlig. Bislang hatten wir kaum Pleiten. Das könnte noch kommen?, warnte er. Ein weiteres Risiko für die Konjunktur stellt der hohe Ölpreis dar, der bereits die Marke von knapp 92 Dollar pro Fass erreicht hat.
Ob sich die europäische Wirtschaft von der Wachstumsschwäche in den USA abkoppeln kann, ist unter Ökonomen umstritten. Zuletzt hatten Geschäftsklimaumfragen auf zunehmende Konjunkturskepsis hingedeutet. So berichtet die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), dass sich das Klima unter den deutschen Verbrauchern zum vierten Mal in Folge verschlechtert hat.
Unbeeindruckt von Kreditkrise und Rezessionsgefahr zeigen sich die Aktienmärkte. Der Börsenindex Dow Jones liegt fast elf Prozent höher als zu Jahresbeginn, der Dax ist gar um mehr als 20 Prozent geklettert. ?Die Verbindung zwischen Aktien- und Kreditmärkten scheint unterbrochen. Ich bin mir nicht sicher, dass die Firmengewinne die hohen Erwartungen erfüllen können und den Händlern die gestiegenen Risikoaufschläge auf dem Kreditmarkt egal sind?, sagte Lehman-Chef Fuld. Sollte die Fed die Märkte am Mittwoch enttäuschen, könnte es zumindest kurzfristig zu einer Kurskorrektur kommen.
Notenbanker auf Konfliktkurs
Risiken: Die Senkung des US-Leitzinses von 4,75 auf 4,50 Prozent gilt an den Märkten als ausgemachte Sache. Wegen des schwachen US-Immobilienmarktes besteht aber das Risiko weiterer Zinssenkungen. Das gilt vor allem dann, wenn der private Konsum in den USA stärker einbricht als bisher. Die Differenz zum Euro-Leitzins würde weiter abnehmen.
Unmut: Schon jetzt wird unter europäischen Notenbankern Kritik an der US-Zinspolitik laut. Die Notenbanker in Europa fürchten um ihren eigenen Entscheidungsspielraum.
Gruss Ice __________________________________________________ Börsengewinne sind Schmerzengeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld...(A.K.)
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