Du schreibst "Es kann aber eben auch das gesamte Lastniveau des Tages zu niedrig angenommen werden und dann der Strom nicht aus dem Strommarkt bezogen werden, sondern aus den Regelmarkt. "
Das ist eigentlich nicht vorstellbar. Technisch spricht überhaupt nichts dagegen, in einem solchen Fall die "regulären" Kraftwerke entsprechend höher zu fahren. Das Problem bei diesen Kraftwerken ist ja nur, dass sie langsamer auf Anforderungen reagieren und deshalb zur Ausregelung kurzer Lastspitzen nicht geeignet sind. In dem beschriebenen Fall gleichmäßig verteilter Niedrigschätzung ist das aber irrelevant. Da hat man genug Zeit. Wirtschaftlich (auch aus Sicht der Stromhändler) spricht auch nichts dagegen. Denn die Regelenergie ist deutlich teurer als die von den regulären Kraftwerken gelieferte Energie.Ich habe das Gefühl, dass da etwas voreilig mit Schuldzuweisungen gearbeitet worden ist.
Du schreibst weiter: "Fällt dann noch ein größeres Kraftwerk, warum auch immer, plötzlich aus, dann gibt es die nötigen Regelkapazitäten nicht mehr und es führt zum Stromausfall." Das ist natürlich völlig richtig. Aber das gilt immer, auch unter anderen Umständen. Wenn ein ausreichend großes Kraftwerk ausreichend plötzlich ausfällt, dann ist der Kollaps da. ----------------------- Noch was anderes zu dem Thema: Wir haben bisher nur das Problem der Last- und Einspeiseschwankungen als mögliche Ursache für einen Netzzusammenbruch behandelt. Es gibt da aber noch ein weiteres, schwerer verständliches dynamisches Problem, das ich hier nur sehr oberflächlich anreißen kann: Das Hochspannungsnetz ist ein Drehstromnetz und die Leitungen und Verbraucher haben auch einen induktiven und kapazitiven Anteil. Das kann bei Laststößen zu Schwingungen im Netz führen. Das Aufschalten eines Kraftwerkes an einem Ort kann dann zu Stößen an anderen Orten des Netzes führen. Die wiederum können zu weiteren, unsinnigen Versuchen des Lastausgleichs führen. Und die können dann auch das Netz gefährden. Um solche Fehlentscheidungen zu verhindern, werden das Netz und die Auswirkungen solcher Laststöße in Rechnern simuliert. Diese Simulationen sind aber schwierig, Fehler sind da nicht auszuschließen. Die Gefahr solcher Fehler steigt dann naturgemäß mit der Häufigkeit der Ereignisse, die berücksichtigt werden müssen, also mit der Häufigkeit von plötzlichen Schwankungen bei Last und Einspeisung und mit der Komplexität des Netzes. - Bisher hat das noch ganz gut geklappt. Das kann sich aber zum ernsten Problem auswachsen, wenn die Stromversorgung stärker dezentralisiert und deshalb komplexer wird. Und alternative Energien führen naturgemäß zu kleineren und damit zu mehr "Kraftwerken" und damit zur Dezentralisierung (die in anderer Hinsicht auch Vorteile hat - weiß ich auch).
Machbar ist fast alles. Man muss dann aber auch die Konsequenzen tragen. Ich will deutlich machen, dass die Dinge bei weitem nicht so einfach sind, wie uns eine Menge technisch unbedarfter Politiker und Stammtisch-Politiker das erzählen wollen.
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