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Hessens SPD will an die Macht Was es auch koste
Von Berthold Kohler
09. März 2008 Warum eigentlich hat die hessische SPD ihre Vorsitzende Ypsilanti noch nicht als Kanzlerkandidatin vorgeschlagen? Der Amtsinhaberin Merkel, mochte die auch mit zwei russischen Präsidenten parlieren, stahl sie am Wochenende schon die Schau.
An Frau Ypsilantis brutalstmöglichem Machttrieb kann nach den vergangenen Tagen niemand mehr zweifeln. Ein ideologisches Großprojekt, die ?soziale Moderne?, und einen neuen Verbündeten, die Linkspartei, hat sie auch schon unter dem Arm. Und mit der SPD-Führung in Berlin fährt sie Karussell wie bislang nur Schröder in seinen besten Basta-Tagen. Anzeige
Frau Ypsilanti, vor einigen Wochen noch zur Hoffnungsträgerin der Partei erklärt, und ihr Landesverband mischen die Bundes-SPD auf, dass es nur so raucht. Statt den verhängnisvollen Marsch in die Abhängigkeit von der Linkspartei aufzugeben, drehten die hessischen Sozialdemokraten am Samstag lieber jene Abgeordnete durch den Wolf, die unter Verweis auf ihr Gewissen den Wortbruch nicht mitmachen wollte. Blättern Zum Thema
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Verbrüderungsverbot aufgehoben
Die hessische SPD will nach neun Jahren Opposition zurück an die Macht, was es sie (und das Land) auch koste. Den Willen der SPD-Spitze in Berlin, die nach Ypsilantis nur Stunden währendem Rückzieher verlauten ließ, dass sie schon immer gegen den Weg der Hessin gewesen sei, ignoriert sie glatt. Das haben ihr Beck und seine Stellvertreter mit ihrem winkeladvokatischen Zickzackkurs in Sachen Linkspartei allerdings auch leichtgemacht.
Zur Erinnerung: Das Verbrüderungsverbot ist von der SPD-Führung aufgehoben worden, um Frau Ypsilanti in Hessen die Verbrüderung mit den Kadern der Linkspartei zu ermöglichen. Freilich ging es dabei mindestens ebenso darum, den damals schon angeschlagenen Parteivorsitzenden zu stabilisieren.
Der greift nun diese Woche wieder selbst in das Geschehen ein, wenigstens in dessen Interpretation. Doch kommt es nicht darauf an, die SPD zu verändern? Frau Ypsilanti arbeitet daran und legt dabei die Unbeirrbarkeit einer Revolutionärin an den Tag, die sich von bürgerlichen Tugendvorstellungen, von Gewissensentscheidungen und selbstverschuldeten Blamagen nicht beeindrucken lässt. Die Gretchenfrage der SPD, wie sie es mit der Linkspartei hält, bleibt weiter unbeantwortet. Wenigstens im hessischen Landesverband aber scheint sich die Auffassung durchgesetzt zu haben, es lebe sich jetzt doch ganz ungeniert.
Text: F.A.Z.
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