Ich kann jedenfalls nicht mit jener Absolutheit wie Rheumax hier Urteile fällen. Aber wenn er der Meinung ist, das AlSadr das Recht auf seiner Seite hat, da er dieses für sich reklamiert: Genauso haben es die Werwölfe auch gesehen. Deutschland hat schließlich Amerika nie angegriffen... Wenn man sich auf formale Positionen zurückzieht, hat dies letztlich zur Folge, dass man einen Richter braucht - im Völkerrecht ist dies am Ende allein der Historiker. Es gibt kaum eine Ecke auf dieser Welt, wo die jeweiligen Strukturen und Grenzen, so wie sie gerade sind, auf völkerrechtlich gesicherter Basis entstanden sind - meist sogar eher völkerrechtswidrig. Nehmt nur mal Polen oder Russland oder Deutschland in Europa oder jedes einzelne Land in Afrika. Irgendwann mussten sich die Handelnden auf einen Zustand einigen, selbst wenn er durch formales und moralisches Unrecht entstanden ist. Also macht es für mich heute mehr Sinn, in Richtung Zukunft zu denken als Rechtspositionen über die Vergangenheit auszutauschen.
Es wird den Irakern heute wenig helfen, dass du ecki, oder du Rheumax gegen den Angriff der USA waren und eure (auch meine) Befürchtungen sich vorerst bewahrheitet haben - geanausowenig, wie es etwa besonderen Einfluss hatte auf die Entwicklung, dass z. B. ich seinerzeit dagegen war. Insofern, glaube mir, halte ich es fast schon für ein bisschen tragikomisch, wenn du, ecki, schreibst: "Und nun wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, erwartest du, dass ich oder Rheumax die einfache und ideale Lösung für eine verfahrene Situation haben?" Ich erwarte es wirklich nicht. Selbst wenn du gaaanz super Lösungen auf Vorrat hättest - wo würden sie landen, wenn sie hier bei Ariva verkündet würden? Einfache Lösungen wird es sicher nicht geben - und schon gar nicht vom Völkerrecht: Das hat für solche Situationen keine Lösungen vorgesehen. Diejenigen jedenfalls, die jetzt - moralisch und rechtlich hier von Rheumax mit Rechtfertigungen ausgestattet - ein brutales, blutiges und Menschen verachtendes Chaos im Irak anrichten, sind garantiert nicht diejenigen, die für eine offene, alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen schützende rechtmäßige Zukunftsverfassung dieses Landes stehen. Das 24 Mio.-Volk der Iraker wird terrorisiert von ein paar tausend radikalen Scharfmachern - und von einer Weltmacht, deren Militär von der politischen Führung auf falsche Spuren gehetzt und außerdem auf Grund deren eigener Verblendung ungenügend geführt wird. Wenn allein die militärische Logik das Handeln bestimmt, ist immer Gefahr im Verzug für politische Lösungen. Trotzdem traue ich letztlich den Amis mehr: Sie stehen unter einer öffentlichen Kontrolle im eigenen Land und stehen unter einem gewissen Zwang zum "Guten" - d.h. tatsächlich für mehr Freiheit für die Irakis. Die absolute Mehrheit der Menschen im Irak wollen wahrscheinlich wie alle anderen Völker vor allem eines: in Frieden Leben können. Die Chance, dass dieser Wille sich durchsetzt, erscheint mir unter dem Einfluss der USA heute größer, als wenn man etwa einem AlSadr das Feld überlässt. Das kann alles auch noch völlig in die Hose gehen, und dann mögen die Pessimisten und Amerika-ist-der-Teufel-Prediger triumphieren - aber verflucht nochmal: Wer zum Teufel will in so einem Fall eigentlich Recht gehabt haben? Das wäre doch bitteschön die schlechteste aller "Lösungen", nicht nur für die Iraker, auch für uns! Gruß BarCode
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